Flying P-LinerDie Rettung der Viermastbark “Peking”

Stefan Schorr

 · 28.11.2024

Die neu aufgetakelte  „Peking“ am Kai in  Wewelsfleth. Imposant  ist das Doppelsteuerrad  auf dem Brückendeck
Foto: YACHT/B.Scheurer
Am 7. September 2020 war es so weit: Die Viermastbark „Peking“ wurde nach ihrer spektakulären Rettung und dreijährigen Restaurierung von der Wewelsflether Peters Werft elbaufwärts nach Hamburg geschleppt. Von dort war der Flying P-Liner einst auf Salpeterfahrt nach Chile gegangen. Die YACHT hatte zuvor die Gelegenheit an Bord zu gehen und veröffentlichte die folgende Reportage in Ausgabe 18/2020.

Was für ein stolzer Anblick: die 1911 bei Blohm + Voss in Hamburg gebaute „Peking“! Einer der letzten vier noch erhaltenen Flying P-Liner, jener legendär schnellen Tiefwassersegler der Hamburger Reederei F. Laeisz. 54 Meter hoch ragt der Hauptmast in den Himmel über Wewelsfleth, hier am Ausrüstungskai der Peters Werft. Vier Masten stehen im Schiff. Sie tragen 18 Rahen, einen Baum, zwei Gaffeln. Alles in leuchtendem Gelb, die Nocken weiß. Dazu der weit ausladende Bugspriet. Wahrlich beeindruckend!

Auch der zwischen den Loten 96 Meter lange Rumpf strahlt in tadellos frischer Farbe. Rotes Antifouling am Unterwasserschiff, darüber das breite weiße Band der Wasserlinie und schließlich sattes Schwarz. Unterm charakteristischen Anstrich der Laeisz-Schiffe sind die genieteten Stahlplatten deutlich zu erkennen. Die ehemaligen Bullaugen im Rumpf aus Zeiten als Internatsschiff sind wieder verschlossen worden. So jedoch, dass auch dieses Kapitel der wechselvollen Schiffsgeschichte bei genauer Betrachtung sichtbar bleibt. Über die breite Gangway, die an Backbord auf Höhe des Kreuzmasts an Deck führt, bitten der technische Leiter der „Peking“ Konstantin Jakobi und seine Stellvertreterin Laura Lühnenschloß Anfang Juli an Bord. Beide sind erst kurz zuvor von der Stiftung Historische Museen Hamburg (SHMH) für diese Posten eingestellt worden.

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Aktuelle News rund um die “Peking”:

Am 15. Mai 2020 übernahm die SHMH die „Peking“ offiziell von der Interims-Eigentümerin, der Stiftung Hamburg Maritim (siehe Interview mit deren Projektsteuerer Joachim Kaiser). Jakobi und Lühnenschloß waren zuvor an der dreijährigen Restaurierung beteiligt, die am 2. August 2017 in Wewelsfleth begann. Das Team der Peters Werft sowie die Arbeitsgemeinschaft Ingenieurbüro Löll und Technolog Services wurden bei der Restaurierung des gewaltigen Riggs von zwei weiteren Fachbetrieben unterstützt. Für die Georg Albinus Boatbuilding & Rigging GmbH war Jakobi als Projektingenieur, Schwerpunkt Stahlbau und Maschinenbau, tätig. Bei der Oevelgönner Tauwerkstatt von Jochen Gnass stand Laura Lühnenschloß unter Vertrag. Das junge technische Leitungsteam arbeitet überwiegend in Hamburg und ist an zwei Tagen pro Woche auf der „Peking“ in Wewelsfleth.

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Flying P-Liner “Peking”: Restauration nah am Original

Der 28-jährige Jakobi kümmert sich um Verwaltung, Koordination und Dokumentation. Für die Überführung nach und den ersten Liegeplatz in Hamburg klärt er noch diverse Details. Seine 34-jährige Kollegin ist in erster Linie für die Pflege des Riggs zuständig. Lühnenschloß hat sich ihr Knowhow unter an­derem auf dem deutschen Traditionsschiff „Thor Heyerdahl“ angeeignet. Sie war Teil des 14-köp­figen deutsch-däni­schen Teams, das der Hamburger Takler Jochen Gnass für die Arbeiten am „Peking“-Rigg aus Crewmitgliedern verschiedener historischer Großsegler zusammenstellte.

