Die meisten Katamarane werden für die breite Masse gebaut. Egal ob Lagoon, Fountaine Pajot, Excess oder auch Nautitech – im Programm der Werften gibt es immer ein ähnliches Angebot: eine Charterversion mit vier Kabinen und eine Eignerversion mit einer großen Eignersuite in einem Rumpf sowie zwei Gästekabinen im anderen. Die beiden Varianten unterscheiden sich lediglich durch die Innenaufteilung, die Rümpfe sind identisch. Die Ausrichtung lässt sich dann häufig mit den Ausstattungspaketen anpassen. Für die weltweite Fahrt eignen sich konstruktionsbedingt alle Schiffe. Doch es gibt sicher Kats, mit denen solch eine Blauwasserreise ein bisschen besser geht als mit anderen.
Ein solches Schiff ist der Balance 482 aus Südafrika: ein Performance-Fahrtenkatamaran, der auf dem Markt konkurrenzlos seine Nische füllt. Die Balance-Serie ist konsequent auf Blauwasserfahrt und Eignerbetrieb ausgerichtet. Schiffe, mit denen man komfortabel und schnell bei jedem Wetter überall hinfahren kann. Die zwar den Komfort der Oberklasse bieten, aber zugleich auch eine Unempfindlichkeit wie ein Arbeitsgerät. Wollte man den Balance in eine Kategorie einordnen, wäre er ein Sport Utility Vehicle – ein segelndes SUV.
Balance Catamarans in Südafrika wurde 2013 von Phillip Berman gegründet, der bereits 1979 als Hobie-Cat-14-Weltmeister eine innige Verbindung zu Mehrrumpfbooten besaß und sich in vielen Jahrzehnten als Yachtbroker immer wieder die Frage stellte: „Warum gibt es keine High-Performance-Katamarane, die angenehmen Wohnkomfort bieten?“ Also nahm er es kurzerhand selbst in die Hand, diese Marktlücke zu füllen. Die Palette der Balance-Reihe reicht heute von 44 bis 75 Fuß.
Jedes Boot wird von Hand im Vakuumverfahren gefertigt. Als Material nutzt die Werft E-Glas und einen geschlossenporigen Schaumkern, in den stärker beanspruchten Bereichen zusätzlich Carbon.
Schon beim ersten Schritt an Deck bekommt man den Eindruck, auf einem Schiff zu sein, das nicht nur als komfortabler schwimmender Wohnsitz auf dem Wasser gedacht ist – das sicher auch –, sondern als Gebrauchsgegenstand. Statt mit Teak oder einer synthetischen Variante ist das Cockpit mit Seadek belegt, das bei Nässe außergewöhnlich guten Halt bietet, aber eine eher schaumartige und stoßdämpfende Konsistenz besitzt. Eher zweckmäßig als edel.
Während viele andere Katamarane heute entweder mit einer Flybridge oder zwei Steuerständen am äußeren Ende des Cockpits gebaut werden, setzt Balance auf das Konzept der 2000er Jahre: Der Steuerstand auf dem 482 ist leicht erhöht am vorderen Cockpitschott positioniert. Von dort kann bei Hafenmanövern jeder Bug und jedes Heck eingesehen werden. Das 90 Zentimeter große Rad liegt gut in der Hand, die Steuerung ist dank Seilzugverbindung sehr direkt. Als besonderen Clou fertigt Balance das Steuerrad klappbar. Der „Versahelm“ besitzt drei Stellungen: zum einen die Steuerstellung ganz außen, zum anderen eine mittlere „Reffstellung“, bei der das Rad nach Backbord geklappt wird, damit sich bequem an den Winschen arbeiten lässt, das Rad aber immer noch greifbar ist. Bei schlechtem Wetter kann es als dritte Stellung nach unten geklappt werden, in den Eingangsbereich des Salons, von wo aus die großen Salonfenster aus stabilem Verbundglas einen Nahezu-Rundumblick ermöglichen.
