Sun Odyssey 380Der Allrounder aus Frankreich im Test

Michael Good

 · 23.07.2023

Die Französin kann mit Wind und Wellen gut umgehen. Der sportliche Segelplan sorgt dazu für ein flottes Vorankommen
Foto: YACHT/A. Lindlahr
Jeanneau hat mit der Sun Odyssey 380 zur Saison 2022 ein neues Boot für die beliebte Klasse der Tourer um elf Meter Rumpflänge herausgebracht. Auch sie zeigt das äußerst innovative Walkaround-Cockpit

Der besonders geradlinige Programmausbau ist und war schon immer das Steckenpferd von Jeanneau Yachts. Kaum eine andere Werft entwickelt und überarbeitet ihre Produktserien derart konsequent und nachhaltig wie die französischen Yachtbauer in der Vendée. Das gilt speziell für die Tourenreihe Sun Odyssey. Zuletzt haben die Franzosen mit der viel beachteten Sun Odyssey 440 den Auftakt in einen komplett neuen und konzeptionell homogenen Produktzyklus vollzogen. Dies verbunden mit einer sehr interessanten Novität: dem sogenannten Walkaround-Cockpit, bis dahin eine echte Neuerung bei Fahrtenyachten dieser Ausrichtung.

Die Idee des gleichermaßen eigenwilligen wie auch erfindungsreichen Arrangements: Die seitlichen Gangborde fallen ab der Schiffsmitte stufenlos wie Rampen bis auf das Niveau vom Plichtboden ab. So ergibt sich eine Art Kanal zwischen dem Cockpitsüll und dem seitlich überstehenden Rumpf, eine Art stufenloser Durchgang vom Cockpit auf das Seitendeck. Unter anderem für diese durchdachte und im Test sehr gut funktionierende Innovation wurde die Sun Odyssey 440 mit dem Titel als Europas Yacht des Jahres 2018 ausgezeichnet. Jeanneau hat dasselbe Merkmal in der Folge mit der größeren Sun Odyssey 490 und dem kleineren Zwölf-Meter-Boot Sun Odyssey 410 erfolgreich umgesetzt.

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Die Sun Odyssey 380 hat das Walkaround-Cockpit

Die Sun Odyssey 380, wie alle kleineren Schiffe von Jeanneau eine Konstruktion von Marc Lombard, kommt als Ersatz für die Sun Odyssey 389 (vormals 379), ein Schiff, welches mit Überarbeitungen bereits seit 2011 auf dem Markt gewesen ist, mit starken Absätzen als Eignerboot sowie auch für den Einsatz in der Yachtcharter. Neben dem Walkaround-Cockpit als wohl wesentlichste Modifikation hat Sun Odyssey 380 im Vergleich zur erfolgreichen Vorgängerin auch sonst einige spannende Neuheiten zu bieten.

So ist Jeanneaus Sun Odyssey 380 in einer Ausführung mit dem offenbar immer öfter nachgefragten Schwenkkiel zu bekommen. Die hydraulisch aufholbare Flosse ist bis dahin von der Werft nur für das kleinste Modell Sun Odyssey 349 angeboten worden. Zusammen mit den standardmäßig doppelten Ruderblättern sind die beiden kleinen Boote in Jeanneaus Tourenprogramm somit trockenfalltauglich, allerdings nur unter Einsatz von recht aufwändig zu montierenden Wattstützen. Die Basis bleibt aber der Festkiel aus Gusseisen in L-Form mit Ballastbombe, den es mit zwei Tiefgängen gibt.

Kein Achterstag an der Sun Odyssey 380

Neu ist auch das Riggkonzept. Der vergleichsweise hohe Mast mit zwei extrem stark gepfeilten Salingspreizen wird mit auffällig viel Mastfall gestellt. Rund 4 Grad beträgt die Neigung nach achtern, was schon recht viel und tatsächlich augenfällig ist. Damit wollen die Produktentwickler erreichen, dass das Vorstag mit einem kleineren Winkel am Mast angreift und dadurch vom Stag mit erhöhter Wantenspannung und Großschotzug besser kontrolliert werden kann.

Im Gegenzug kann dafür auf das Achterstag komplett verzichtet werden, ohne den Segeltrimm vernachlässigen zu müssen. Das freut insbesondere den Rudergänger, der dank der fehlenden Drahtzüge am Heck der Sun Odyssey 380 in seinem Arbeitsbereich mehr Bewegungsfreiheit hat, sowohl im Stehen als auch im Sitzen. Auf der größeren Schwester Sun Odyssey 410 behindert dagegen das doppelt geführte Achterstag den Steuermann, vor allem in sitzender Position.

Der Großbaum ist vorn am Mast sehr tief angeschlagen. Das mag aus der Distanz eigenartig und vielleicht sogar unsportlich aussehen, hat aber den wesentlichen Vorteil, dass das Großsegel auf guter Höhe erreichbar ist und leicht in die Lazybags aufgetucht werden kann. Das schlanke, hohe Großsegel mit rechteckiger Ausstellung im Topp sowie die kurz überlappende Genua mit 3D-Holepunkten definieren den sportlichen Ausstattungsstandard. Fahrtensegler können ihr Schiff optional mit Rollmast und/oder Selbstwendefock bestellen.