Das Rigg der Viermastbark wurde komplett in den Zustand zurückversetzt, in dem es sich zu der Zeit als Frachtsegler in der Salpeterfahrt befunden hatte. Die Vollkauschen und die meisten der Spannschrauben an den Wanten sind noch Originale, die auf­gearbeitet wurden. Selbst einige der alten Wanten und Pardunen konnten nach einer Überholung weiterverwendet werden. Alle neuen Drähte sind verzinkt. Nirgends sind Pressungen gemacht worden, stattdessen wurde wie einst gespleißt. Auf traditionelle Weise haben die Takler die Drähte auch gegen Sonne, Kälte und Salzwasser geschützt. Sie strichen sie zunächst mit Labsal ein. Beim Trensen füllten sie die Hohlräume zwischen den einzelnen Kardeelen mit Hüsing und umwickelten beim Smarten den Draht mit Jutesträngen mit dem Schlag. Beim Bekleeden wurde mit der Kleedkeule fünf Millimeter starkes Polypropylen- Tauwerk fest um die Jutestränge gewickelt – gegen die Schlagrichtung des Drahts.

Zum Schluss ist ein bitumenhaltiger Anstrich gegen die Witterungs­einflüsse aufgetragen worden. Die Kneifbändsel an den Wanten wurden mit weißer Korrosionsschutzfarbe gestrichen. „Auf die damals übliche Bleifarbe haben wir dann doch lieber verzichtet“, erklärt Laura Lühnenschloß. Sie erzählt auch davon, wie die ein- bis dreischeibigen Holzblöcke in den Größen acht bis 15 Zoll für mindestens eine halbe Stunde in 50 Grad heißem Leinölfirnis „gekocht“ wurden. Die zwei Original- und 16 rekonstruierten Rahen wurden mit dem Kran an die Masten gehoben, die Winden zum Brassen der Rahen an Deck montiert.

Zwei Segel als Geschenk von Schwesterschiff “Pommern”

Nun steht noch die Installation der sechs neu gefertigten Fallwinden aus. Mit ihnen werden sechs der neun fierbaren Rahen beim Setzen der Segel aus ihrer Ruheposition nach oben gezogen, und zwar die der drei Obermarsen und der drei Oberbramen. Auch ein Klüvernetz soll noch ergänzt werden. „Die Kapitäne des Schiffs handhabten das unterschiedlich. Mal war die ‚Peking‘ mit, mal ohne Netz unterwegs“, sagt Lühnenschloß. „1928 hatte sie jedoch ein Klüvernetz. Und deshalb bekommt sie nun auch wieder eines.“ Von der Crew des Flying P-Liners „Pommern“ in Mariehamn auf den Åland- Inseln sind zudem zwei Segel als Geschenk zugesagt. „Diese werden wir zur Überführung nach Hamburg vermutlich noch nicht haben“, sagt Jakobi. „Und selbst wenn sie bis dahin da wären, werden wir sie wohl nicht anschlagen können.“ Das soll später aber zu besonderen Anlässen durchaus möglich sein.

Die Überführung nach Hamburg ist für Montag, den 7. September angesetzt. Bis dahin sind auch die letzten der umfangreichen Arbeiten, mit denen die Werft beauftragt war, erledigt. Schlepper sollen die „Peking“ von der Ausrüstungspier zunächst durch das Stör-Sperrwerk bugsieren. Danach geht es elbaufwärts nach Hamburg. Dort wird das Schiff in den kommenden Jahren am Bremer Kai im Hansahafen liegen; Mitte Juli wurde dort Platz für den Flying P-Liner geschaffen. Der Stückgutfrachter MS „Bleichen“ der Stiftung Hamburg Maritim ist bereits an einen neuen Liegeplatz verholt worden.

