Test Italia 11.98Schicker Sporttourer mit Regattamaßen

Michael Good

 · 13.12.2023

Schön und schnell. Für hohe Sportlichkeit stehen die vielen Trimmmöglichkeiten an Deck
Foto: YACHT/A. Carloni
Die Werft aus Venedig hat ihre leistungsstarke Sport-Linie in der Vergangenheit weiter ausgebaut. Die  Italia 11.98 soll auf der Regattabahn gegen ihre erfolgreiche kleine Schwester 9.98 antreten. Die rassige Sportlerin war kurz nach ihrer Vorstellung im YACHT-im Test

An diesem Schiff wird man schon im Hafen nicht einfach so vorbeigehen können – dafür sind die Linien zu aufregend, die Formen des Rumpfs zu ausgefallen und das Layout an Deck zu spannend. Ignorieren unmöglich.

Mit der kleinen Schwester Italia 9.98 hat die Werft aus Venedig in der ORCi-Regattaszene einen fulminanten Start hingelegt und quasi aus dem Stand zwei Weltmeistertitel abgeräumt. Die schnelle Italienerin hat allerdings quasi hausinterne Konkurrenz in Form der zwei Meter längeren Italia 11.98. Auch sie passt mit einer maximalen Vermessung und einem provisorischen GPH von 593,5 gerade noch in die Klasse C , genauso wie ihre erfolgreiche und kleinere Schwester 9.98.


Die Konkurrenz


Dabei steht die Teilnahme an Regatten mit ORCi- oder IRC-Wertung gar nicht so ultimativ im Zentrum der Ausrichtung. Vielmehr soll sich die Italia 11.98 als zwar sehr leistungsstarker und siegfähiger, aber gleichzeitig fahrtentauglicher Sporttourer etablieren. Die Symbiose von aktivem Segelsport und Wohnkomfort unter Deck scheint gefragter zu sein als je zuvor. Italia Yachts sieht diese Entwicklung als Herausforderung und will mit dem damals neu geschaffenen Sport-Programm klare Abgrenzungen zu seiner konventionelleren, luxuriöseren Fahrtenyacht- Linie schaffen.

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Italia 11.98 überrascht mit kuriosen Konturen

Für die Entwicklung der Italia 11.98 haben es sich die Yachtbauer aus Venedig recht einfach gemacht und das erfolgreiche Konzept der 9.98 einfach um eine Längenklasse vergrößert. Mehr Arbeit hatte dabei Konstrukteur Matteo Polli, welcher den neuen Entwurf mit einer noch deutlich radikaleren For­­mensprache ausgearbeitet hat. Ungewöhnlich ist sein Strich insbesondere am Heck der 11.98 mit dem ausgeprägten, aber auch sehr flachen Rundspant. Trotz enormer Breite verjüngt sich die Wasserlinie deshalb hinten extrem, was in neutraler Schwimmlage im Hafen zu einem veritablen Rumpfüberhang führt.

Die vermessene Wasserlinie beim un­beladenen Schiff beträgt gerade mal 10,06 Meter, also fast zwei Meter weniger, als der Rumpf lang ist. Konstrukteur Matteo Polli möchte damit erreichen, dass bei leichtem Wind und geringer Krängung die benetzte Oberfläche so klein wie möglich bleibt und deshalb weniger Widerstand und Auftrieb produziert. Bei mehr Lage und mehr Speed sollen die flächigen Rumpfflanken dagegen auf dem Wasser aufliegen und so für stei­fere Segeleigenschaften am Wind und beim Reachen mit Gennaker für ein schnelleres Angleiten sorgen.

Genauso wie ihre kleine Schwester kann man die Italia 11.98 in zwei unterschied­lichen Basisausführungen bestellen. Die Regattaversion Fuoriserie kommt mit Pinnensteuerung, kurzen Cockpitduchten, Tuff- Luff-Vorstagprofil sowie mit einer Ausstattung für einen symmetrischen Spinnaker. Unter dem Namen Bellissima wird dasselbe Boot fürs sportliches Tourensegeln mit doppelten Steuerrädern, verlängerbaren Cockpitbänken, einem fest angebauten Bugspriet sowie mit einem Rollreff-Vorsegel ausgeliefert, wie beim Testboot der Fall. Natürlich lassen sich die Komponenten als Optionen für beide Versionen beliebig zusammenstellen. So ist es zum Beispiel möglich, das Regattaboot auch mit doppelten Steuerrädern anstelle der Pinne zu ordern oder einem Bugspriet für den Gennaker.

