Fridtjof Gunkel
· 06.01.2021
Im Stil der jungen C42 steht die neue Bavaria C38 für die Gegenwart und Zukunft der süddeutschen Werft. Das Cossutti-Design präsentiert sich eigenständig, komfortabel und preislich selbstbewusst
In diesem Artikel:
Die Aufgabe ist nicht trivial, aber immerhin klar umrissen: Bavaria will nach einem misslichen Kurzausflug der früheren Geschäftsleitung ins ungewohnte Luxus-Terrain zurück zu alten Kernwerten: „Gute Qualität und Funktion zu einem guten Preis“, wie es Produktmanager Pascal Kuhn formuliert. Als erstes Objekt führt die C42 den neu eingeschlagenen Kurs an. Das breite Boot mit dem voluminösen Bug überzeugt mehr noch durch eigenständige Linien, viel Platz, ein variables Deckslayout, agile Segeleigenschaften und einen sehr konkurrenzfähigen Preis. Den Weg gesucht und gefunden – nun müssen die übrigen neuen Boote folgen. Die Produktpalette wird zunächst nach unten erweitert, oben gibt es bereits die inzwischen nochmals überarbeiteten Typen der C-Linie C45, 50 und 57.
Die nächste Neue ist die C38, die optisch der größeren Schwester so sehr ähnelt, dass Produktmanager Pascal Kuhn sagt: „Wenn im Rendering die Menschen nicht zu sehen wären, ließe sich nicht erkennen, ob das eine C42 oder 38 ist.“ Kuhn weiter: „Mit der 42 sind wir sehr zufrieden, die kommt gut an, die Händler freuen sich. Nun war der nächste Job, die 38 so zu gestalten und zu bestücken, dass der Preis stimmt, sie aber nicht billiger wirkt und ist wie die C42.“
Immerhin rund 34 000 Euro weniger kostet die Neue, das ließ sich angesichts des kleineren Rumpfes erreichen durch etwas weniger Baumaterial und Arbeitsstunden und durch Weglassen von Teilen wie beispielsweise dem Schrank am Ankerschott, der auch aus Platzgründen ohnehin entfallen musste, oder die klappbare Badeplattform, so wie es auch einige andere Werften handhaben. Eine weitere Maßnahme ist Teilegleichheit; ein kleineres Rumpffenster beispielsweise sei nicht billiger, sondern sogar teurer, weil es extra eingekauft werden muss, so der Produktmanager. Die Pantry zum Beispiel ist dieselbe wie auf der 42, sie ist nur an der Rumpfseite etwas beschnitten. Türen, Schrankfronten und Luken, Griffe, Lampen, Beschläge sowieso: „Wir kommen auf 94 Prozent Gleichteile“, so Kuhn. Und der Rest der Ersparnis liege schlichtweg in einer kleineren Marge.
Damit ist ein Ziel erreicht: Preisattraktivität. 153 000 Euro kostet Bavarias C38 im Standard und bewegt sich damit in den Sphären der direkten Konkurrenz aus der Großserie wie Hanse 388, Oceanis 38.1 und die Sun Odyssey 389. Alles im Übrigen mehrfach überarbeitete Boote, die auf ältere Konstruktionen zurückgehen – was nichts Schlechtes sein muss. Neuer und auch teurer sowie etwas größer ist die ebenfalls erfolgreiche Dufour 390.
Die C38 ähnelt den Wettbewerbern in den Eckdaten, auch in der Breite. Insgesamt ist sie etwas schwerer, wobei Gewichtsangaben ohnehin recht unterschiedlich gehandhabt sprich berechnet werden. Die Werte aus Giebelstadt beziehen sich auf ein halbbeladenes Boot.
