Selten wird der Einfluss einer einzigen Person auf den Lauf der Dinge, den Kurs eines Unternehmens, den Erfolg einer Strategie so deutlich wie bei diesem Boot. Und auch wenn es in die Zukunft weist, lohnt es sich doch, einmal kurz knapp 50 Jahre zurückzuspulen. Denn damals gab es schon eine First 30, die aus heutiger Sicht wegweisend, wenn nicht bahnbrechend war. Und eben: Annette Roux.
Sie ist die Enkelin von Benjamin Beneteau, dem Gründer der größten Sportbootwerft der Welt, Nummer 358 der 500 reichsten Französinnen und Franzosen. Mitte der Siebzigerjahre wagte die damals junge Firmenchefin eine überraschende Portfolio-Erweiterung. Auf Initiative von François Chalain entschied sie, aus den Formen des Siegerschiffs der Halbtonner-WM von 1974 ein neues Serienboot zu entwickeln. Es war eine Wette auf die Zukunft. Beneteau lebte damals vor allem von Angelbooten, sämtliche Entwürfe stammten bis dato aus dem eigenen Haus – bis zu jenem Projekt, das 1976 alles veränderte.
„Gemeinsam mit Konstrukteur André Mauric haben wir den Segelplan geändert, den Kiel umgearbeitet, die Innenausstattung, den Decksaufbau“, erinnert sich Annette Roux, von allen in der Werft noch heute respektvoll „Madame“ genannt. Weil es ein Neuanfang war, „nannten wir das Boot ‚First‘. Niemand hat das von uns erwartet.“
Die sportliche Yacht entwickelte sich aus dem Stand zum Verkaufsschlager. In nicht einmal ganz fünf Jahren wurden mehr als 950 Rümpfe gebaut. Ein Jahr nach ihrer Ablösung war Beneteau Weltmarktführer. „Mit ihr haben wir die Türen zum Export aufgestoßen“, sagt die inzwischen 82‑Jährige, die als Vorsitzende der Beneteau-Stiftung nach wie vor den Kurs der Werft mitbestimmt.
Und so ist es kein Zufall, dass Vertriebschef Yann Masselot am 10. September in Cannes eine neue First 30 ankündigte. Ein symbolträchtigeres Modell gibt es nicht, um das 140‑Jahr-Jubiläum der Marke zu feiern – zumal es Beneteaus einzige Neuentwicklung für 2024 ist.
Obwohl sie beim Yachting Festival an der Côte d’Azur gar nicht zu sehen war, weil sie erst auf der boot Düsseldorf 2025 ihre Messepremiere in 3D haben wird, beherrschte sie von Beginn an die Schlagzeilen. Zum einen weil kompakte Serienyachten der Neun-Meter-Klasse am Markt selten geworden sind und die First 30 in einer Zeit, da die Preise allenthalben himmelwärts tendieren, vergleichsweise günstig angeboten wird.
Zum anderen weil sie ähnlich wie weiland ihre Urahnin ein ganzes Segment neu beleben, ja prägen soll: das der „schnellen, unkompliziert gleitfähigen Fahrtenyachten“, wie Yann Masselot bei der Vorstellung betonte.
Das Konzept entstand in einem Joint Venture zwischen Beneteau und Seascape. Die slowenische Werft ist im Konzernverbund für alle First-Modelle von 40 Fuß an abwärts verantwortlich und hat sich unter anderem mit bisher allein drei Titelgewinnen bei Europas Yacht des Jahres einen erstklassigen Ruf erarbeitet.
Die First 30 schließt eine große Lücke im bisherigen Angebot, die zwischen der First 27 und 36 bestand. Wie bei allen Seascape-Entwürfen stammt die Konstruktion von Sam Manuard, einem der erfolgreichsten Architekten für Hochsee-Rennyachten. Als Stylist zeichnet Lorenzo Argento verantwortlich, den Beneteau eingebracht hat. Laminatplan und Struktur berechnete Giovanni Belgranos Pure Design & Engineering. Ein Team, das für seglerische Effizienz wie für visuelle Ästhetik bürgt und bereits die First 36 prägte.
