Biga 270Dauerbrenner in klassischem Gewand

Michael Rinck

 · 29.05.2023

Holzaufbau mit klassischen Fenstern, moderner Rumpf: ein Boot wie aus zwei Welten
Foto: YACHT/B. Scheurer
Die Bicker-Werft baut mit der Biga 270 ein echtes Multitalent: trailerbar und trotzdem reichlich Platz unter Deck. Wie sie segelt und was sie sonst noch ausmacht, konnten wir bei viel Wind ausprobieren

Auf dem Steg bleibt jeder Passant unwillkürlich vor der Biga 270 stehen: Die Holzflächen glänzen unter dem Klarlack, und der nur 2,55 Meter breite Rumpf ist angesichts heutzutage meist ausladenderer Konstruktionen ebenfalls ein Hingucker. Die Konstrukteurin Juliane Hempel und Sven Wehrenbrecht, Bootsbauer bei der Bauwerft Bicker, zeigen der YACHT beim Test im Sommer 2016 stolz die damals neue Fahrtenyacht. Da der Wind mit über 25 Knoten durch das Rigg heult und sich die nächste Wolkenfront mit Regen ankündigt, geht es erstmal unter Deck. Wo es Anlass zum weiteren Staunen gibt: Hier ist kein Kunststoff sichtbar, fast fühlt es sich an wie auf einem Klassiker. Die Decksbalken aus Mahagoni vermitteln ein Gefühl von Wärme und Solidität.

Die Dinette im Salon lädt zum bequemen Hinsetzen ein – noch bevor der Innenausbau einer kritischen Prüfung unterzogen wird, strahlt er schon Wohnlichkeit aus. Vier Personen finden zusammengerückt aus­reichend Platz um den Tisch. Erste Details fallen ins Auge: Blick nach draußen, eine Griff­leiste vom Niedergang bis ans Hauptschott sorgt für sicheren Halt im ganzen Salon, Edelstahlstreben fangen die Kräfte der innen angeschlagenen Unterwanten auf (im Kopf rekapituliert man den freien Weg an Deck zwischen den Wanten vom Vorschiff nach achtern), und eine Schublade über der Hundekoje weckt die Frage, was da wohl gestaut wird.

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Der Innenausbau überzeugt mit hochwertigem Finish.  Viele Fenster sorgen für Helligkeit, die Dinette für PlatzFoto: YACHT/B. ScheurerDer Innenausbau überzeugt mit hochwertigem Finish. Viele Fenster sorgen für Helligkeit, die Dinette für Platz

Die Biga 270 passt perfekt zwischen 242 und 292

Aber vor den Details drängt sich damals die Frage auf, warum Bicker überhaupt ein neues Boot herausbringt. Sven Wehrenbrecht erklärt, dass viele Kunden sich von der Biga 242 vergrößern wollten, aber vor dem Kauf der 292 zurückschreckten, da diese nicht mehr trailerbar ist. „Wir hätten viel mehr 292er verkaufen können, wenn die noch auf einen Trailer passen würde“, so der Bootsbauer. Die Vermutung scheint sich zu bestätigen, denn bereits damals waren vier Verkäufe zu vermelden, ohne dass das Schiff bisher auf einer Messe gewesen ist. Das liegt sicher auch an dem spannenden Größensegment.

Einerseits nur 8,50 Meter lang, passt die Biga 270 auf einen Trailer. Das klingt nach Weekender. Doch unter Deck fühlt sie sich an wie ein wohnliches Fahrtenboot, auch weil alles da ist, was man auf längeren Reisen braucht. Die Bugkoje ist mit 2,06 Meter Länge und 1,45 Meter Schulterbreite recht üppig, große Schränke, die Nasszelle und eine vollwertige Pantry unterstreichen diesen Eindruck. Letztere kommt zwar ohne halbkardanisch aufgehängten Kocher. Aber grundsätzlich, so Wehrenbrecht, könnten künftige Eigner mit der Werft über alles verhandeln; da komplett im Betrieb gefertigt wird, lassen sich viele Sonderwünsche berücksichtigen. Ein anderer Herd oder Kühlschrank ist erst der Anfang der Individualisierung – auf Wunsch wird der Aufbau höher oder die Liegefläche durch Verschieben des Schotts länger.

Die Front ist durch. Zeit, segeln zu gehen.

Gut manövrierbar unter Motor

Der Hafen Großenbrode Fähre ist ziemlich eng und verwinkelt, rückwärts geht es mit der Biga 270 aus der Box. Die Fahrtenyacht von der Bicker-Werft lässt sich dabei präzise mit der Pinne dirigieren. Der dreiflügelige Festpropeller bewirkt ordentlich Schub. Kaum ist der Vorwärtsgang eingelegt, stoppt das Boot und nimmt sofort wieder Fahrt auf. Mit weit gelegtem Ruder dreht es sich Richtung Hafenausfahrt.