Was die Bavaria allein hat, ist der V-Bug, der weit nach oben auslädt und dem Boot neben mehr Volumen unter Deck auch mehr Stabilität verleihen soll. Der erhöhte Auftrieb vorn bewirkt bei Krängung, dass das Schiff nicht vertrimmt, also auf den Bug kippt und das Heck zu sehr hebt. Sprich, das Boot segelt steifer, kursstabiler und ist einfacher zu steuern.
Eine konstruktive Maßnahme von Designer Maurizio Cossutti, die eine Doppelruderanlage obsolet machen soll – was auch Aufwand und Kosten spart und nebenbei für bessere Ruderwirkung und Manövrierbarkeit aus dem Stand heraus steht.
Was die Neue dann auch gern unter Beweis stellen soll. Im herbstlichen Neustadt in Holstein ist das Boot eigens für die internen Tests der Werft zu Wasser gelassen. Bei denen gehen neben dem Entwicklungsteam auch Mitarbeiter der wichtigen Zulieferer wie Elvstrøm Sails, Seldén, Yanmar und Brookes & Gatehouse an Bord , um ihre Produkte im Einsatz zu begutachten und bei Bedarf nachzubessern oder zu justieren.
Und die YACHT ist ebenfalls dabei, bevor das Boot wieder nach Giebelstadt und vielleicht zur Weltpremiere auf die boot Düsseldorf transportiert wird.
Die Manövrierbarkeit aus dem Stand ist tatsächlich gut. Kräftig drückt der mit 40 PS optionale größere Yanmar die weiße Flunder in die gewünschte Richtung, auf Wunsch unterstützt durch das feste, ebenfalls optionale Bugstrahlruder im Tunnel.
Unter Segeln präsentiert sich das Schiff, wie es soll: steif und schnell. Hilfreich dabei: Der Prototyp ist mit hochwertiger Epex-Ware von Elvstrøm ausgestattet, Membransegel mit Aramidfasern und Taffetta-Schutz. Das Set gibt es nicht ab Werft, sondern nur über den Händler für 15 500 Euro – ein lohnendes Investment für die Leistung. Und das Auge segelt schließlich auch mit. Rund 6,5 Knoten lassen sich an der Kreuz bei erfreulicher Höhe abrufen, und dies einfach. Der Ruderdruck stimmt bei den vorherrschenden 15 Knoten. Mit mehr Druck kann das Boot gut umgehen, die Steifigkeit ist, unterstützt durch die harten, weit nach vorn durchgezogenen Chines sehr ausgeprägt. Trotz des eher niedrigen Ballastanteils von 24 Prozent; der hohen Formstabilität sei Dank.
Mit geschrickten Schoten steigt der Speed schnell an, die typische Unzulänglichkeit einer Selbstwendefock wird aber sofort deutlich. Sie ist ohne Frage komfortabel und funktioniert auch über 10 Knoten ordentlich, schwächelt jedoch auf raumeren Kursen. Dann müssen Padeyes und Außenschoten her, mit noch größeren Winkeln zum Wind Code Zero und dann Gennaker. Besonders als Anschlagpunkt für Letzteren findet sich ein GFK-Bugspriet auf der Optionenliste, der den Ankergalgen ummantelt und auch als Tritt dient.
Unter Gennaker lassen sich schnell über 9 Knoten erzielen, die 10 zeigt sich auch schon mal auf der Logge. Insgesamt: eine überzeugende Vorstellung, bei der das Steuern obendrein viel Spaß bereitet. Dazu tragen auch die ermüdungsarmen Sitzpositionen an den beiden Rädern bei. Die Füße stützen sich an mobilen Holzkeilen ab, und der Platz zwischen Rad und den Hahnepoten des kurbelbedienten Achterstags reicht gerade aus. Die Steueranlage arbeitet mit einem durchgehenden Seilzug, eine Redundanz gibt es somit nicht. Quadrant, Ruderlagegeber und Autopilot sind unter einer Klappe bestens erreichbar.
