Kompromisse sind heutzutage, anders als noch vor einigen Dekaden, nicht mehr unbedingt positiv besetzt. Denn jemand, der einen Kompromiss eingeht, weicht automatisch von seiner Position ab, gibt nach. Eine Lösung im Konsens zu finden wird gemeinhin als suboptimal wahrgenommen.
Dabei sind besonders Yachten immer Kompromisse – zwischen Segelleistung und Wohnkomfort, zwischen Anspruch und Geldbörse des Eigners oder, ganz profan, zwischen Tiefgang und Gewicht. Eine Werft, die ihre Produkte also Compromis nannte, war sich demnach sicher, einen idealen Mittelweg zwischen den Extremen im Segelbootsbau gefunden zu haben. Sie gibt zugleich jedoch unumwunden zu, dass eben nicht alles optimal sein kann, sondern an einer Eingangsbedingung orientiert sein muss.
Natürlich hängen die vielen Entscheidungen, die während des Entwurfsprozesses getroffen werden müssen, oft vom angepeilten Revier und damit auch der Zielgruppe ab, der wohl wichtigsten Eingangsbedingung. Frans Maas, Konstrukteur der diversen Compromis-Typen, sieht dann auch die oftmals regnerischen nordischen Reviere als Haupteinsatzort der Schiffe. Demnach liegt sein Schwerpunkt auf der Wohnqualität. Nicht allzu große Cockpits, die jedoch viel Schutz bieten, dafür viel Wohnraum unter Deck. Und da Regen oftmals auch Wind mit sich bringt, sind leicht beherrschbare Segelflächen wichtiger als ausgesprochen gute Schwachwindeigenschaften. Damit sind die Eckpunkte für alle drei Testkandidaten gesetzt: für die jeweilige Länge ein maximal möglicher Wohnkomfort, überschaubare Segelflächen und ein robuster Bau.
Das passt zur Devise der Werft: Mach es gut oder gar nicht. Die besteht seit nunmehr 70 Jahren und hat bereits mehrere tausend Schiffe gefertigt, angefangen vom Centaur, einem offenen Segelboot, das es allein auf 2400 Exemplare gebracht hat. Als im Jahr 2000 die Firma von der Familie Zaadnoordijk auf den neuen Inhaber Jan Müller übergeht, ist die Werft bereits viele Jahre am neuen Standort in Heerenveen angesiedelt.
Und weil eben Kompromisse offenbar nicht mehr so hoch angesehen sind, ändert sich der Name in C-Yacht. Die Schiffe aber bleiben ihren Prinzipien treu: immer gut gebaut, immer über 40 Prozent Ballastanteil. Und eben immer mit einem Fokus auf Reviere, in denen das Wetter auch mal schlecht sein kann. Die drei Testboote werden ab 1981 (777) und 1987 angeboten. Die Vorgängerin der 999, die 909, ist bereits seit 1979 im Programm. Mit einer anderen Innenraumaufteilung und dem Übergang von der Hydraulik- zur Seilzugsteuerung ist die 999 also keine echte Neuerung, sondern die Überarbeitung eines bekannten Modells.
Insgesamt wurden von den drei Typen 1016 Exemplare gebaut. Das größte Boot im Test datiert von 2014. Der Eigner wollte unbedingt eine neue 999; die Werft folgte dem Wunsch und legte los, schließlich hatte man die Formen ja noch. Nicht ungewöhnlich: Vor dem Einlagern der Form baute man seinerzeit zum Schutz derselben noch einen Rumpf hinein. Der geriet in Vergessenheit. Umso erstaunter waren die Werftleute, als sie die Form öffneten: Der Rumpf war vollkommen in Ordnung und konnte verwendet werden – ein weiteres Indiz für die Bauqualität der Werft.
Betrachtet man die drei Testkandidaten, fällt die Familienzugehörigkeit sogleich ins Auge. Markantes Merkmal: die dicke schwarze Gummischeuerleiste. Sie ist zwar unansehnlich, aber ungemein praktisch. Beim Anlegen in Boxen, wie in nordischen Revieren üblich, erlaubt sie folgenloses Anlehnen am Pfahl in Lee. Zudem allen gemein: eine gelungene Raumaufteilung unter Deck mit vielen Stauräumen, die auch gut nutzbar sind, und nicht zuletzt sehr gutmütige Segeleigenschaften.
Im Test gelingt es beiden kleineren Schiffen, ihrer großen Schwester ein Ohr abzusegeln. Bei um die 12 Knoten Wind kommt die knapp zehn Meter lange 999 einfach nicht in Gang; trotz größerem Vorsegel scheint sie im Wasser zu kleben. Die Steuerung ist teigig und unpräzise. Das Segeln macht schlicht keinen Spaß, nicht einmal 5 Knoten sind hoch am Wind drin.
