Jan Zier
· 13.09.2022
Ein Trimaran für ausgedehnte Familientörns, der zugleich Seriensieger im Silverrudder ist? Doch, das geht. Mit der „Black Marlin“ von Jan Andersen. Jetzt soll sie in Serie gehen
Auf ein Teakdeck wollte Jan Andersen doch nicht verzichten. Eine dünne Schicht zumindest, im Cockpit: So viel Referenz an ein klassisches Fahrtenschiff musste schon sein. Darunter findet sich dann aber wieder Carbon, natürlich. So wie überall auf der „Black Marlin“. Schließlich handelt es sich um die wohl leichteste und schnellste Mehrrumpfyacht, die sich noch trailern lässt und die voll fahrtentauglich ist. Trotz aller Gewichtsersparnis kann es mit dem Untersatz im Sommer mit Frau und Kindern, mit Sack und Pack mal eben auf einen Törn nach England, Norwegen oder Kroatien gehen, wie Jan Andersen berichtet. „Ich habe einfach das Segelschiff gebaut, das ich selbst gern haben wollte“, sagt der „Marlin“-Macher. Gut, das sagen andere Bootsbauer auch, deren Werft nicht viel mehr ist als ein beheiztes, von Neonröhren ausgeleuchtetes Zelt, das irgendwo auf der grünen Wiese steht.
Nur: Bei dem bescheidenen Dänen ist unter diesen Bedingungen zu Hause auf Fünen in nur eineinhalb Jahren mal eben ein Silverrudder-Seriensieger entstanden. Vergangenes Jahr unterbot er auf der Regatta seinen eigenen Geschwindigkeitsrekord und schaffte die 134 Seemeilen lange Strecke rund um die eigene Insel in weniger als 15 Stunden.
Wir treffen Jan Andersen, als er mit seiner Familie gerade auf Terschelling verweilt, sie sind unterwegs nach Schottland. Für die 433 Seemeilen lange Strecke dorthin werden sie nicht mehr als zwei Tage und elf Stunden brauchen, das macht eine Durchschnittsgeschwindigkeit von über sieben Knoten, bei 16,4 Knoten in der Spitze. Die „Black Marlin“, die sonst nicht mal eineinhalb Tonnen wiegt, ist jetzt ein paar Hundert Kilo schwerer als auf all den Regatten, die vier Andersens haben ja alles dabei, was man auf einem Sommertörn braucht.
Der lichte, weiß gestrichene Salon mit seinen üppigen Bänken rund um den aus Kohlefaser gefertigten Tisch hat eine Stehhöhe von fast zwei Metern. In der Navi-Ecke, aber auch in der großzügigen Küche schafft elegantes Zedernholz eine ausgesprochen warme, wohnliche Atmosphäre. Von der finsteren Carbonhöhle eines Hightech-Racers ist man sehr weit entfernt. Nur auf eine Dusche an Bord haben die Andersens verzichtet, sie sind halt eher Camper – Platz dafür wäre in dem 9,60 Meter langen Hauptrumpf aber schon gewesen. Die Tür zur üblichen Vorschiffskoje wurde auch eingespart, ein Vorhang muss reichen. Dafür gibt es Kinderzimmer in den beiden Außenrümpfen. Sie seien auf diesem 33 Fuß langen Trimaran auch schon zu acht einen langen Schlag gesegelt, so Jan Andersen.
Es ist sein erstes Schiff, das er in Carbon produziert hat: Er hat früher stets mit Holz gearbeitet. Das erste Mal mit 14, als er zusammen mit seinem Vater einen Pirat baut; 1982 war das. Später wird er Bootsbauer, wie sein Vater, und lernt sein Handwerk bei Ring Andersen in Svendborg, einer der ältesten und bekanntesten dänischen Holzschiffswerften. Heute betreibt er auf Fünen seine eigene Firma. Visionboat heißt sie, eine One-Man-Show: Jan Andersen ist mehr Künstler als Geschäftsmann und will außerdem viel Zeit haben, um einfach segeln zu gehen.
Sein erster Trimaran ist die 2004 aus Zedernholz gebaute „Barracuda“, 9,20 Meter lang, 1.380 Kilogramm schwer, mit 41 Quadratmeter Großsegelfläche. Und auch sie war schon trailerbar. Als 2012 das erste Silverrudder stattfindet, entschließt sich Andersen zwei Tage vor dem Start noch schnell, doch mitzufahren. Er wohnt ja auf Fünen, also warum nicht, denkt er sich. Und gewinnt das Rennen, das damals noch den Untertitel „Eisenmänner der See“ trägt und weit davon entfernt ist, eine kultige Regatta mit mehreren Hundert Teilnehmern zu sein, bei der selbst 450 Startplätze in zwei Stunden ausverkauft sind. 2012 meldeten gerade einmal 15 Boote. Drei Jahre später fährt er das Einhandrennen das erste Mal auf der „Black Marlin“ mit, dabei ist das Boot seinerzeit noch gar nicht wirklich fertig. Aber segelbar ist es eben schon, und First Ship Home wird es auch.