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Bis zur Ankunft der „Peking“ wird noch gebaggert und werden zwei Dalben gerammt, an denen Donut-Fender zum Einsatz kommen sollen. Diese haben, wie das namensgebende Gebäck, ein Loch in der Mitte. Der Zylinder umschließt den Dalben und schwimmt an diesem auf und ab. Auf dem Fender sind Poller für Fest­macherleinen montiert. „Die Donut-Fender haben eine weit weniger aufdringliche Optik als Dalbenschlösser, die immer fest mit dem Rumpf verbunden werden“, erklärt Jakobi. Die „Peking“ wird in vier Meter Abstand zum Bremer Kai liegen. „So ist sie rundherum sichtbar von Wasser umgeben und wirkt damit viel besser. Ein Schiff, das direkt an der Kaimauer liegt, scheint ja immer kleiner, als es tatsächlich ist“, so die Begründung. Im Hansahafen wird „der erste schöne Bote des künftigen Deutschen Hafenmuseums“, wie Jakobi die „Peking“ nennt, ab Mitte September von außen zu betrachten sein.

Der Zugang auf den Bremer Kai wird über das Hamburger Hafenmuseum erfolgen. In den anschließenden Wochen und Monaten wird an Bord des Schiffs der erforderliche sicherheitstechnische Ausbau für den Besucherbetrieb fortgesetzt. „Wir müssen die Laufwege festlegen, Mülleimer aufhängen und viele weitere Details klären“, sagt Jakobi. Im Frühjahr 2021 soll die „Peking“ dann auch für Besucher an Bord geöffnet werden. Die ehrenamtlichen Mitglieder des Vereins Freunde der Viermastbark Peking beschäftigen sich intensiv mit der Geschichte des Schiffs und erarbeiten Führungen, die sie an Bord anbieten werden. Was von der historischen Inneneinrichtung im Brückendeck noch erhalten war, wurde im August 2017 auf der Werft ausgebaut, katalogisiert und in einer Halle eingelagert. Die Teile sollen noch restauriert werden.

Die Inneneinrichtung der “Peking” zu rekonstruieren ist eine Herausforderung

Bevor der größere Teil der ehemaligen Inneneinrichtung rekonstruiert und nachgebaut werden kann, ist allerdings noch eine umfangreiche Recherche erforderlich. Die Arbeiten an der Innen­einrichtung sollen 2021 beginnen und vom Publikum beobachtet werden können. Die Schiffsbegehung Anfang Juli vermittelt bereits einen guten Eindruck von dem, was die Be­sucher dann künftig erwartet. Die Back, das erhöhte Vorschiff, ist Konstantin Jakobis Lieblingsplatz an Bord. Von hier ist nach achtern das komplette Schiff zu überblicken. Im Vordergrund das gewaltige Ankerspill und der Kran zum Ausbringen der Anker. An Backbord liegt einer der beiden großen Original-Stockanker an Deck. Laura Lühnenschloß’ Blick wandert von hier hinauf zu den vier hohen Masten. „Einmal mit der ‚Peking‘ rund Kap Hoorn segeln, das wäre schon echt cool“, sinniert sie. 34-mal rundete die Bark die berüchtigte Südspitze Südamerikas. Schwer vorstellbar, wie mörderische Seen unter den Laufbrücken übers Deck wuschen.

Die Laufbrücken verbinden auf dem sogenannten Drei-Insel-Schiff die Back mit dem in der Mitte des Rumpfs über die ganze Breite reichenden Brückenhaus und der Poop auf dem Achterschiff. Für den Gang darunter über das neue Deck aus Oregon Pine und einer Umrandung aus Kambala müssen an einigen Stellen Füßlinge über die Schuhe gezogen werden. Das finale Schleifen des Holzes hat begonnen. Überall sind noch Arbeiter beschäftigt, auch unter Deck. Dort stehen die beiden Fahrstühle kurz vor ihrer Abnahme. Auch zwei Treppenhäuser verbinden die Decks. Das achtere ist als Haupttreppenhaus sehr üppig bemessen und komplett verglast. Hierüber ist notfalls die Evakuierung des Schiffs möglich; der gläserne Schacht besitzt einen eigenen Rauchabzug.