Die Sun Odyssey 380 ist sportlich zu segeln

Der Test unter Segeln fand bei variablen Bedingungen vor Barcelona in Spanien statt, wo sich die Sun Odyssey 380 der internationalen Jury zur Wahl von Europas Yacht des Jahres 2022 stellen musste. Bei anfangs ruhigen Verhältnissen mit nur 8 Knoten Wind kam die im Vergleich zur Konkurrenz recht leicht gebaute Sun Odyssey 380 schnell und gut in Fahrt, erreichte 5,6 Knoten hart am Wind und wendete über einen Winkel von 90 Grad. Später bei mehr Wind um 16 Knoten und einem recht hohen Wellengang entwickelte die Französin noch mehr Dynamik, lief mit 40 Grad zum Wind eine erfreuliche Höhe und erreichte 6,7 Knoten Fahrt über Grund.

Auch segelte sich die Sun Odyssey 380 auf allen Kursen spürbar steif und aufrecht. Für die hohe Formstabilität sorgt in erster Linie der breite Rumpf mit seiner recht markanten Aufkimmung und dem flachen Spant im Unterwasserschiff. Allerdings ist zu erwähnen, dass die Testyacht, die Baunummer 1, mit dem optionalen Schwenkkiel ausgestattet war. Der variable Anhang hat komplett abgefiert einen stattlichen Tiefgang von 2,70 Metern, aber dafür einen etwas geringeren Ballastanteil. Gemäß den Polardaten (VPP) bringt die Schwenkkielversion bei 4 bis 5 Beaufort einen Leistungsvorteil am Wind von zirka 0,4 Knoten im Vergleich zum Boot mit Standardtiefkiel.

Die Steuerung ist einfach ausgeführt. Ein durchgehender Ketten- und Seilzug ist direkt mit der Schubstange verbunden, welche die Quadranten unter Deck koppelt. Diese Mechanik entspricht bei allen kleineren Schiffen von Jeanneau und Beneteau unter 40 Fuß Rumpflänge dem bewährten Standard. Das System ist zwar nicht redundant, dafür aber durch große Wartungsluken in den Achterkabinen bestens zugänglich. Und der Autopilot ist direkt mit einem Ruderquadranten verbunden und gewährt bei einem Defekt der Anlage die Steuerbarkeit. Der Vorteil der simpel umgesetzten Mechanik auf der Sun Odyssey 380 ist ein sehr leichtgängiges Lenkverhalten. Speziell bei viel Wind und Wellen kann die Französin spielend und mit viel Gefühl für den Druck an den Rudern dirigiert werden; das Steuern ist eine Freude.

Die Jeanneau ist einhandtauglich

Die Schoten für Großsegel und Genua führen beidseitig über den Süllrand auf die Winschen vor den Ruderständen. Diese kann der Steuermann aus seiner Position gut erreichen, aber auch die Mannschaft aus dem Cockpit. Vorbildlich, mit Kraft und auf ergonomisch sinnvoller Höhe, kann man an den Winschen seitlich stehend im vertieften Kanal des Walkaround-Cockpits arbeiten. Die Fallen und Trimmleinen werden vorn seitlich am Niedergang bedient.

Zwei Backskisten sorgen auf der Sun Odyssey 380 für Ordnung im Cockpit. Größere Dinge wie Fender oder zusätzliche Segel können dazu hinten in der Achterpiek lagern. Und für die Rettungsinsel ist im Heck ein geschlossener Stauraum vorgesehen, welcher aber nur bei geöffneter Heckplattform erreichbar ist. Diese ist im Übrigen nur als Option und gegen Aufpreis erhältlich, was zu hinterfragen ist. Denn die Badeklappe gehört als sicherer Heckabschluss eigentlich zwingend zum Boot, gerade weil die Steuersäulen sehr weit achtern angebaut sind und darüber hinaus das Walkaround-Konzept den Rundgang aus dem Cockpit um die Ruderstände herum sogar noch vorgibt.

Unter Deck variabel

Mit Blick auf das Layout vom Innenausbau sticht ein Detail auf der Sun Odyssey 380besonders ins Auge: die im Vorschiff seitlich schräg eingebaute Doppelkoje. Durch diese seltene Anordnung schafft Jeanneau auf der Gegenseite mehr Platz für einen zusätzlichen Toilettenraum, der den Plänen nach zu urteilen deutlich größer ist als auf den Booten der Konkurrenz und zudem über eine Duschmöglichkeit verfügt. Eine zusätzliche Nasszelle im Vorschiff als Option gehört in der Klasse der 38-Fußer mittlerweile zum Standard-Angebot. Der Nachteil der schräg eingebauten Koje sind die im Vergleich bescheidenen Kojenabmessungen. Die Liegefläche ist auf der Höhe der Schultern nur gerade 1,37 Meter breit, was deutlich unter dem Klassendurchschnitt liegt. Dafür wiederum ist das Bett auch über die Seite zugänglich, aber nur, wenn vorn kein Bad eingebaut ist.