Ich habe einfach das Segelschiff gebaut, das ich selbst gern haben wollte
18 Monate lang hat Andersen 2014/15 an der „Black Marlin“ gearbeitet, ein Fulltime-Job. Seine „Barracuda“ hat er vorher verkauft – er wollte was Größeres, für längere Distanzen, mit mehr Platz untenrum, und hochseetauglich sollte es auch sein. Auch den Kohlefaser-Drehflügelmast fertigt er selbst, er ist so konstruiert, dass das ganze Schiff in einem 40-Fuß-Container in die ganze Welt verschifft werden kann. Danach baut er das Boot noch mal, auf Bestellung eines Schweden, aber in einer entschärften Version mit einem kleineren Rigg.
Für den 53-jährigen Jan Andersen ist die „Black Marlin“ sein „finales“ Boot. „Bisher“, sagt seine Frau Annette Bartels Andersen dann. Die beiden sind seit über 30 Jahren zusammen, gemeinsam sind sie schon mit einem 28-Fuß-Langkieler von Neuseeland ins Mittelmeer gesegelt. Sie sei sich da ja nicht so sicher, ob er nicht doch noch mal einen neuen Trimaran entwirft und baut in seiner kleinen Werft. „Ich bin sehr glücklich mit diesem Schiff“, sagt er dann, und dass er von keinem größeren träume.
Den jahrelangen Einsatz auf Törns und Regatten sieht man „Black Marlin“ mittlerweile jedoch ein bisschen an, da und dort hat das Carbon ein paar Kratzer, und die Oberflächen an Deck sind nicht mehr ganz so schier wie einst – ein Gebrauchsgegenstand, kein Ausstellungsstück.
In der Hafenausfahrt von Terschelling ist die fast acht Meter breite Plattform mächtig raumgreifend. Auf den Schiffen, die uns passieren, werden immer mal die Smartphones gezückt, während ein angehängtes Elektromotörchen uns leise surrend nach draußen schippert. Sind die neuen schwarzen Segel einmal gesetzt, entwickelt sich der Trimaran schnell zu einer leichtfüßigen Rennmaschine. Bald schon fühlt man sich dem Fliegen näher als dem Segeln, alles an Bord bewegt sich in einer ganz anderen Dimension als auf den Booten drumherum. Die „Black Marlin“ kann gar nicht langsam dahinschaukeln, selbst mit sieben Leuten an Bord und all dem Gepäck. Dabei fühlt sich die Geschwindigkeit hier nie gefährlich an. Das schnelle Segeln ist kein Kampf oder gar Stress. Der Trimaran ist frei von Nervosität, Böen lassen sich entspannt über den Traveller managen; er ist Gaspedal und Bremse zugleich. Und selbst wenn der Wind nur mit vier Knoten weht, kann das Schiff schon sechs oder sieben Knoten Fahrt durchs Wasser machen. „Nimmt der Wind von acht auf Knoten Knoten zu, steigt der Bootsspeed von neun auf elf Knoten”, sagt Jan Andersen
Hoch am Wind sind wir an diesem Tag auch bei vier Beaufort immer mit acht bis zehn Knoten unterwegs, vier Seemeilen im superengen Fahrwasser vor Terschelling durchkreuzen wir mal eben in einer halben Stunde, und da ist schon jede der 20 Wenden mit eingerechnet. Die „Black Marlin“ ist agil wie eine Jolle und steuert sich auch so, während alle Einrumpfboote, denen wir begegnen, schon den Motor laufen haben. Hier will man im Grunde genommen nicht entlang kreuzen müssen, doch auf diesem Trimaran macht das einfach Spaß; und glücklich.
Das liegt auch daran, dass man die Fock nicht nach jeder Wende wieder mühsam dichtkurbeln muss – die „Black Marlin“ fährt mit einer praktischen Selbstwendefock. Sie ist als Einhandboot konzipiert. Und so rauschen Vorsegel, Traveller und Baum einfach von Back- nach Steuerbord und wieder zurück, und niemand braucht sich schnell unter dem Großsegel wegzuducken. Jan Andersen legt einfach eine Regattawende nach der anderen hin, bis sich schließlich eine ideale Kreuz daraus formt, ganz ohne dass dafür Kommandos an Bord nötig wären. Er ist eben gelernter Einhandsegler, und ein sehr guter noch dazu.