Auch mit Wasserballast

Spannende Varianz bietet die Werft zudem bezüglich der Ballastanteile. Im standardmäßigen T-Kiel aus Blei sind nämlich Hohlräume ausgespart, welche mit Schaum gefüllt und überspachtelt sind. Wer möchte, kann hier zusätzliches Bleigranulat einfüllen lassen und so das Kielgewicht erhöhen, etwa für längere Schläge offshore oder zum Tourensegeln mit kleiner Crew. Zudem arbeitet Matteo Polli an einem Flossenkiel ohne Ballastbombe für eine günstige Vermessung nach IRC. Dieser Anhang als Option war allerdings zum Zeitpunkt des YACHT-Tests noch nicht genau spezifiziert.

Und mehr noch: Italia Yachts will für die 11.98 nun auch ein Wasserballast-System anbieten. Dabei werden beidseitig zusätz­liche Tanks mit rund 400 Liter Volumen eingebaut, die wechselseitig befüllt werden. Ein ähnliches System hat die Hauptkonkurrenz von J/Boats erst unlängst mit der J/121 vorgestellt.

Wegen der aparten Rumpfformen im Heckbereich und der kurzen Wasserlinie hat Konstrukteur Polli das schlanke, aber tiefe Ruderblatt weit unter das Boot positionieren müssen, was das Steuern anspruchsvoll macht. Das leicht gebaute Schiff reagiert auf jeden Ausschlag an der sehr direkt eingestellten Steuerung. Kleine Unaufmerksamkeiten vom Rudergänger wirken sich unmittelbar auf die Leistungswerte aus, erst recht in einer relativ hohen und steilen Welle wie beim Test vor Venedig, außerhalb der La­gune. Es ist nicht zu erwarten, dass mit der Pinne das Steuern der Italia 11.98 ein­facher werden wird, eher dürfte das Gegenteil zutreffen. Erfahrene Steuerleute werden sich dar­über freuen, Einsteiger dagegen werden üben müssen.

Bei schwierigen und stark böigen Bedingungen mit rund 13 Knoten Wind im Mittel kann die rassige Italienerin eine eindrucksvolle Kostprobe ihres Könnens abliefern: 7,2 Knoten hart am Wind bei einem wahren Windwinkel von 40 Grad sind selbst für ein ausgewiesenes Performance-Boot beacht­liche Werte – und dies, obwohl das Testschiff für die ersten Tests mit ganz einfachen, cross- geschnittenen, dafür aber schwarz eingefärbten Segeln aus Dacron ausgerüstet wurde. Die wenig formstabile Amwind-Garderobe passt überhaupt nicht zum hochwertigen Kohlefaserrigg, mit dem die Baunummer 1 als Option ausgestattet ist. Stabile Laminatsegel würden die Leistungsdaten zweifellos noch in die Höhe treiben.

Bis auf die bereits erwähnten Komponenten kommen die beiden Versionen Fuoriserie und Bellissima mit einer identischen Grundausstattung. Italia Yachts baut seinen Sportlerinnen ausschließlich die besten und hochwertigsten Beschläge an. Alle Blöcke, Schienen und Klemmen sowie die Winschen stammen von Harken, die Stopper von Spinlock. Ebenfalls bereits ab Werft werden die Boote mit mehrfach verstellbaren 3D-Holepunkten sowie mit einer Vielzahl von äußerst effizienten Trimmeinrichtungen bestückt.

Nüchterne Modernität prägt die Italia 11.98

Der Innenausbau der Italia 11.98 präsentiert sich weniger spektakulär als ihr Äußeres. Das von achtern bis zum Bug komplett symmetrische Layout sieht zwei großzügige Kabinen achtern vor. Die beiden Kojen dort sind groß genug für die Doppelbelegung. Weil der Kajütaufbau und damit das ganze Interieur zugunsten von mehr Platz im Cockpit recht weit nach vorn verschoben ist, steht in der Vorschiffskabine weniger Platz zur Verfügung; die Liegefläche ist mit einer Länge von nur 1,90 Meter kurz und zudem weit in den Bug hineingebaut. Vorn wird es deshalb für zwei Personen eng. Dafür können die zwei Sofazeilen im Salon ebenfalls als Kojen genutzt werden, wenn man die Rückenpolster entfernt.

