Gerris, so nennen die Franzosen die kleinen Insekten, die sich auf der Wasseroberfläche bewegen können und bei uns deshalb auch Wasserläufer genannt werden. Davon inspiriert, haben die Brüder Raphaël und Erwan Censier auf der Halbinsel Quiberon an der französischen Westküste ihr Projekt unter dem leicht abgeänderten Namen Gerys 4.7 umgesetzt. Die Idee der beiden Tüftler: ein kleines und einfaches Boot bauen, mit dem alle Segler schnell und gut klarkommen, unabhängig von Alter oder Können. Und: Es soll ein Schiff sein, mit dem jedermann die Sensation des Foilens erleben kann, also des schnellen Segelns auf Tragflächen über der Wasseroberfläche.
Raphaël Censier hat als Schiffbauingenieur die Konstruktion ausgetüftelt, sein Bruder Erwan ist als gelernter Bootsbauer für die Umsetzung zuständig. So ist der Prototyp der Gerys 4.7 zunächst noch in der Garage am Wohnsitz der Eltern entstanden. Mittlerweile ist das Unternehmen mit einer eigenen Produktion schnell gewachsen. Fünf Boote haben die Brüder Censier in nur einem Jahr angefertigt, fünf weitere sind bestellt und jetzt im Bau. Ein schöner Erfolg für das gleichermaßen ehrgeizige wie auch couragierte Projekt.
Die Gerys 4.7 ist aber nicht nur ein Foiler, sondern vielmehr eine Art Hybrid. Das Boot segelt auch ohne die Tragflächen und allein mit Steckschwert und Ruder ganz passabel, zum Beispiel bei sehr wenig Wind oder mit ungeübten Personen an Bord, die eher segeln lernen statt schon fliegen wollen. Dafür können die Tragflügel in J-Form entweder ganz aufgeholt oder aber auch vollständig entfernt und an Land zurückgelassen werden. Das geht schnell und leicht von der Hand. In diesem Fall werden die Führungen der Foils im Rumpf mit passenden Stopfen schlossen. Somit richtet sich die Gerys 4.7 auch an Segelschulen, die das Boot zur Ausbildung sowohl als Verdränger als auch später für Fortgeschrittene als Foiler anbieten können. Beide Modi sind möglich, und das kompromisslos.
Die Gerys 4.7 bietet unbedarften Seglern die Gelegenheit, das schnelle Segeln auf Tragflächen rasch zu lernen. Wegen seiner eigenartigen Formgebung des Rumpfs mit einem ausgeprägt konkaven Unterwasserschiff schwimmt das Boot ungewöhnlich steif – fast wie ein Katamaran. So kann sich die Mannschaft darauf konzentrieren, das Schiff schnell zu machen und damit auch bald abzuheben. Hierfür reichen zehn Knoten Wind und etwa 6,5 Knoten Bootsspeed. Wertvolle Anschubhilfe leistet dazu der rollbare Code Zero, der für die nötige Grundgeschwindigkeit sorgt, damit der Take-off klappt. So gesehen, gehört das Zusatzsegel eigentlich zum generellen Riggkonzept, ist aber nur optional erhältlich und muss gegen Aufpreis bestellt werden. Einzig bei frischem Wind ab 15 Knoten reicht zum Foilen auch die Standard-Selbstwendefock. Einmal auf den Stelzen, wird die Fahrt mit der Gerys 4.7 rasant, und der GPS-Tracker hält dauerhaft zweistellige Speedwerte fest. Rekord beim YACHT-Test im Einhandmodus mit Code Zero: 14,2 Knoten mit halbem Wind. Etwas Erfahrung im Umgang mit Gleitjollen hilft natürlich, das Boot stabil im Flug zu halten. Wer aufmerksam steuert und aktiv mit den Schoten arbeitet, kann über lange Strecken durchgehend foilen, selbst auf tieferen Raumwindkursen.
Nach ein paar Versuchen gestaltet sich auch das Halsen einfach, ohne dabei von den Foils zu fallen. Allerdings ist dazu eine Mannschaft von zwei Personen nötig, wenn Raffinierte Details – funktional und gut gelöst das Schiff mit Code Zero gesegelt wird. Mit Selbstwendefock bei mehr Wind sollte der fliegende Kurswechsel auch einhand problemlos klappen. Beim Aufkreuzen nur mit Fock ist es schwieriger, das 140 Kilogramm schwere Boot auf die Flügel zu bringen und oben zu halten. Das braucht Übung und deutlich mehr Wind als im Test.
Eingewassert wird die Gerys 4.7 wie jede andere Jolle über die Rampe oder am Strand. Dafür haben die Brüder eine raffinierte Idee verfolgt. Anstelle eines Wasserungswagens werden die Räder seitlich in passende Führungen im Rumpf eingesteckt. Wenn das Schiff schwimmt, werden sie natürlich wieder abgenommen und können in speziellen Fächern im Cockpit verstaut werden. Der große Vorteil: Das Auswassern bleibt überall möglich, zum Beispiel wenn die Ausfahrt nicht dort enden sollte, wo sie begonnen hat.
Gebaut wird die Gerys 4.7 als GFK-Konstruktion mit Schaumkern im Vakuum-Infusionsverfahren mit Epoxid-Harz. Wer zum Grundpreis von 27.370 Euro brutto noch rund 10.000 Euro obendrauf legt, bekommt Rumpf und Deck aus Kohlefaser gebaut. Die damit verbundene Gewichtsersparnis beträgt rund 20 Kilogramm, was für ein kleines und foilendes Boot wesentlich ist. Dementsprechend bestehen von den bisher fünf gebauten Exemplaren drei aus Carbon.
Auch die hoch belasteten Foils sowie das Ruderblatt mit den Elevatoren sind aus Kohlefaser gefertigt. Und anstelle des sehr einfach ausgeführten und eher schwachen Riggs aus Aluminium ist als Option ein Carbon-Mast erhältlich. Der ist steifer und soll deshalb vor allem beim Foilen mit mehr Speed und damit höheren Lasten eine deutlich bessere Performance bieten.
Der aktuelle Markt zeigt im Wesentlichen zwei vergleichbare Konkurrenzboote zur Gerys 4.7. Beide Foiler kommen ebenfalls aus Frankreich. Der Birdyfish hat ein identisches Format und ist auch in etwa gleich schwer. Das Modell kostet in der einfachen Basisversion rund 23.000 Euro brutto und ist damit etwas günstiger als die Gerys 4.7. Der in Teilen aus Kohlefaser gebaute Foiler Peacoq ist mit 4,20 Meter Rumpflänge zwar etwas kürzer, dafür aber hochwertiger und umfangreicher ausgestattet und somit auch etwas teurer. Sein Preis: 33.300 Euro brutto, segelfertig.
Mit Booten wie der Gerys 4.7 kann das Thema Foiling nun auch die breite Basis erreichen. Und es beweist eindrücklich: Das Segeln auf Tragflächen ist längst keine Zauberei mehr.
GFK-Sandwich (opt. Kohlefaser) mit Epoxid und Schaumkern, laminiert mit Vakuum-Infusion. Die Foils sind aus Carbon-Expoxid gefertigt
Die Gerys 4.7 macht das Foilen alltagstauglich und für alle Segler zugänglich. Das Boot aus Frankreich funktioniert sowohl mit wie auch ohne Tragflächen. Der Preis inklusive der Foils ist gemäßigt