Das erlebten die YACHT-Tester 1991 anders, sie waren seinerzeit angetan von den Leistungen des Probanden. Allerdings hatte es der ehemalige Testchef Mike Naujok mit etwa doppelt so viel Wind zu tun, und das Schiff war noch im Auslieferungszustand. Heute haben die Eigner, die in Österreich leben, einen kompletten Hausstand plus Getränken für eine ganze Saison an Bord gebracht. Bei wenig Wind machen sich diese zusätzlichen Kilos deutlich bemerkbar.
Anders bei der 888. Sie zeigt Erwartbares. Über Winter lag sie im Wasser und hat etwas Bewuchs am Rumpf angesetzt. Auf dem Furler ist eine 105-Prozent-Fock angeschlagen. Und obwohl auch das keine perfekten Voraussetzungen sind – denn das Vorsegel könnte für wenig Wind ruhig etwas größer ausfallen –, macht sie Spaß. Das liegt nicht zuletzt an der Pinnensteuerung. Die ist naturgemäß sehr direkt, ohne jedoch nervös zu wirken. Am Wind sind bei ordentlichen Wendewinkeln um die 90 Grad Geschwindigkeiten von 5,5 Knoten möglich. Im Cockpit sitzt es sich dabei gut, alles ist schnell erreichbar. Etwas gewöhnungsbedürftig sind die zum Spiegel hin offenen Sitzduchten. Wer dort etwas ablegt, muss damit rechnen, dass es nach achtern von Bord rutscht oder rollt. Das gilt gleichermaßen für Schoten oder Festmacher, die sich dann gern mal in der Schraube verfangen.
Ansonsten wirft die Yacht keine Fragen auf. Das Großsegel ist dank Topp-Rigg und der Großschot, die an einem Fußblock auf dem Cockpitboden gefahren wird, nahezu untrimmbar. Lediglich der Kicker bringt bei Bedarf Entspannung ins Achterliek. Für die Zielgruppe dürfte dieses Set-up indes völlig ausreichend sein, steht doch das entspannte Tourensegeln im Vordergrund. Und weil das Schiff eher unempfindlich gegenüber seinen Trimmeinrichtungen ist, entbindet das den Skipper von der Verpflichtung, diese auch wirklich zu nutzen.
Am agilsten segelt die 777, sie ist am Testtag die Schnellste in der Runde. Ein sauberes Unterwasserschiff und ein größeres Vorsegel zeigen Wirkung, fast nach Belieben hält die Kleine mit. Dabei gilt es mit Traveller und Unterliekstrecker am Groß zu arbeiten sowie die Genuaschienen auch wirklich zu benutzen. Doch egal, wie gut das Schiff getrimmt wird, die Pinne verlangt ununterbrochen nach Aufmerksamkeit, sogar unter Maschine. Eine Sekunde ohne führende Hand bedeutet rechtwinkliges Abbiegen. Nicht untypisch für Schiffe mit freistehendem Spatenruder, anstrengend ist es aber allemal. Davon einmal abgesehen, besticht die 777 mit perfekt einhandtauglichem Layout.
Fallen und Strecker enden auf dem Kajütdach, man erreicht sie von der Pinne aus und hat so immer alles im Griff. Probleme bereitet das Schiff, auch unter Motor, zu keiner Zeit. Leider stört das Babystag bei Wenden mit der großen Genua.
Unter Deck ist jedoch fast alles, wie es sein soll: praxisgerecht und in Reichweite. Dass die 777 tatsächlich nicht mal acht Meter lang ist, mag man gar nicht glauben. Nur die knappe Stehhöhe von rund 1,70 Metern verrät die Außenmaße der Kleinen. Nicht zu knapp geraten sind die Kojen. Vorn sind es 1,50 Meter Breite bei zwei Meter Länge, die Hundekoje ist 80 Zentimeter breit und ebenfalls zwei Meter lang. Nur die Koje im Salon reicht mit 1,15 Metern vom seitlichen Einstieg bis zur Bordwand nicht für zwei. Insgesamt vier Kojen also. Mehr Segler verträgt das Schiff jedoch auch nicht, daher passt das durchaus.
Einige Spezialitäten bringt die Compromis noch mit: Die abgewinkelte Treppe sorgt geschickt für mehr Raum und bietet Ablagen in den Stufen, eine Öffnung oberhalb der Pantry entpuppt sich als Zugang zum Mülleimer, der in der Backskiste steht und somit nicht den Salon mit unangenehmen Gerüchen erfüllt. Bei einigen Modellen bietet eine Klappe im Hauptschott Raum für die Füße besonders langer Schläfer auf der Salonbank an Steuerbord.
Gleich zwei Aha-Erlebnisse erwarten den Segler im Inneren der 888. Erstens mag man die Größe – hier sind es knapp neun Meter – ähnlich wie auf der 777 kaum glauben. Eine L-Pantry, der Sitzbereich, eine recht voluminöse Nasszelle und ein Navitisch: Alles fühlt sich großzügig an, wie auf einer deutlich längeren Yacht. Auch die Stehhöhe ist mit 1,90 Metern in Ordnung.