Ganz unten im riesigen Laderaum wird die umfangreiche Elektrik für den Museumsbetrieb installiert. In breiten Schächten laufen unzählige Kabel. Lichtschienen an den Decken werden ebenso angeschlossen wie Lautsprecher und Rauchmelder. Die Gerüste der Elektriker verstellen noch den später über 85 Meter weiten freien Blick durch das Einraumschiff. Zu Frachtschiffszeiten lagerte die Ladung hier auf dem nackten Betonballast. Nun wurden Doppel-T-Träger aus Stahl darauf montiert, auf die noch Holzbohlen als Bodenbelag kommen. Damit die Besucher sich im Laderaum noch freier bewegen können, wurden Stücke aus den Bodenwrangen herausgetrennt und aufklappbar wieder eingesetzt. Im normalen Museumsbetrieb werden diese „Türchen“ offen stehen – ein Beitrag, um das komplette Schiff barrierefrei besuchbar zu machen. Im geschlossenen Zustand ist der Eingriff an den Wrangen kaum zu sehen.

Erneuerungen fügen sich unauffällig ein

Genau das war das übergreifende Ziel der Restaurierung: Erneuerungen sollen als solche zu erkennen sein, sich aber zunächst unauffällig ins historische Gesamtbild fügen. Im Vorschiff wird ein kleiner Teil des Betonballasts wieder entfernt. In diesem Sichtfeld wird künftig die Stahlstruktur des Rumpfes zu erkennen sein. An dessen Innenseiten sind die Schweißlatten angebracht. Die Holz­balken, die in U-Profilen auf den Spanten lagern, sorgten ehemals für die Hinterlüftung der Ladung. Der in Säcken verpackte Salpeter sollte keinen direkten Kontakt zur Außenhaut haben. Kondenswasser hätte den wichtigen Grundstoff für die Dünger- und Sprengstoff-Herstellung in Europa in Mitleidenschaft gezogen.

Der Laderaum erstreckt sich über zwei Decks. Im Zwischendeck wurde ein Geländer um die große Ladeluke errichtet. Auf dem Hauptdeck wird die Ladeluke künftig wieder klassisch mit Planen, Schalkleisten und Keilen verschlossen. Weiter achtern auf dem Hauptdeck bezeichnet Konstantin Jakobi die Poop als die „moderne ‚Peking‘“. Hier trifft man auf „Straßenbahn-Optik“ mit feuerfesten Wandpaneelen. An Steuerbord befinden sich die Besuchertoiletten, an Backbord die Mitarbeiterräume, zu denen auch ein Aufenthaltsraum mit Teeküche gehört. Die Viermastbark wird in Zukunft von einer vierköpfigen hauptamtlichen Crew betreut. Neben Jakobi und Lühnenschloß treten zum 1. September zwei Decksleute ihre Vollzeitstellen an, sie werden für die täglichen Arbeiten an Bord zuständig sein.

Der technische Leiter Jakobi ist voller Vorfreude und optimistisch, dass sein Team, unterstützt durch angeleitete Ehrenamtliche, die fachgerechte Wartung des Schiffs in den kommenden Jahren durchaus gewährleisten kann. „Dabei kommt uns natürlich sehr zugute, dass wir quasi ein neuwertiges Schiff erhalten“, sagt der Ingenieur. „Außerdem findet ja kein Fahrbetrieb statt. Wir haben also keine Motoranlage zu betreuen, und Verschleiß, beispielsweise durch Schamfilen im Segelbetrieb, gibt es auch nicht.“ Nach der Restaurierung ist vor der Pflege und Instandhaltung: „Dieses große Schiff mit seinem riesigen Rigg über Jahre in dem jetzt erreichten Zustand zu erhalten ist eine immense Herausforderung, der sich unser Verein mit seinen derzeit 350 Mitgliedern aber gerne annimmt; unsere Ehrenamtlichen brennen darauf, die ‚Peking‘ in ihre Obhut zu nehmen“, wird Mathias Kahl, Vorsitzender des Vereins Freunde der Viermastbark Peking, in der Pressemeldung zur Schiffsübergabe an die Stiftung Historische Museen Hamburg zitiert.