Die Neue ähnelt ihr in Form und Proportionen sehr. Anders als bei der größeren Schwester jedoch waren bei der First 30 die Margen erheblich kleiner und die Spielräume in der Entwicklung deshalb deutlich enger. Vor allem das Ziel, im Nettopreis nicht die Marke von 100.000 Euro zu reißen, stellte das Team von Seascape-CEO Andraz Mihelin vor erhebliche Herausforderungen.
Weil zudem das Gewicht eine erfolgskritische Größe ist, um frühes Angleiten zu ermöglichen, wurde es eine Übung im intelligenten Weglassen – ohne aber grundlegende Komfortansprüche zu vernachlässigen. Tatsächlich bietet die First alles, was es zum Fahrtensegeln braucht: zwei Schlafzimmer, Küche, Bad und Seeterrasse. Die Doppelkoje im Vorschiff ist für ein sportliches Boot dieser Größe geradezu üppig und erreicht im Schulterbereich Queensize-Format; nur achtern wird es für zwei Erwachsene knapp.
Wie üblich bei Seascape sind die Möbelfundamente Teil der tragenden Struktur und genau wie Rumpf und Deck aus leichtem GFK-Sandwich laminiert. Im Standard gibt es nur eine per Magnete schließende Falttür – jene zur Nasszelle; und auch die besteht aus leichten Schaumplatten.
Vor dem Niedergang fehlen Bodenbretter; die finden sich nur im leicht erhöhten Salon. Dafür ist der Rumpfboden mit einem 6 Millimeter starken Belag aus Seacork beklebt, der wahlweise und gegen Aufpreis auch im Cockpit verlegt werden kann. So bleibt dort, wo es unter Deck am meisten zählt, mit 1,85 Meter genug Stehhöhe. Vor allem aber sparen all diese Maßnahmen Gewicht, weshalb die First 30 eine gute halbe Tonne weniger verdrängt als ihre vom Volumen her kleinere Vorgängerin von 2011, die noch komplett in Sperrholz ausgebaut war. Das sind Welten, und das spiegelt sich auch in der höheren Segeltragezahl des aktuellen Modells wider (5,2 vs. 4,9).
Die Computerillustrationen lassen die First 30 bei aller Dominanz von GFK-Flächen recht wohnlich erscheinen. Und das trifft vermutlich auch den Charakter, wenn man die Ausgestaltung der 36 vor Augen hat. Allerdings wird ihre Detaillierung nicht so umfassend sein.
Die farblich abgesetzten Textil-Paneele an den Rumpfwänden etwa sind ein aufpreispflichtiges Extra; im Standard gibt es hier wie in den Kabinen nur die „Raufaser-Optik“ von unverkleidetem, lediglich mit Acryllack beschichtetem Laminat. Man kann sich das Interieur aber gemütlicher machen. So stehen außer den Wandverkleidungen Warmwasserboiler und Heizung auf der Optionsliste. Ebenso lassen sich Magnettüren für die Kabinen und passende Stautaschen ordern.
Wünschenswert wäre noch eine Luke im vorderen Teil des Kajütaufbaus, um die Ventilation zu verbessern und Gennaker oder Code Zero in den Salon bergen zu können. Eine solche ist bisher nicht einmal als Extra vorgesehen. Die Werft bietet stattdessen Solarpaneele an, die vor dem Mast montiert werden, und verweist auf die 60er-Luke im Vorschiff. Immerhin gibt es serienmäßig seitliche Fenster in der Nasszelle sowie über der Pantry für die Querbelüftung.
Bemerkenswert: Die First verfügt über viel Stauraum an Deck. Ganz achtern fassen zwei Backskisten Gasflasche, Festmacher und Kleinzeug. Unter der Steuerbord-Ducht, erreichbar über eine große Klappe, stehen mehr als zwei Kubikmeter für die Lagerung von Fendern, Segeln und anderer Ausrüstung bereit, was in dieser Klasse mehr ist als sonst üblich.