Weiter geht das Staunen in der Achterkabine. Die Stehhöhe ist zwar knapp, dafür fällt die Koje mit 1,40 mal 2,40 Metern wirklich riesig aus. Somit ist dies auch die bevorzugte Kabine, denn im Vorschiff beginnt die Schlafstatt direkt an der Tür, wenn dort zwei Leute nächtigen sollen. Wer sich im Stehen umziehen möchte, muss das im Salon erledigen. Zudem stört ein Schrank an Steuerbord, sodass die Koje ein wenig kurz geraten ist. Wirklich entspannt dürfte man dort nur allein schlafen, dann kann ein Teil der Koje entfernt werden, und es entsteht eine kleine Stehfläche.
In der Nasszelle wird man lernen, auf den Kopf zu achten, da ein Stück der Cockpitbank in den Raum hineinragt. Aber das ist Gewöhnungssache. Als ungemein praktisch erweist sich der Ölzeugschrank, der sowohl aus dem Feuchtraum als auch direkt von der Backskiste aus zugänglich ist. Wichtig dabei: Sie kann von innen verschlossen werden.
Auch die 999 hat unter Deck einiges zu bieten. Wie es auf Mittelcockpitschiffen typisch ist, gelangt man durch einen Gang an Steuerbord an der Pantry vorbei in die achtere Kabine. Die Höhe auf dem Weg dorthin nimmt abrupt ab und beträgt achtern nurmehr 1,56 Meter.
Die Koje in der Kammer lässt ebenfalls Wünsche offen: Zwar entspricht sie mit 2,15 mal 1,40 Metern den Vorgaben, allerdings muss der Schläfer zur Schiffsmitte hin mit einem Ruderkoker zwischen den Füßen leben. Wer das nicht mag, verdrückt sich bei Belegung mit zwei Personen in die Koje vorn. Die ist mit 2,54 mal 1,80 Metern getrost als riesig zu bezeichnen. Jedoch beginnt auch sie direkt an der Salontür, wenn sie diese stattlichen Maße erreichen soll. Der Salon punktet mit einer gemütlichen Sitzgruppe. Die Tiefe der Bestuhlung an Backbord ist jedoch zu kurz geraten. Die Navi-Ecke hält mit einem schwenkbaren Hocker noch ein Compromis-typisches Schmankerl bereit – sowohl auf See als auch im Hafen lässt es sich dort gut sitzen und arbeiten. Die Nasszelle geht in Ordnung, eine Dusche fehlt jedoch.
Normalerweise benennen Gebrauchtboottests stets Punkte, auf die ein Interessent bei einem Schiff achten sollte. Bei den Compromis ist das schwierig. Da wären die Fenster. Sie wurden anfangs aus Plexiglas aufgeschraubt, später mit Alurahmen eingesetzt, Letzteres ist natürlich dauerhafter. Ab 1997 wurde in Vinylester laminiert. Das ist besser, weil osmoseresistent. Doch auch bei älteren Modellen ist das kein großes Thema.
Bei der 777 wurde zuerst ein Volvo-Diesel mit 7 PS verbaut, später ein Yanmar mit satten 9 Pferdestärken. Letzterer ist die empfehlenswerte Wahl, da es genau diesen Motor immer noch zu kaufen gibt.
Weitere typische Mängel? Fehlanzeige. Natürlich: Motor, Rigg, Segel, Ruderlager, Saildrive, Polster. Aber das ist allgemeingültig. Demzufolge kann man mit den Compromis nichts falsch machen. Im Gegenteil: Die Gebrauchtbootpreise deuten auf sehr wertstabile Schiffe hin.
Obwohl nicht mal acht Meter lang, fühlt sich die Compromis 777 dank tiefem, geschütztem Cockpit beim Segeln an wie eine Große.
Handauflage- und Spritzverfahren, Sandwich-/Massivlaminat
Viel Boot für überschaubares Geld bietet die 777 auch heute noch. Ideal zu zweit, für ein Wochenende auch mal mit vieren, kann die Kleine alles, was es zum Fahrtensegeln braucht.
Geräumig, gutmütig, solide: Die Compromis 888 macht vieles richtig. Das lässt sie zum idealen Einsteigerschiff werden.
Massivlaminat im Handauflageverfahren. Ab 1997 Vinylester
Die 888 ist wie ein Golf: nicht aufregend, nichts falsch. Sie wirft keine Fragen auf und ist leicht zu bedienen. Da gut gebaut, ein solides Fahrtenschiff.
Mit knapp unter zehn Meter Länge ist die Compromis 999 eine der kürzesten Mittelcockpityachten überhaupt. Das macht sie beliebt.
GFK-Handauflage/Spritzverfahren, teils mit Sandwich, Vinylester
Solides Reiseschiff für zwei. Unter Deck optimale Raumausnutzung, aber etwas dunkel. An Deck punkten das Mittelcockpit und das gutmütige Handling.
Dieser Artikel erschien erstmals in YACHT 04/2017 und wurde für diese Online-Version aktualisiert.