Flying P-Liner “Peking” als Ort des Wissenstransfers

Weitere ehrenamtliche Helfer möchte die SHMH durch einen entsprechenden Aufruf finden. Für den betrieblichen Unterhalt des Schiffs zeichnet die Freie und Hansestadt Hamburg verantwortlich. Sie hat dafür im diesjährigen Haushalt knapp vier Millionen Euro bereitgestellt. Gut drei Millionen Euro an Investitionen sind vor allem für die Einrichtung des „Peking“-Liegeplatzes am Bremer Kai und das dafür nötige Verlegen der MS „Bleichen“ nötig. Die laufenden Kosten wurden – für die Dauer von zunächst zehn Monaten – auf 878.000 Euro beziffert. Jakobi und Lühnenschloß wünschen sich die „Peking“ als einen lebendigen Ort des Wissens­transfers. Viele handwerkliche Fähigkeiten, die auf alten Schiffen selbstverständlich waren, drohen verloren zu gehen. „Takler ist beispielsweise schon lange kein Ausbildungsberuf mehr in Deutschland“, sagt Lühnenschloß. „Deshalb wäre es toll, die ‚Peking‘ als internationale Anlaufstelle für all jene zu etablieren, die sich für traditionelle Schiffe begeistern.“

Für sie soll ein Rahmenprogramm geschaffen werden, das zum Erhalt traditionellen Handwerks beiträgt. Crewmitglieder anderer Traditionsschiffe könnten hier dann beispielsweise das Smarten oder Spleißen von Draht erlernen. „Da wir beide aus der deutschen Traditionsschifffahrt kommen, glauben wir an die Unterstützung dieser Idee“, sagt Jakobi. 1992 in Elmshorn geboren, lernte er zunächst Industriemechaniker, studierte dann Maschinenbau, Fachbereich Konstruktion und Entwicklung, und machte zusätzlich seinen Schweißfachingenieur. Als 14-Jähriger begeisterte er sich während einer Klassenfahrt für den Großtoppsegelschoner „Fridtjof Nansen“ und wurde dort Stammcrewmitglied. Fortan fuhr Jakobi als Maschinist und Toppsgast und leitete bald auch umfangreiche Werftprojekte an, etwa, als die „Fridtjof“ ihren neuen Klüverbaum erhielt.

Vor seiner Anstellung als technischer Leiter der „Peking“ hatte er keine Berührungspunkte mit Museumsarbeit und gesteht gar, dass er mit Exponaten in verstaubten Glasvitrinen wenig anfangen kann. „Deshalb bin ich total froh, dass Frau Richenberger diesen sehr modernen Ansatz verfolgt.“ Ursula Richenberger ist Projektleiterin des Deutschen Hafenmuseums (DHM), dessen Leitobjekt der Flying P-Liner „Peking“ sein wird. Sie arbeitet für die Stiftung Historische Museen Hamburg, die die Kulturbehörde der Hansestadt inhaltlich berät. 1970 geboren, wuchs Richenberger in Zürich in der Schweiz auf, zog als Zehnjährige mit ihren Eltern ins schleswig-holsteinische Rendsburg und studierte in Lüneburg Kulturwissenschaften. Bevor sie Projektleiterin des neuen Deutschen Hafen­museums wurde, war sie Leiterin des Hamburger Hafenmuseums. Sie sieht das Museum des 21. Jahrhunderts als „offenen Raum für das Publikum“: Freiflächen, die rund um die Uhr zugänglich sind, sollen den Erstkontakt mit der Institution möglichst einfach gestalten.

