Schon der Geruch unter Deck ist ein anderer – ein angenehmerer. Skandinavische Ausbauqualität kann man nicht nur sehen und fühlen, sondern eben auch riechen. Vielleicht liegt es am Holz, vielleicht am Lack oder vielleicht an den Stoffen. Wer über eine feine Nase verfügt, kennt die olfaktorischen Kontraste und kann unterscheiden. Das macht die Yachten zum Beispiel von Hallberg-Rassy, Najad oder Arcona zwar nicht besser, dafür aber unverwechselbar.
Torgny Jansson, bisher Eigentümer und Chef von Arcona Yachts in Gustavsberg bei Stockholm, hat im Frühjahr 2018 sein Unternehmen an den schwedischen Investor Håkan Eksandh verkauft, dem auch Najad gehört. Jetzt firmieren die beide Werften unter einem Dach, bleiben aber weiterhin als eigenständige Marken produktiv.
So gesehen änderte sich nicht viel bei Arcona Yachts – wohl aber im Programm der schwedischen Traditionswerft. Mit Modell 435 verabschiedeten sich die Yachtbauer insbesondere vom bisher typischen und einzigartigen Erscheinungsbild ihrer Modelle. Anstelle der schlanken Kajütfenster zeigte das Styling nun ein durchgehendes Lichtband seitlich am Aufbau. Damit präsentiert sich Arcona optisch zeitgemäß und auch dichter dran am Wettbewerb, etwa von Grand Soleil oder X-Yachts. Geblieben sind dagegen die sehr schmalen Rumpffenster, die sich – Schlitzen ähnlich – smart in die Ziergöhl integrieren und deshalb von außen kaum in Erscheinung treten. Sie sind eine Art Markenzeichen von Arcona; allerdings ist ihr Nutzen bezüglich von mehr Licht unter Deck spärlich. Ließe man sie weg, würde das weder innen noch von außen besonders auffallen.
Die YACHT-Redaktion ist für einen Test im schwedischen Marstrand an Bord der eleganten Nordländerin gegangen. Sonne, Wärme und zwischen 12 und 15 Knoten Wind bieten dafür die optimalen Rahmenbedingungen. Die Arcona 435 kreuzt mit gut 7 Knoten Fahrt und wendet dabei über einen Winkel von 85 Grad. Die Daten auf den Displays der Instrumente wirken also schon einmal überzeugend. Noch mehr gefallen im Test die ausgezeichneten Segeleigenschaften mit einem leichten Ruderdruck, der dem Steuermann an den doppelten Rädern genau so viel Rückmeldung gibt, dass dieser das Schiff sehr gefühlvoll lenken und sich leicht an das volle Leistungspotenzial heranarbeiten kann.
Für den Weg zurück wird ein fülliger Topp-Gennaker gesetzt, wobei der Segelhals beim Testboot direkt am Bug angeschlagen wird; einen Bugspriet mit integrierter Ankerhalterung können Kunden leider nur als Option und gegen Aufpreis bekommen. Schade, denn der Rüssel gehört eigentlich zur Standardausstattung für einen sportlichen Performance-Cruiser, der vermutlich oft mit einem zusätzlichen Raumwindsegel oder mit Code Zero gesegelt wird. Jedenfalls: Mit gesetztem Gennaker erreicht die Schwedin bei rund 120 Grad Windeinfall knapp 9 Knoten Fahrt über Grund.
Die Arcona 435 segelt auf allen Kursen bemerkenswert steif und zudem mit relativ wenig Krängung. Das überrascht, weil der Riss mit einem Streckungsverhältnis (Länge zu Breite) von über 3,3 im Vergleich zur Konkurrenz eher schlank ausfällt und auch der Ballastanteil im Kiel mit 36 Prozent nur gemäßigt ist. Konstrukteur Stefan Qviberg, der seit Jahren für Arcona tätig ist, hat die achterliche Sektion des Schiffs dafür mit einem extrem ausgeprägten U-Spant gezeichnet, was in Sachen Formstabilität der Funktion von Chines gleichkommen soll, aber keine echten Kanten vorsieht. Das breite und hinten fast komplett flache Unterwasserschiff hat aber einen Nachteil: Im Hafen und bei unruhigem Wasser schlagen die Wellen gut hörbar unten an den flachen Rumpf, was vor allem nachts nerven kann.