Die Bedienung der Schoten fällt auf dem Standardboot komplett der Crew zu: Die Großschot ist doppelt als travellerloses German-Cupper-Derivat ausgeführt und läuft auf die Fallenwinschen, die konventionell auf dem Kajütdach stehen. Sie greift in der Baummitte an, das Rohr ist daher recht robust ausgeführt. Auf dem Kajütdach landet auch die Schot der Selbstwendefock. Wer eine Genua nebst den dann erforderlichen Schienen an Deck ordert, braucht noch die optionalen Genuawinschen, die sich auch für den Betrieb von Gennaker oder Code Zero anbieten. Ausgesprochen komfortabel wird es mit einem dritten Paar Winschen achtern an Deck plus Stoppern und entsprechend umgelenkten Großschoten. Dann kann der Steuermann das Groß und die Selbstwendefock von seinem Arbeitsplatz aus bedienen, wodurch das Boot bestens kleincrewtauglich wird.
Was bei der Decksarbeit noch auffällt: 40er-Winschen sind nicht komfortabel für ein Boot dieser Größe, 45er dürfen es schon gern sein. Und die stehen denn auch wie so vieles andere auf der Optionenliste.
Die ist lang, was schön ist, um sein Boot schon werftseitig wunschgemäß konfigurieren zu können, aber sie zeigt auch, wie schnell Preise zu explodieren vermögen. Finanziell signifikante Posten auf dem Testschiff: Navi-Paket (11 000 Euro), Sail-Ready- Paket (10 500 Euro), Bugstrahler (6500 Euro), Teak auf Laufdeck (10 700 Euro), Klima-Anlage (21 000 Euro). Weitere Extras: Ausbau in Eiche gekalkt (s. Foto oben links) statt Mahagoni, das ohnehin in der Käufergunst nicht mehr oben steht: 4000 Euro, Badeplattform: 4400 Euro, Bugspriet: 3100 Euro.
Das nach England verkaufte Testschiff jedenfalls kostet 280 251 Euro, eine Steigerung zum Grundpreis um rund 80 Prozent. Wobei sicher nicht jeder Posten zwingend ist und sich einige Dinge bei Bedarf oder Wunsch auch später nachrüsten lassen.
Von Anfang an entscheiden muss der Kunde jedoch die Optionen für den Innenraum. Standard ist achtern eine Doppelkabine an Steuerbord, Backbord ist eine riesige Backskiste vorgesehen. Die wird gegen 2800 Euro in eine zweite Heckkabine getauscht. In jedem Fall sind die Kojen dank des breiten Hecks und trotz eines zwischen den Kammern liegenden Technikkanals stattlich bemessen.
Eine weitere Option ist selten auf 38 Fuß: Im Vorschiff lässt sich eine zweite Nasszelle installieren. Und der Salontisch kann auf Wunsch absenkbar gestaltet werden, wodurch dort ein Loungebereich mit 1,24 Meter tiefem Sofa entsteht. Der Tisch ist über die volle Breite auf stattliche 1,40 Meter ausklappbar.
Die Pantry aus der C42 ist das größte Modul im Innenraum. Sie erstreckt sich über gut zwei Meter Länge und ragt vorn 110 Zentimeter in den Salon. Staumöglichkeiten gibt es reichlich in Ober- und Unterschränken sowie Schubladen und Ablagen. Der Herd kommt mit drei Flammen an Bord, und der Kühlschrank hat mit 110 Liter Volumen zumindest Appartement-Standard. Es gibt zwar nur ein Waschbecken, aber das ist recht üppig. Ebenso ist der Fußraum groß bemessen – klasse. Etwas knapp wieder die Querbelüftung, lediglich ein kleines Aufbaufenster macht den Job.
Wie die Pantry ist auch die Nasszelle üppig dimensioniert. Toilette und Dusche sind separierbar vom Vorraum, in dem sich das Waschbecken befindet. Beide Räume bieten fast zwei Meter Stehhöhe. Es lässt sich ein großes WC einbauen, auch elektrifiziert.