Der Wind ist böig mit 17 bis 24 Knoten. Doch unter Land steht nur eine kleine Welle, dafür kommen hier die Böen unberechenbarer. Unter Vollzeug, also 20,4-Quadrat­meter-Großsegel und 115-Prozent-Genua mit 17,8 Quadratmetern, geht es mit achterlichem Wind Richtung Osten aus dem Fehmarnbelt. Die Logge pendelt zwischen 6 und 7 Knoten, die Genua steht als Schmetterling. Für das kurze Stück ist sie nicht ausgebaumt, auch das Groß ist nicht per Bullentalje ge­sichert. Nur durch gefühlvolles Steuern bleibt das Boot auf Kurs, und selbst in den Böen bricht es nicht aus.

An der Pinne spürt man, was die Biga 270 macht

Sobald wir an den Wind gehen, macht sich die für diese Bedingungen etwas zu große Segelfläche bemerkbar. Immerhin loggen wir auch hoch am Wind 5,7 Knoten, aber in den Böen ist die Krängung zu groß für optimale Fahrt. Immerhin bleibt das Boot jederzeit kontrollierbar. An der Pinne spürt man, was die Biga 270 macht, nur in den Böen ist wirklich von Ruderdruck zu sprechen. Am Steuer muss nicht geackert werden, aber es kommt trotzdem noch genug Rückmeldung an. Diese Eigenschaften sind dem modernen Unterwasserschiff und den Anhängen zu verdanken.

Am flachen U-Spant hängt ein vorbalanciertes Spatenruder und an einer GFK-Finne der Bleiballast. Diese Bauweise ist teuer und normalerweise nur im Regattabereich anzutreffen; ursprünglich war ein gusseiserner Kiel geplant. Weil damit jedoch der Schwerpunkt weiter oben gelegen hätte, hätte dieser für dieselbe Stabilität deutlich schwerer ausfallen müssen. Die Biga sollte aber trailerbar bleiben, und so entschied sich Juliane Hempel für diese Lösung.

Dabei treten natürlich größere Momente an der Kiel-Rumpf-Verbindung auf, die wiederum durch eine Bodengruppe aus ein­laminierten Mahagoniwrangen und Kon­struktionsschaum abgefangen werden. Auf Stahl wurde verzichtet, um Gewicht zu sparen. Die Positivformen für Bleibombe und Ruder fräst die Werft und nimmt davon die Negativform ab, so kann eine hohe Präzision erreicht werden. Alles Selbermachen kostet Zeit, aber Bicker setzt auf hohe Fertigungstiefe und Qualität. So sind auch ausgefallene Wünsche kein Problem.

Drei Monate Bauzeit für eine Biga 270

„Die meisten Käufer kommen zwei- bis dreimal in der Bauphase vorbei“, sagt Wehrenbrecht. Das Verhältnis zum Kunden sei sozusagen schon fast familiär. Acht bis zehn Boote entstehen pro Jahr. Dabei werden alle Schotten sowie der Innenausbau eingesetzt, während der Rumpf noch in der Form ruht und zusätzliche Zeit zum Durchhärten hat. Drei Monate Bauzeit müssen da für eine Biga 270 veranschlagt werden.

Ein weiterer Preistreiber: Statt Dinette gibt es auch das Standardlayout mit gegenüberliegenden Salonbänken und Pantry neben dem Niedergang. Dafür fällt die Hundekoje weg. Auch für den Kiel existiert noch eine flachere Variante und eine 1,60 Meter tiefe Performance-Version.

Nach der nächsten kräftigen Bö bietet sich das erste Reff im Groß an. Augenblicklich wird das Segeln komfortabler. Mit weniger Lage ist die Biga 270 aber trotzdem genauso schnell unterwegs wie zuvor. In besonders starken Böen reicht es, den Traveller etwas zu fieren.

Auch bei viel Lage steuert sich die Biga kontrolliertFoto: YACHT/B. ScheurerAuch bei viel Lage steuert sich die Biga kontrolliert

Segeln mit der Biga 270 bereitet einfach nur Freude

Das kleine Boot vermittelt selbst bei knackigen Böen noch Sicherheit. Nach ein paar Schlägen ist klar, dass sich auch der Wendewinkel sehen lassen kann. Das Groß steht trotz Reff gut, und die Biga wendet über einen Winkel von 90 Grad. Der Steuermann sitzt dabei hinter dem Traveller, das hohe Süll im Rücken. Die gegenüberliegende Ducht bietet guten Halt für die Füße, Großschotklemme und Traveller sind in Griffweite.