Das Layout im Cockpit entspricht der konventionellen, aber vielfach bewährten Anordnung bei Performance-Cruisern. Heißt: primäre und sekundäre Winschen für Genua- und Großschot (German Cupper) auf dem Süll. Fallen, Reff- und Trimmleinen werden über den Mastkragen und innerhalb vom Kajütaufbau auf die zwei zusätzlichen Winschen am Niedergang geführt. Dies ist in ähnlicher Form bei allen aktuellen Arcona-Modellen so gelöst und funktioniert von 10 bis über 14 Meter Rumpflänge sehr gut.
Bei der 435 gefällt insbesondere die variable Sitzposition für den Steuermann. Steht ein Großschoter zur Verfügung, sitzt der Rudergänger bequem und mit ausreichend Halt hinter dem Rad. Ist er dagegen mit kleiner Crew oder allein unterwegs, kann er vor dem Rad sitzen und steuern, zugleich aber auch die Großschot auf der Winsch sowie den wichtigen Traveller gut bedienen. Die komplett frei stehenden Steuersäulen erlauben es, dass der Rudergänger beliebig und schnell seine Position ändern kann.
Die kurze und hohe Genua mit 106 Prozent Überlappung ist Standard bei Arcona. Die effizienten Schot-Inhauler dafür gibt es ab Werft dazu, genauso wie das Profilvorstag mit Rollanlage unter Deck. Auch das kräftige Achterstag mit Dreifach-Kaskade und Sechsfach-Talje gehört zur Grundausstattung der 435. Werftchef Torgny Jansson, selbst ein erfahrener und erfolgreicher Regattasegler, möchte bezüglich der Ausstattung an Deck seiner Yachten keine Kompromisse eingehen. Beim Testboot sind Beschläge von Seldén und Winschen von Andersen verbaut, auf Kundenwunsch. Im Standard kommt dagegen Hardware von Harken zum Einsatz, welche eher zu groß als zu klein dimensioniert ist.
Als Alternative zur Genua kann der Kunde sich für eine Selbstwendefock entscheiden. Beim Testschiff ist die Schiene dafür zu Testzwecken bereits vormontiert, fällt in der Ausführung aber ungemein wuchtig aus und bricht optisch mit den eleganten Linien. Der Mast von Seldén mit zwei Salingen ist durchgesteckt und steht innen auf einem Stahlträger, welcher im Rumpf eingepasst und an die massiv ausgeführten Stringer angebolzt wird. Die Werft verzichtet aus Gründen unterschiedlicher Ausdehnungs- und Torsions- Eigenschaften darauf, den Stahlrahmen fest an den GFK-Rumpf zu laminieren – eine Glaubensfrage, welche die Hersteller unterschiedlich interpretieren.
Rumpf und Deck der Arcona 435 werden als GKF-Konstruktionen mit Schaumkern und Vinylesterharz im Vakuum-Infusionsverfahren aufgebaut. Als Option kann man das Schiff auch komplett aus Kohlefaser bestellen; die Gewichtsersparnis wird von der Werft mit rund 350 Kilogramm kalkuliert. Nicht unerheblich ist der Aufpreis dafür.
Gefertigt werden die großen Arcona-Modelle 435 und 465 in Uddevalla in Schweden. Die kleineren Schiffe Arcona 340, 380 und 410 werden weiterhin in Estland hergestellt.