In der Praxis fällt die schwenkbare Steuersäule zwar etwas klapprig aus, ist aber praktikabel. Das Dach darüber kann bei schlechtem Wetter geschlossen werden. So ist es dem Steuermann selbst bei Gischt und Regen möglich, das Boot im Pyjama am Ruder stehend durch das Unwetter zu steuern. Die große Schiebetür ist komplett aus Carbon gefertigt. Auf den Einsatz von Edelstahl wurde überall dort verzichtet, wo dieser der See und dem Sonnenlicht ausgesetzt wäre.
Das Cockpit ist in drei Bereiche unterteilt: An Backbord befindet sich eine L-förmige Sitzecke, an Steuerbord der zweite Steuerstand für raues Wetter oder lange Etappen mit einer 1,55 Meter langen Sitzbank, dazu gibt es zwei weitere Sofas beziehungsweise Liegeflächen im Heck.
Der Salon ist sehr praktisch gestaltet, mit einer Pantry an Backbord und einer Kücheninsel, die nicht nur über eine Menge Stauraum verfügt, sondern auch über eine 1,60 Meter lange und 0,40 Meter breite Arbeitsfläche, wodurch das Kochen zum Gruppenevent wird. An Steuerbord befindet sich ein U-förmiges Sofa, das auf der linken Seite als Chaiselongue ausgeformt ist und eine gute Liegefläche auf Nacht- oder Freiwachen bietet. Links daneben ist ein breiter Kartentisch mit Sicht nach vorn und viel Platz für Instrumente eingebaut.
Am Schott zum Cockpit steht eine Batterie von vier ausziehbaren Kühl- und Gefrierschränken, ideal für große Verproviantierungen. Einzig die Belüftung durch große Fenster oder Decksluken ist im Salon ein wenig spärlich bemessen. Alle Einbauteile sind aus leichten Schaumpaneelen gefertigt, mit Fronten aus echtem Holz. Auf diese Art ist es gelungen, das Boot mit 13,3 Tonnen verhältnismäßig leicht zu halten.
An Steuerbord ist der Eignerrumpf untergebracht, an Backbord der Gästerumpf mit zwei Kabinen. Da der Balance speziell zum Wohnen an Bord gebaut ist, unterscheidet er sich enorm von normalen Serienbooten. Das Badezimmer im Eignerrumpf befindet sich beispielsweise im Heck, mit einer Dusche in der Größe eines Tiny House, die weltweit ihresgleichen sucht. Der Fußraum ist 1,06 mal 1,10 Meter groß und von einer L-förmigen Sitzbank (1,47 mal 1,49 Meter) eingefasst, auf der problemlos vier Leute sitzen könnten. „Der Eigner wollte das so“, sagt Joe Landman, Skipper des Schiffes. Durch Entfernen der Rückwand eines Regals ist hier aus dem Badezimmer die Seilzug-Steuermechanik erreichbar, die überaus sauber installiert und gut dimensioniert ist. „Solche Maintenance-Luken gibt es an vielen Stellen“, so Landman, „bei der Entwicklung war es uns wichtig, dass alle Elemente gut erreichbar und reparierbar sind.“
Der Weg nach vorn in die Eignerkabine führt durch einen schmalen und beidseitig von tiefen Schränken eingefassten Gang. Während die meisten Schränke als großzügiger Stauraum gedacht sind, enthält der erste unten den Watermaker (Schenker) und oben einen Sicherungskasten, wie man ihn in einem großen Mietshaus erwarten würde. „Weil dieses Boot hier um die Welt segeln soll, ist an Bord sowohl ein 230-Volt- als auch ein 110-Volt-Netz installiert“, erklärt Landman. Dazu ist das Bordnetz in 48 Volt (Lithium) ausgeführt. Mit dem Vorteil, dass mit je einer Integrel-Lichtmaschine an den Antriebsmotoren auf den Einbau eines Generators verzichtet werden konnte.