Spannend: Auch die Funktionsbereiche Küche und Navigation sind symmetrisch ausgeführt und auf gleicher Höhe. Die Idee ist, dass man die Arbeitsfläche in der Navigation auch als Erweiterung für die relativ kleine Pantry nutzen kann – ein schlauer Plan. In die beiden ebenfalls spiegelgleich an­geordneten Nasszellen kann die Werft Toiletten oder Duschräume einbauen, so wie es der Eigner haben möchte.

Die federleichten Möbel sind übrigens fast komplett aus Komposit-Materialien gefertigt und mit Gelcoat-Oberflächen versiegelt. Das sieht sehr modern aus, geht aber mit einem nüchternen und wenig gemüt­lichen Wohnambiente einher. Für die Fronten der seitlichen Stauräume kann man zwischen Leder- und Carbon-Abdeckungen wäh­len. Das einzig sichtbare Holz ist in Form vom großen und beidseitig aufklappbaren Salontisch vorhanden. Das Möbel ist allerdings nur sehr instabil verankert, lässt sich aber für die Regatta ausbauen.

Mit Blick auf die Konkurrenz bietet Italia Yachts seine Jüngste zu einem recht inter­essanten Preis an, trotz der sehr umfang­reichen und erstklassigen Grundausstattung sowie der soliden Bauausführung. Die 11.98 ist kein einfaches Schiff und eignet sich nicht für Einsteiger, dafür ist sie zu anspruchsvoll und zu komplex aufgebaut. Sportliche Segler und Regattateilnehmer bekommen mit ihr aber eine spannende Plattform, die sich problemlos auch mal zum Touren mit der Familie nutzen lässt.

Die Messwerte zum Test der Italia 11.98

Windgeschwindigkeit: 13 kn (4 Bft.), Wellenhöhe: ca. 1,5 Meter, * Mit Gennaker

Die Italia 11.98 im Detail

Sportliche Gene: schlanke und tiefe Rumpfanhänge, reichlich Segelfläche sowie ein fester Bugspriet als Option | Zeichnung: YACHT/N. CampeSportliche Gene: schlanke und tiefe Rumpfanhänge, reichlich Segelfläche sowie ein fester Bugspriet als Option | Zeichnung: YACHT/N. Campe

Technische Daten der Italia 11.98

  • Konstrukteur: Matteo Polli
  • CE-Entwurfskategorie: A
  • Rumpflänge: 11,65 m
  • Breite: 3,98 m
  • Tiefgang: 2,10 m
  • Gewicht: 6,2 t
  • Ballast/-anteil: 2,0 t/32 %
  • Großsegel: 48,0 m2
  • Rollgenua (105 %): 42,0 m2
  • Maschine (Volvo Penta): 21 kW/30 PS

Rumpf- und Decks­bauweise

GFK-Sandwich gebaut in Handauflage mit PVC-Schaumkern und Vinylesterharz. Kohlefaserverstärkungen

Preis und Werft

  • Grundpreis ab Werft (Version Bellissima): 356.620 €, brutto inkl. 19% MwSt, ohne Segel
  • Garantie/gegen Osmose: 2/2 Jahre

Stand 12/2023. Preis gültig bis 31.12.2023. Wie die ausgewiesenen Preise definiert sind, finden Sie hier!

Werft

Italia Yachts Srl, 30015 Chioggia (Italien); www.italiayachts.it

Vertrieb

Händlernetz

YACHT-Bewertung

Schicker und schneller, aber nicht ganz einfach zu segelnder Sporttourer mit einem starken Fokus auf eine günstige Ver­messung nach ORCi und IRC. In zwei Grundvarianten zu haben

Konstruktion und Konzept

  • + Starke und steife Bauausführung
  • + Zwei Versionen für mehr Varianz
  • + Leichter Innenausbau aus Komposit

Segelleistung und Trimm

  • + Perfektes Deckslayout
  • + Sehr feinfühlige Steuerung
  • + Effiziente Trimmeinrichtungen

Wohnen und Ausbauqualität

  • + Sofas im Salon als Kojen nutzbar
  • - Sehr nüchternes Interieur
  • - Kleine Kojenfläche im Vorschiff

Ausrüstung und Technik

  • + Hochwertige Grundausstattung
  • + Wasserballast als Option

Dieser Artikel erschien erstmals in YACHT 10/2019 und wurde für diese Online-Version aktualisiert.


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