Viermastbark soll “ein neues Wahrzeichen Hamburgs” werden

Großobjekte des Museums, eine attraktive Kaikante und ein Aussichtsturm sollen für eine einladende Außenwirkung sorgen. Das Hauptgebäude soll eines werden, das mit stets neuen Ausstellungen am Puls der Zeit bleibt und in dem jeder recherchieren und forschen kann. Die „Peking“ als Vertreterin des ersten Schiffstyps der Globalisierung passt bestens in den Ansatz Richenbergers, „Häfen als Knotenpunkte globaler ökonomischer und sozio- kultureller Zusammenhänge zu zeigen“. Im Mai 2019 wurde die lange Zeit offene und kon­trovers diskutierte Standortfrage geklärt: Der Neubau des zukünftigen Deutschen Hafenmuseums entsteht im neuen Hamburger Stadtteil Grasbrook, wo dann auch die Viermastbark „Peking“ ihren endgültigen Liegeplatz am Holthusenkai finden wird. Der Grasbrook liegt gegenüber der gleichfalls noch jungen Hafen-City, am Südufer der Norder­elbe, und wird der westlich angrenzende neue Nachbar der Veddel sein. 6.000 Menschen sollen hier irgendwann leben, 16.000 ihren Arbeitsplatz haben. Mittendrin das Deutsche Hafenmuseum als kulturelles Herzstück.

Als zweiter Standort wird das jetzige Hafenmuseum Hamburg, noch eine Außenstelle des Museums der Arbeit, dienen. Der Schuppen 50A soll zusammen mit der Flotte historischer Schiffe und Krane zum lebendigen technischen (Freilicht-)Museumsstandort weiterentwickelt werden, der dann auch ganzjährig betrieben wird. Grasbrook und Hansa­hafen werden zu diesem Zweck auf dem Wasserweg mit dem öffentlichen Nahverkehr verbunden. Dass die „Peking“ für die nächsten fünf bis zehn Jahre zunächst ohne neues Museum im Hintergrund zu besichtigen sein wird, werden Schiffsliebhaber verschmerzen können. Wie sagte Professor Dr. Hans-Jörg Czech, Direktor und Vorstand der Stiftung Historische Museen Hamburg, doch bei der Schiffsübergabe durch die Stiftung Hamburg Maritim: „Ich bin mir sicher, dass die Viermastbark ein neues Wahrzeichen Hamburgs sowie ein spektakulärer Botschafter und deutlich sichtbares Symbol für die fortschreitende Planung und Realisierung des Deutschen Hafenmuseums werden kann.“


Interview: “Um jede einzelne Nietnaht gekämpft”

Joachim Kaiser: Er ist maßgeblich verantwortlich für die Rettung der „Peking“Foto: Stiftung Hamburg MaritimJoachim Kaiser: Er ist maßgeblich verantwortlich für die Rettung der „Peking“

YACHT: Mitte Mai haben Sie die unter Federführung der Stiftung Hamburg Maritim fertig restaurierte „Peking“ an die Stiftung Historische Museen Hamburg übergeben können. Sind Sie mit dem Ergebnis zufrieden?

Joachim Kaiser: Ja, sehr. Zwar musste rund ein Viertel der Substanz des Schiffs erneuert werden. Das ging nicht ohne umfangreiche Schweiß­­arbeiten; Nieten wäre viel zu teuer gewesen. Dennoch haben wir im sichtbaren Bereich wirklich um jede einzelne Nietnaht gekämpft. So entstand ein harmonisches Gesamtbild, mit dem wir Maßstäbe setzen.

Gilt das nur für den Rumpf oder auch fürs Rigg?

Auch fürs Rigg. Zum Beispiel konnten wir dank der rekonstruierten Brasswinden die Rahen bereits probehalber rundbrassen. Das war ein großes Erlebnis! Die nachgebauten Fallwinden für die Bram- und Obermarsrahen werden noch geriggt. Nur dank dieser Winden konnte ein Schiff dieser Größe ja überhaupt ge­segelt werden, ohne dass hundert Mann Besatzung vonnöten gewesen wären. Würde man jetzt noch Segel anschlagen, könnte die „Peking“ tatsächlich wieder lossegeln. Solch eine Restaurierung sucht daher ihresgleichen!

Weshalb liegt an Deck nur ein Anker?

Da hoffen wir noch auf ein Wunder. Einen der beiden Anker der „Peking“ hat der Mariehamner Reeder Gustav Erikson als Denkmal für ertrunkene Seeleute am Hafen von Uusikaupunki in Finnland aufstellen lassen. Den konnten wir daher nicht bekommen.

Terminlich sind Sie mit der Sanierung im Plan geblieben; reichte das erhöhte Budget am Ende auch?

