Interview über Bodensee-SzeneEngagement für 75 qm Nationale Kreuzer sorgt für Klassenerhalt

Lasse Johannsen

 · 25.06.2023

Interview über Bodensee-Szene: Engagement für 75 qm Nationale Kreuzer sorgt für KlassenerhaltFoto: YACHT/N. Krauss
Richard Volz: Der Mediziner ist Eigner des 75ers O 4 „Passat“. Als Archivar der Klassenvereinigung erforscht Volz die Geschichte der Boote und stößt dabei immer wieder auf verschollene Exemplare. Mehrere wurden auf seine Initiative hin schon gerettet
Mit seinem Engagement für die 75 qm Nationalen Kreuzer sorgte Richard Volz schon für die Rettung mehrerer dieser Vorkriegs-Raritäten am Bodensee

Seit der Saison 1913 gehen die 75 qm Nationalen Kreuzer auf dem Bodensee an den Start und sind damit die älteste aktive Regattaklasse des Reviers. Mit über zwölf Meter Rumpflänge und seiner gewaltigen Segelfläche ist der 75er Inbegriff des großen Bodenseeschiffes. Genau 17 der rund 25 noch existierenden Schiffe sind heute hier zu finden, 16 von ihnen segeln in Bestzustand, viele darunter in zweiter oder dritter Familiengeneration. Eine lokale, sehr authentische Szene, die wenig Wind um sich macht und kaum überregionale Beachtung findet. Einer, der die Schiffe und ihre Eigner kennt wie kaum ein anderer, ist Dr. Richard Volz. Der Arzt aus Überlingen segelt mit seiner „Passat“ das älteste Exemplar der Flotte und initiierte vor 15 Jahren die Rettung der „Vinga“ vor dem Verfall und deren Rückkehr an den Bodensee. Aktuell ist er in zwei weitere Rettungsversuche involviert, ein dritter bahnt sich gerade an. Im Gespräch verrät Volz, warum er sich derart für den Erhalt der Schiffe einsetzt.

YACHT classic: Wie kam es zu Ihrer Leidenschaft für die 75er?

Richard Volz: (lacht) Ich bin da hineingeboren worden. Unsere „Passat“ ist jetzt seit fast 60 Jahren in der Familie. Mein Vater hat das Schiff 1965 übernommen und 1973 restauriert. Da war ich noch gar nicht auf der Welt. Ich bin auf dem Schiff groß geworden und habe an Bord alle Regattapositionen vom Vorschiff bis zum Steuermann durchlaufen.

Heute sind Sie der Eigner ...

Ja, mein Vater hat das Schiff vor 25 Jahren an seine vier Kinder übergeben. Nach und nach sind die Geschwister ausgestiegen. Seit fast 15 Jahren bin ich jetzt alleiniger Eigner.

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Die „Passat“ wurde 1913 gebaut und ist der älteste 75er am Bodensee, hat Ihr Vater sie deswegen gekauft?

Nein, mein Vater hat seinerzeit die Segelschule in Meersburg gekauft, da war das Schiff dabei. Dessen Geschichte war lange unbekannt. Mein Vater suchte lange vergebens nach der originalen Segelnummer. Erst, als das Internet aufkam, fand ich den entscheidenden Hinweis beim Freundeskreis Klassische Yachten, der mich ins Archiv des Kieler Yacht-Clubs führte, dem die „Passat“ seit 1914 gehörte. Seit 2002 kenne ich ihre vollständige Geschichte und die originale Segelnummer O 4. Das Schiff kam erst Anfang der 1960er Jahre an den See.

Sie engagieren sich auch für andere 75er, wie kam es dazu?

Weil ich mich in dieses Thema so vertieft habe. Ich habe dann auch geschaut, welche Geschichten von anderen Schiffen sich rekonstruieren lassen. Daraus ergaben sich Kontakte, unter anderem zu einem Berliner, der versuchte, die „Vinga“ zu restaurieren, aber an der Größe des Projekts gescheitert ist.

Heute segelt sie wieder!