Ein Testschlag von eindreiviertel Stunden bringt uns locker 13 Seemeilen weit, und das vollkommen entspannt. Nur auf den beiden Außenrümpfen will man als Steuermann der „Black Marlin“ eigentlich nicht sitzen, obwohl der Trimaran dort seine Ruderblätter hat – weder sitzt es sich dort wirklich bequem noch lässt sich auf dem ansonsten durchaus angenehmen Trampolin echter Halt finden. Aber wer allein unterwegs ist, muss eh mittschiffs bleiben, auf dem 2,54 Meter breiten Hauptrumpf, der vier Erwachsenen Platz bietet. Und dort liegt das Schiff auch gut auf den Rudern.
Die „Black Marlin“ wird als Marlin 33 auf der Elica-Werft in Kleinserie gebaut. Der Betrieb von Kaloyan Radulov liegt in Silistra/Bulgarien am Ufer der Donau und gehört zur Elica-Gruppe. Die Werft ist auf 20.000 Quadratmeter Fläche mit einer Sieben-Achs-Fräse, CNC-Maschinen, Kompressionstischen und Öfen hochmodern ausgestattet und hat eine Möbelabteilung aufgebaut, die auf leichte Teile spezialisiert ist. Elica baut Teile wie Kerne und Formen, komplette Boote aus Sandwich mit Glas- oder Carbonlagen sowie allen gängigen Harzsystemen und auch im Vakuum-Infusionsverfahren in Formen oder als Einzelbau. Die Werft stellt mit dem Omaya 50+ eine eigene Serie von Motorboot-Katamaranen her.
Navigiert wird mit dem Tablet, elektrische Helferlein sucht man im Cockpit vergebens, mehr als einen Kompass braucht es hier nicht: „Keep it simple“, das ist Jan Andersens Philosophie, was am Ende ja auch meist bedeutet, dass ein Boot leicht bleibt. Zugleich ist es dank seiner Solarzellen völlig energieautark.
Auch weil an Energieverbrauchern gespart wurde. An ein Bugstrahlruder ist nicht mal zu denken, selbst ein Echolot gibt es nicht, aber wozu auch: Das Boot hat nur 40 Zentimeter Tiefgang mit aufgeholtem Schwert, und dessen Niederholer ist ebenso wie jener der Ruderblätter mit Sicherheitsklemmen ausgestattet, die die Leine freigeben, sobald das Schiff den Grund berührt. Und dank eines Kevlar-verstärkten Bodens kann der Trimaran einfach trockenfallen.
Im vergangenen Jahr siegte Tornado-Olympiasegler Roland Gäbler (Bronze 2000 in Sydney) zusammen mit Jan Andersen beim 158 Seemeilen langen Vegvisir Race. „Die Bedingungen waren mit Winden bis 30 Knoten aus West fordernd“, erinnert er sich. „Unser Top-Speed war 25 Knoten!“ Gerefft haben die beiden nicht.
Kurz und gut: Eigentlich ist dieser Einzelbau eine zu perfekte Symbiose zweier Welten, um eben genau das zu bleiben: ein Einzelstück. Andererseits ist Jan Andersen aber auch nicht daran interessiert, eine Serienfertigung auf die Beine zu stellen oder eben selbst jahrelang immer dasselbe Boot zu bauen. Die Elica-Werft in Bulgarien baut im Vakuum-Infusionsverfahren gerade den ersten Marlin 33. Der Käufer, sonst Eigner eines 1949 bei Abeking & Rasmussen in Holz gebauten L-Bootes, ist dann auch gleich mit in die neue Firma eingestiegen.
Zwar tummeln sich auf dem Trimaran-Markt auch Dragonfly oder Corsair, aber die sieht Jan Andersen nicht als Konkurrenz. Denn der vergleichbar große Dragonfly ist mehr als doppelt so schwer, auch wenn das durch ein Großsegel, das in der „Evolution“-Ausführung zwölf Quadratmeter mehr Fläche hat, teils kompensiert wird. Andere Trimarane wiederum, etwa der SeaCart 30, sind nicht wohnlich, sondern reine Regattaschiffe. Irgendwo dazwischen soll sich die neue Marke ansiedeln – wenn der Nachbau denn zumindest fast so gut funktioniert wie das Original.
Mehr Infos zur Werft von Jan Andersen und visionboats.com>>