Dass die Sanierung planmäßig beendet wurde, ist natürlich der Verdienst eines großen Teams. Alle Beteiligten haben sehr gute Arbeit geleistet, auf die sie sehr stolz sein können. Und: Für die eigentliche Sanierung sind wir im aufgestockten Budget von 34,8 Millionen Euro geblieben. Inzwischen wurde allerdings auch schon mit der gleichfalls sehr kostenintensiven Umsetzung der „technischen Publikumsertüchtigung“ des Schiffs begonnen. Dazu gehört beispielsweise der Einbau des Aufzugs, um den Besuch des Schiffs barrierefrei zu ermög­lichen.
Das und anderes mehr mit
eingerechnet, belaufen sich die Gesamtkosten daher inzwischen auf 38 Millionen Euro.

Wie steht es um Sie? Überwiegt die Erleichterung, die Mammut-Aufgabe gemeistert zu haben, oder Weh­mut, dass das Projekt jetzt endet?

Ich bin richtig erleichtert, dass das eigentliche Restaurierungsprojekt abgeschlossen ist. Die vergangenen vier Jahre waren extrem kräftezehrend. Ich bin zwar nach wie vor noch gelegentlich auf der Werft. Aber ich habe während meiner vielen zurückliegenden Restaurierungsprojekte gelernt loszulassen.

War die „Peking“ die Krönung Ihrer Arbeit als Bewahrer alter Schiffe?

Als Vater vieler Kinder soll man ja nie über ein Lieblingskind sprechen. Sicher war die „Peking“ ein sehr schöner Schlusspunkt in meinem Berufsleben, war sie doch auch das größte Schiff meiner Laufbahn. Für mein Ego hätte ich diese Sanierung aber nicht gebraucht.

Sie wurden 2016 für die Leitung der „Peking“-Sanierung aus dem Ruhe­stand zurückgeholt. Beginnt dieser denn nun wirklich für Sie?

Ja, der beginnt nun tatsächlich. Ich werde in den nächsten Tagen zu einem ausgedehnten Sommertörn starten. Mit meinem alten Holzboot geht es ganz ohne Eile Richtung Norden.

Wirklich nur zum eigenen Vergnü­gen? Oder liegt nicht doch im Karten­tisch eine Liste mit Häfen, in denen noch erhaltenswerte maritime Schät­ze auf Sie warten?

In früheren Jahren bin ich tatsächlich Törns bis hinauf nach Stockholm gesegelt und habe systematisch in jedem Hafen geschaut, ob dort noch interessante Schiffe zu entdecken sind. Heute gibt es eigentlich keine Schätze mehr zu finden. Natürlich laufe ich aber trotzdem nach wie vor gern Häfen an, in denen sehenswerte Schiffe liegen, die ich länger nicht besucht habe.

Sind dann auch die Åland-Inseln gesetzt, um in Marie­hamn die „Pommern“ anzuschauen, die ja auch zur Flotte der Flying P-Liner gehört?

Ich war schon mehrmals auf den Ålands, zuletzt auf eigenem Kiel. Mariehamn ist in der Tat ein Wallfahrtsort und die „Pommern“ ein Weltkulturerbe – auch wenn das nicht offiziell irgend- wo steht. Dieser Flying P-Liner wurde zeit seines Lebens kaum verändert. Sollte ich an den Ålands vorbeikommen, werde ich daher ganz sicher einen mehrtägigen Stopp einlegen – schon, um der charmanten Direktorin des Åland Maritime Museum Hanna Hagmark Hallo zu sagen.

Wie wird Ihr Ruhestand nach dem Sommertörn aussehen?

So lange ich kann, werde ich mich um alte Schiffe kümmern. Während der „Peking“- Sanierung konnte ich mich zum Beispiel nicht in dem Maße in die Restaurierung des ehemaligen Frachtseglers „Undine“ einbringen, wie ich es gern getan hätte. Das hoffe ich, nachholen zu können. Und ich bleibe natürlich im Vorstand der Stiftung Hamburg Maritim und stehe als Berater zur Verfügung.


Dieser Artikel erschien erstmals in YACHT 18/2020.

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