Abweichend von den Werft-Renderings wird das Boot selbstverständlich mit einer CE-konformen Seereling ausgeliefert. Nach der vorläufigen Einstufung ist die First 30 bei einer Besatzung von bis zu zwei Personen für Kategorie A (Hochsee) zertifiziert – ein wichtiger Aspekt für die Zulassung zu anspruchsvollen Seeregatten. Bei bis zu sechs Mann Crew gilt Kategorie B.
Man sollte die Neue von Beneteau gleichwohl nicht als verkappten Racer missverstehen, obwohl sie bei Silverrudder, Baltic 500 oder MidsummerSail sicher gut vertreten sein wird. Im Kern ist sie ein Boot, das einer möglichst breiten Zielgruppe Segelspaß bereiten soll.
Seascape-Gründer Andraz Mihelin sieht die First 30 da in einer Tradition mit dem Original von anno 76, das ja auch einen Markt etabliert hat, der so noch gar nicht wirklich existierte. Deshalb hat der Visionär, der schon mit der Seascape 18 bewies, dass er gern jenseits von Konventionen denkt, für den Neun-Meter-Speedster eine eigene Kategorie ausgerufen: Statt von einem Performance Cruiser spricht er lieber von einem „Planing Cruiser“, wörtlich übersetzt: „Gleitkreuzer“.
Es ist ein großes Versprechen: Schon bei 3 bis 4 Beaufort soll sich die First 30 raumschots mühelos von ihrem eigenen Wellensystem lösen und zweistellig segeln. Ein Jahr später will er mit einer „Seascape Edition“, die noch leichter und potenter wird, eine weitere Leistungsstufe zünden – so wie mit der ebenfalls in Cannes angekündigten First 36 SE. Die Frage wird nur sein, ob ihm dafür nicht die Bauplätze ausgehen. Schon vor der Präsentation haben die Beneteau-Händler 50 Boote blind vorbestellt und anbezahlt. Im Februar beginnen die Auslieferungen. Gut möglich also, dass sich die Erfolgsgeschichte der ersten First 30 gerade wiederholt.
Das erste Modell entsteht aus den Formen der „L’Impensable“, Siegerin im Half Ton Cup. Kiel, Segelplan, Aus- und Aufbau werden angepasst. Bei ihrer Premiere auf der Pariser Yachtmesse ist sie der Star. Auch sportlich läuft es: Die First 30 wird das Boot für die Tour de France à la Voile und den Course de l’Aurore. Gebrauchtpreis: 8.000 bis 15.000 Euro.
Das von Jean-Marie Finot konstruierte Boot gilt als Maßstab in Bezug auf den kommerziellen Erfolg der Serie. Denn der Rumpf wurde nicht nur für die 31.7 verwendet, sondern auch für die erste Figaro, die First 310 und sogar für die Oceanis 300 und 311. Als Gebrauchtboot ist der Allrounder heute noch gefragt; gut erhaltene Exemplare kosten um 50.000 Euro.
Entwickelt von Star-Konstrukteur Juan Kouyoumdjian und Vendée-Sieger Michel Desjoyeaux, versprach die letzte First 30 viel. Doch sie litt unter dem schweren Ausbau; auch große Regattaerfolge blieben aus. Ihr Misserfolg stellte die gesamte Modellreihe infrage. Als flottes Fahrtenboot ist sie aber nach wie vor beliebt. Preis aktuell: 60–70.000 Euro.
GFK-Sandwich-Konstruktion, in Vakuum- Infusion mit Vinylesterharz laminiert. GFK-Innenausbau als Teil der Rumpfstruktur, ebenfalls Vakuum-infusioniert. Gusseisenkiel mit T‑förmiger Bombe
Neben der Großschotführung über eine Hahnepot und German Sheeting gibt es auf Wunsch auch einen Traveller mit Doppeltalje für Grob- und Feintrimm
Optional bietet Beneteau die First 30 statt mit Yanmar-Diesel auch mit einem elektrischen 6‑kW-Podmotor von Torqeedo an
Seascape d.o.o., Podpec 53, 1352 Preserje, Slowenien. www.beneteau.com/de