Wir haben sie 2007 aus Berlin abgeholt, Joachim Landolt hat sie auf der Michelsen-Werft restauriert, seit 2012 segelte sie wieder und hat heute einen neuen Eigner. Mittlerweile wartet mit O 34 „Boreas“ der nächste 75er auf die Restaurierung, die soll bald in der gläsernen Werft in Überlingen beginnen.

Wie viele 75er sind dann am Bodensee?

Es gibt dann 17 Schiffe hier. Bis auf „Boreas“ sind alle in einem sehr ordentlichen bis richtig guten Zustand.

Und insgesamt?

Ein früheres Schiff der Bodenseeflotte ist derzeit auf einem anderen Revier. Eins segelt auf dem Ammersee und eins als 50er Seefahrtkreuzer in Norddeutschland. Dann gibt es noch drei Schiffe in Holland, von denen wir eins, die „Astrea“, jetzt auch zur Restaurierung an den Bodensee holen.

Die „Passat“ wurde 1913 in Berlin gebaut, war von 1914 bis 1936 Ausbildungsyacht in Kiel und kam 1963 an den BodenseeFoto: S. SacherDie „Passat“ wurde 1913 in Berlin gebaut, war von 1914 bis 1936 Ausbildungsyacht in Kiel und kam 1963 an den Bodensee

Wie schaffen Sie es immer wieder, neue Eigner für diese Restaurierungsprojekte zu finden?

Wir sind sehr aktiv, haben sechs Klassenregatten mit Jahreswertung und eine Far Niente, eine gemeinsame Ausfahrt, bei der der Spaß im Vordergrund steht. Und wir sind eine sehr harmonische Truppe.

Seit den Anfängen hier am Bodensee wurden die Aktivitäten der Klasse nur in den Kriegsjahren unterbrochen ...

Ja, seit 1913 gibt es die 75er am Bodensee, und die haben schon immer ihre Klassenregatten gesegelt, und was seit den 1950er Jahren so berichtet wird, lässt auf fortwährend große Aktivität in der Klasse schließen.

War auch die erwähnte Harmonie stets vorhanden?

Ich kann das ab Ende der 1980er Jahre überblicken. Da stand noch der sportliche Anspruch im Vordergrund. Es war wichtig, möglichst weit vorn mitzufahren, und man hat versucht, das Potenzial der Boote mit Alumasten und Kevlar-Segeln zu puschen. Aber es war eine aktive Klassenvereinigung mit großen Veranstaltungen. Damals wurde großer Wert auf Etikette gelegt, heute geht es legerer zu.

Hat sich der sportliche Anspruch verändert?

Es hat sich etwas mehr auf das Gesellige verlagert. Regattasegeln macht Spaß, aber davon allein lebt eine Klasse nicht. Und man sollte nicht ständig über Regeländerungen sprechen müssen.

Waren die bei den 75ern mal ein Thema?

Es gab eine spannende Phase Anfang der 1990er Jahre. Da wurden neue 45er gebaut, und es entstanden auch Pläne für formverleimte 75er mit Rundspant und geteiltem Lateralplan. Das machte uns Sorgen, wir haben uns gefragt, was passiert dann mit den alten Schiffen?

Und wie sah die Lösung aus?

Wir haben die Bauvorschriften überarbeitet und aus der Konstruktionsklasse eine Art Box Rule gemacht. Alle vorhandenen Schiffe wurden vermessen und ihre Minimum- und Maximum-Maße als Grenzmaße festgelegt. Wir haben ja Boote, die sind nur 11,40 Meter lang, und welche, die sind 12,50 Meter lang.

Also sind Neubauten erlaubt?

Ja, nur müssen sie ein S-Spant sein, mit langem Kiel und angehängtem Ruder, karweel beplankt und in die vorgegebenen Maße passen, auch vom Gewicht.

Und, gab es schon Neubauten?

Ja, einen, 1996. Die „Artis“. Ein echtes Meisterstück. Es ist auch immer vorn mit dabei. Aber es wird nicht als anders wahrgenommen, es hat der Klasse sicher nicht geschadet.


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