Vorn im Bug befindet sich die Eignerkabine, unterhalb des Masts und im Drehpunkt des Schiffes. In der großen angeschlossenen Bugspitze würden andere Werften ein Doppelstock-Bett unterbringen. Bei Balance bleibt dieser Raum leer. Abstellräume kann man schließlich immer gebrauchen. Am Kopfende des Bettes ist ein Fenster zum Leinenkasten an Deck eingebaut. Bleibt der Deckel vor Anker geöffnet, strömt Wind in die Kabine, ohne dass es hineinregnen kann. An vielen solcher Details wird deutlich, wie bemerkenswert gut durchdacht das Boot konstruiert ist. Das große Deckshaus ist zum Beispiel so geformt, dass sich Regenwasser sammelt und über eine Öffnung mit Gardena-Anschluss aufgefangen werden kann.
Das Testschiff ist mit zwei elektrisch aufholbaren Carbon-Schwertern versehen, die den Tiefgang auf Knopfdruck von 2,20 auf 1,16 Meter verringern. Die Rümpfe sind mit 2,3 Meter Breite überaus schmal und lassen das Schiff in Verbindung mit dem sehr hohen Freibord von 2,00 Metern (Bug) überaus sportlich aussehen. Doch wird das Boot unter Segeln ihrem Look gerecht?
Die Hafen- und Segelmanöver gelingen dank übersichtlichem Steuerstand auch spielend mit kleiner Crew oder sogar einhand. Einzig die Motorisierung des Balance ist mit zweimal 45 PS etwas schwach gewählt. Das Großsegel gleitet dank Elektrowinsch schnell am Mast empor und erzeugt zusammen mit der Selbstwendefock eine Segelfläche von rund 133 Quadratmetern. Der Baum ist sehr niedrig angeschlagen, für einen niedrigeren Segeldruckpunkt und besseres Handling beim Packen des Segels.
Bei den leichten Winden, die beim Test vor Port Ginesta in Spanien wehen, erreicht der Balance einen Winkel zum Wind von 50 Grad und läuft zwischen sieben und neun Knoten, das sind passable Werte. Die alte Dünung macht das Kreuzen schwierig. In der Welle fällt auf, dass der Kat ein wenig stampft, was an dem flachen Unterwasserschiff liegen mag, das Gleitfahrt von den Wellen hinab bekömmlicher findet, als gegenan zu segeln. Nach einigen Kreuzschlägen setzen wir den Code-Zero-ähnlichen Screecher und erreichen damit Geschwindigkeiten bis zu zehn Knoten. Der Balance braucht ein wenig Wind, um in seinem Element zu sein. Ein typisches Kap-Schiff aus Südafrika eben.
Im Vakuumverfahren gefertigt aus GFK (E-Glas) mit geschlossenporigem Schaumkern, in stärker beanspruchten Bereichen wird zusätzlich Carbonfaser verwendet. Innen Polyester, im Außenbereich Vinylester. Eine Kielversion ist ebenfalls zu haben
Die Segel sind dabei, ein Squaretopp- Groß und Vorsegel aus Laminat kosten aber 21.290 Euro extra
Zwei 45-PS-Yanmar mit Saildrive, ein Upgrade ist nicht vorgesehen. Gegen Aufpreis mit Integrel-Generatoren und Lithium-Bank
Das Basis-Paket umfasst alle Instrumente (Raymarine), 9-Zoll-Plotter, UKW und Autopilot. Weitere Instrumente als Extras ab Werft wählbar
Drei Kabinen und reichlich Stauraum. Während der Eigner ein herrschaftliches Badezimmer besitzt, müssen sich die Gäste eine kleine Nasszelle teilen
Preise Stand 08/2023, wie die ausgewiesenen Preise definiert sind, finden Sie hier!
Balance-Catamarans
Der Balance 482 ist ein Schiff für die weltweite Fahrt. Stabil und leicht gebaut, großzügig ausgestattet. Ideal für Ozeanüberquerungen. Allerdings ist es in langfahrttauglicher Ausführung mit 1,5 Millionen Euro nicht billig