In der Standardversion kommt die Sun Odyssey 380 als Zweikabiner mit einer großen Backskiste auf der Steuerbordseite, die sowohl von außen wie auch von innen erreichbar ist. In dem Fall wird auch das Bad achtern mit einem komplett abgetrennten und separat zugänglichen Duschraum ergänzt. Zudem wird das Längsschott achtern versetzt platziert, sodass in der Achterkabine auf der Backbordseite mehr Platz zur Verfügung steht; das Doppelbett ist dann durchgängig 1,80 Meter breit. Diesen Komfort können die Schiffe der Konkurrenz nicht bieten. Wird die Jeanneau achtern mit zwei Doppelkabinen ausgebaut, wird das Längsschott mittig zwischen den Kammern montiert. Die Abmessungen der Kojen bleiben dann mit einer Breite von durchweg 1,60 Metern immer noch opulent.

Das Stauraumangebot ist in den Kabinen mit jeweils einem großen Schrank und zusätzlichen Ablagen zwar nicht gerade üppig, aber durchaus dem Klassenstandard entsprechend. Hingegen sucht man im Salon vergeblich nach gut organisierten Unterbringungsmöglichkeiten. Seitlich hängende Schränke gibt es auch als Option nicht, weil man nicht die schön großen Rumpffenster und damit die Aussicht nach außen verbauen will – ein Kompromiss. Brauchbare Stauräume sind lediglich unterhalb der Sofas im Salon vorhanden. Diese sind allerdings nicht überall leicht zugänglich.

Die Sun Odyssey 380 ist nicht günstig, aber auch nicht teuer

Mit einem Basispreis von 225.500 Euro (Stand Q3/2023) sortiert Jeanneau seine Sun Odyssey 380 in die Angebote der Konkurrenz ein. Die vergleichbaren Schiffe von Bavaria und Beneteau sind etwas günstiger, die Modelle von Dufour und Hanse etwas teurer, und dies bei vergleichbaren Aufpreisen für Zusatzausrüstung.

Jeanneau hat mit der Sun Odyssey 380 ein attraktives, vielseitiges und wandelbares Boot gebaut und damit den erfolgreich eingeschlagenen Weg in der Entwicklung der Fahrtenreihe zielstrebig weiterverfolgt. So viel ist klar: Wer sich für die attraktive Klasse der 38-Fuß-Tourer interessiert, wird sich zwangsläufig auch mit der Newcomerin aus Frankreich befassen müssen.

Dieser Artikel erschien zuerst in YACHT 2/2022 und wurde für die Online-Version überarbeitet.


YACHT-Bewertung

Zielstrebige Weiterentwicklung von Jeanneaus innovativem Tourenkonzept mit Walkaround-Cockpit. Die Sun Odyssey 380 kann mit einer hohen Wandelbarkeit punkten und macht auch unter Segeln eine sehr gute Figur. Preislich fair kalkuliert

Konstruktion und Konzept

  • + Schlüssiger Linienausbau
  • + Individuelle Gestaltungsmöglichkeit
  • + Innovatives Walkaround-Konzept

Segelleistung und Trimm

  • + Segelt am Wind steif und trocken
  • + Feinfühlige Steuerung
  • + Einhandtaugliches Deckslayout

Wohnen und Ausbauqualität

  • + Offener, heller Raumeindruck
  • + Große quadratische Kojen achtern
  • - Fehlende Stauräume im Salon

Ausrüstung und Technik

  • + Achterstagloses Rigg
  • + Mit Schwenkkiel trockenfalltauglich
  • - Badeplattform nur als Option

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Technische Daten Sun Odyssey 380

  • Konstrukteur Marc Lombard
  • CE-Entwurfskategorie A
  • Rumpflänge 10,77 m
  • Gesamtlänge 11,75 m
  • Wasserlinienlänge 10,71 m
  • Breite 3,76 m
  • Tiefgang/alternativ 2,00/1,56 m
  • Tiefgang Schwenkkiel 1,29–2,70 m
  • Theor. Rumpfgeschwindigkeit 7,9 kn
  • Gewicht 6,9 t
  • Ballast/-anteil 1,8 t/26 %
  • Masthöhe über Wasserlinie 16,60 m
  • Großsegel (Std.) 35,1 m2
  • Rollgenua (110 %) 28,0 m2
  • Maschine (Yanmar) 21 kW/29 PS
  • Kraftstofftank 130 l
  • Frischwassertank 330 l
  • Fäkalientank (Std.) 80 l

Rumpf- und Decks­bauweise

Rumpf: GFK-Laminat in Handauflage. Deck: GFK-Sandwich mit Balsaholzkern, gebaut in Vakuum-Injektion (RTM)

Preis

Grundpreis ab Werft 225.500 € (Stand Q3/2023)

Werft

Chantiers Jeanneau, 85500 Les Herbiers (Frankreich); www.jeanneau.de

Vertrieb

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