Um den Innenausbau der Arcona 435 richtig einzuordnen, muss man zunächst wissen, dass der Eigner des Testschiffs offensichtlich die klassische und konservative Optik bevorzugt. Die dunkelblauen Polster in Kabinen und Salon sowie die Vorhänge vor den Fenstern am Aufbau entsprechen längst nicht mehr dem aktuellen Design und auch nicht dem Standard von Arcona bezüglich der Gestaltung des Interieurs – das geht ab Werft moderner, leichter und freundlicher. Dazu bieten die Schweden jetzt als Variante zum Ausbau mit dem rötlichen Khaya-Mahagoni erstmals auch den Einsatz von hellem Eichenholz an. Man darf gespannt sein, wie dies im Schiff wirkt.
Trotzdem: Wegen der schmalen Fenster im Aufbau und der fast nicht vorhandenen Rumpffenster bleibt es innen auch tagsüber relativ dunkel; dagegen helfen selbst die beiden großen Luken im Dach vom Aufbau nicht viel. Dafür ist es innen aber auch richtig gemütlich und wohnlich, ganz nach nordischem Vorbild. Das Interieur präsentiert sich zudem durchweg schlicht und ungekünstelt. Vor allem aber: tadellos gebaut, und zwar bis ins kleinste Detail der Bordtechnik. Nur ein Sachverhalt fällt negativ auf: Sowohl im Salon als auch in der Nasszelle achtern fehlt es an ausreichend Möglichkeiten zum Lüften.
Das Layout unter Deck sieht zwei Doppelkabinen achtern vor sowie eine sehr luxuriöse Eignerkabine im Vorschiff mit einem großen Doppelbett (1,90 Meter Breite auf Schulterhöhe) inklusive eigenem Bad mit Duschoption. Das Wohnangebot mit drei abgetrennten Kabinen und zwei Nasszellen ist der Standard in der Klasse von Performance-Cruisern dieser Größe, ebenso die Positionierung der Navigation und der Pantry. Auch die Konkurrenz bietet dazu kaum nennenswerte Varianz.
Schon immer fokussierte Arcona Yachts sowohl an wie auch unter Deck in erster Linie die gute Funktion und versucht nicht mit unnötigem Beiwerk in Form vermeintlich besonders smart gelöster Details zu punkten. Das ist auch beim neuen Schiff so. Es überzeugen vielmehr das schlüssige Konzept, die qualitativ fehlerfreie Verarbeitung und die hochwertige Ausstattung.
Ein erster Blick auf die Preisliste mag vielleicht Schmerzen bereiten: Rund 572.717 Euro brutto verlangt Arcona für das gut ausgestattete Basisboot, und das noch ohne die Segel – ein auch im Vergleich zur gehobenen Konkurrenz nicht günstiger Betrag. Aber: Arcona will keine Alternative sein, sondern Individualisten eine attraktive Plattform bieten. Dafür werden diese auch bereit sein, tiefer in die Tasche zu greifen.
2022 hat Arcona Yachts hat dem Modell 435 ein umfassendes Upgrade spendiert. Neu ist das Boot unter dem Namenszusatz MK II auf dem Markt. Die Konstruktion von Stefan Qviberg wird jetzt in neuen Formen gebaut und ist im Vergleich um acht Zentimeter fülliger geworden. Die neue Breite beträgt nun 4,06 Meter bei unveränderter Rumpflänge von 13,20 Metern. Auch haben die Schweden dem Schiff neue und deutlich größere Rumpffenster verpasst, die im Standard mit einer Pigmentfolie geschützt sind.
GFK-Sandwichkonstruktion mit Divinycellschaum als Kernmaterial, gebaut im Vakuum-Infusionsverfahren
Stand September 2024, wie die ausgewiesenen Preise definiert sind, finden Sie hier!
Arcona Yachts, 14341 Gustavsberg (SWE); www.arconayachts.se
Schnell und sportlich segeln und trotzdem auch klassisch-komfortabel wohnen: Die Arcona 435 schafft den schwierigen Kompromiss meisterlich. Das Boot ist geradlinig und funktioniert sehr gut
Der Test erschien erstmalig in YACHT-Ausgabe 21/2018 und wurde für die Onlineversion überarbeitet.