Auch auf dem Süll sitzt man am Steuer gut und kann per Pinnenausleger steuern. Allerdings wird das bei Bedingungen mit viel Lage ungemütlich – es fehlt der Halt für die Füße, und es besteht die Gefahr abzurutschen. Dann lieber entspannt im Cockpit Platz nehmen. Die Sicht nach vorn ist auch von unten auf den Sitzduchten gut. Mit dem Plotter im Niedergangsschott wird navigiert, einen separaten Kartentisch gibt es nicht. Seekarten sind trotzdem an Bord, sie befinden sich in jenem Fach über der Hundekoje, das schon zu Anfang das Interesse weckte. Ist das ausgezogen, können die Karten sogar in voller Größe studiert werden.

Mittlerweile sind wir dicht unter Land gekreuzt – Zeit, abzufallen und die Biga 270 mal mit raumem Wind laufen zu lassen. Dabei klettert die Logge auf über 7 Knoten. Das bereitet einfach nur Freude. Jetzt ausreffen und sich auf die nächste kräftige Bö freuen.

Trotz viel Holz ist die Biga 270 pflegeleicht

Voraus, wo das weißgetupfte Wasser in grauen Himmel übergeht, müsste Poel sein. Es kommt richtig Lust auf, einfach weiterzusegeln. Aber es geht wieder zurück, hoch am Wind. Trotzdem macht jeder Meter bis zur Hafeneinfahrt Spaß. Dieses Boot möchte gesegelt werden, keine Frage.

Eine Sorge taucht dann, beim Blick auf die lackierten Holzflächen, noch auf: Müssen Eigner jeden Winter zum Pinsel greifen? Bis zu neun Schichten PU-Lack bedeuten, dass das Schiff sehr pflege­leicht ist, so Bootsbauer Wehrenbrecht. Lediglich nach fünf Jahren sollte einmal angeschliffen und eine Lage draufgestrichen werden. Dann steht für Jahre wieder Segelspaß im Vordergrund.


Messwerte Biga 270

Segelleistungen, ohne Abdrift und Strom

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Wind: 17–24 kn (5–6 Bft.), Wellenhöhe: Dünung ca. 0,3 Meter

* Mit erstem Reff im Großsegel

Potenzial

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Die Segeltragezahl ist recht hoch. Das Boot segelt lebendig und sportlich

Dimensionslose Zahl. Berechnung: 2√S/3√V. Je höher der Wert, desto mehr Segelfläche (S) hat das Schiff in Relation zur Verdrängung (V)

Kojenmasse

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YACHT-Bewertung Biga 270

Die Biga 270 ist trailerbar, bietet aber dennoch Komfort für längere Touren. Dank moderner Rumpfform und Anhängen von Konstrukteurin Juliane Hempel segelt sie agil und ist auch bei mehr Wind sicher beherrschbar

Konstruktion und Konzept

  • + Klassische Anmutung mit viel Holz
  • + Moderne Anhänge
  • + Trailerbar durch schlanke Linien
  • - Hoher Grund- und Endpreis

Segelleistung und Trimm

  • + Viel Segelfläche
  • + Auch bei Starkwind gut beherrschbar

Wohnen und Ausbauqualität

  • + Viel Licht, gute Belüftung
  • + Sehr hohe handwerkliche Qualität
  • - Keine Stehhöhe (maximal 1,74 Meter)

Ausrüstung und Technik

  • + Mast klapp- und Traveller abnehmbar
  • + Badeleiter vom Wasser aus erreichbar

Technische Daten Biga 270

Zwei Optionen: Ohne Dinette kommt in die Ecke der Hundekoje die Pantry. Dafür gibt es dann eine Backskiste mehrFoto: YACHT/N. CampeZwei Optionen: Ohne Dinette kommt in die Ecke der Hundekoje die Pantry. Dafür gibt es dann eine Backskiste mehr
  • Konstrukteurin: Juliane Hempel
  • CE-Entwurfskategorie: B
  • Rumpflänge: 8,50 m
  • Breite: 2,55 m
  • Tiefgang/alternativ: 1,15/1,45 m
  • Gewicht: 2,3 t
  • Ballast/alternativ: 0,86/0,75 t
  • Großsegel: 20,4 m²
  • Rollgenua (115 %): 17,8 m²
  • Maschine (Volvo Penta): 13 kW/18 PS

Rumpf- u. Decks­bauweise

Rumpf: Polyestervolllaminat in Handauflage; im Bug Sandwich. Aufbau aus Bootsbausperrholz

Grundpreis ab Werft

109.000 € ab Werft, brutto inkl. 19 % Mehrwersteuer (Stand Mai 2023)

Werft und Vertrieb

Bootswerft Gerhard Bicker, Uentroper Straße 33, 59229 Ahlen-Dolberg; www.biga-yachten.de

Dieser Test erschien in YACHT-Ausgabe 24/2016 und wurde von der Redaktion im Mai 2023 überarbeitet.


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