Das stilistisch reduzierte, geradlinige und moderne Interieur ist im Großserienstandard ordentlich ausgebaut. Was gefällt, ist die Qualität der Installationen. Kabel, Rohre, Seeventile, Hauptplatine, Akkus, Pumpen – alles ist gut erreichbar und sauber installiert. Auch das Finish in Bereichen, die nicht sofort einsehbar sind, kann sich sehen lassen. Die Bodengruppe ist nicht als Gitter mit offenen Fächern ausgeführt, sondern ein geschlossenes Bauteil, das mit einem strukturellen Kleber (Spabond) eingesetzt wird. Die Fächer (siehe Foto Seite 70) sind untereinander mit eingeklebten Röhren verbunden. Dies soll verhindern, dass sich Wasser in der Bodengruppe sammeln kann, die sich von innen nicht mit Topcoat oder anderen Maßnahmen schützen lässt.
Stauraum findet sich an Bord reichlich, jede Kabine nimmt auf, was deren Bewohner vernünftigerweise mit an Bord bringen. Der Salon bietet ebenfalls genug Platz in Schapps und teils unter den Kojen. Auch die saubere Bilge lässt sich zum Lagern beispielsweise von Lebensmitteln nutzen. Die dritte Kammer verdrängt die große Achterkabine, dann muss man mit zwei kleinen Backskisten im Cockpit vorlieb nehmen und freut sich über die Tatsache, dass es achtern im Cockpitboden eine weitere Möglichkeit zum Stauen gibt.
Im Bug ist zwischen Ankerkasten und Kabine noch ein weiterer Stauraum vorgesehen, der Leinen und Fender aufnimmt, sich aber ebenso für einen Code Zero nutzen lässt, der dort ohne Sack untergebracht und direkt aus dem Raum gesetzt wird.
Insgesamt präsentiert sich die C38 wie ihre große Schwester: agil, eigenständig, ehrlich, modern und im Preis nachvollziehbar. Eigenschaften, die der Markt offenbar zu schätzen weiß: Von der 42 sind in wenigen Monaten bereits rund 60 Stück an den Kunden gebracht. Die C38 wird das toppen, schon jetzt sind etwa 30 verkauft, einige davon, bevor das Boot überhaupt zu sehen war – sicher auch ein Beweis in das wieder gestiegene Vertrauen in die Marke. CEO Michael Müller: „Es läuft super. Wir werden 2021 bis zu 500 Boote verkaufen können, die Lieferzeiten liegen jetzt schon bei September.“ Noch 2020 hätte diese Aussage durchaus überrascht.
Aufgabe gut umgesetzt: Die C38 schafft es, die Werte ihrer großen Schwester zu übernehmen. Seglerische Qualität geht mit einem ordentlichen Platzangebot und hohem Wohnkomfort einher. Im Standard ist das Boot recht günstig, braucht aber einige Extras
GFK-Sandwich mit Schaumkern, im Handauflegeverfahren. Unterhalb der Wasserlinie Volllaminat. Schotten anlaminiert
(Stand: Q1/2021)
* wie die ausgewiesenen Preise definiert sind, finden Sie hier!
Bavaria produziert die bisherige Cruiser-Linie weiter, neben der C42 gibt es parallel noch die Cruiser 41, der C38 steht die Cruiser 37 zur Seite. Die älteren Modelle sind insgesamt weniger komplex gebaut und ausgestattet und daher günstiger. Sie sind bewährt und besonders im Chartermarkt beliebt. Beachtlich: Die Cruiser 37 basiert auf dem Farr-Design von 2010, das 2013 modernisiert wurde und vor Kurzem ein Facelift erhielt. Das durchaus agile Fahrtenboot ist als Zwei- oder Dreikabiner zu haben. Die Cruiser 37 ist ein interessantes Gebrauchtboot, das zuweilen schon ab 90 000 Euro angeboten wird.