Bavaria 30 PlusGebrauchtboot-Test der Familienyacht im Pocketformat

Alexander Worms

 · 19.09.2024

Lässt sich auch von Siebener-Böen nicht aus der Ruhe bringen: die Bavaria beim Test in Friesland
Foto: YACHT/B. Kolthof
Eine echte kleine Yacht möchte die Bavaria 30 Plus sein. Das gelingt ihr auch, allerdings nur mit Abstrichen bei wichtigen Komfortmaßen. Was sie sonst noch in petto hat: der Test

Zugegeben: Den Test einer Bavaria mit einer Geschichte über eine Dehler zu beginnen mag seltsam erscheinen. In diesem Fall aber ist dies durchaus logisch. Denn: 1992 war Dehler die größte deutsche Werft und damit Marktführer.

Die Duetta 94 hieß neuerdings Dehler 31 und hatte neben der Pinne auch die Option auf ein Rad im Cockpit. Und zwei separate Kabinen unter Deck mit insgesamt vier festen Kojen. Sportlich fuhr sie obendrein, die Werft hatte durch diverse Erfolge auf der Regattabahn einen gewissen Pedigree erworben, was die Segeleigenschaften der Yachten angeht. Wenn Bavaria als neue Werft im Lande da mitspielen wollte, musste was Sportliches her, das obendrein alle Merk­male einer typischen Yacht aufwies. Dabei musste es günstig und handlich bleiben, das wusste man auch in Giebelstadt.


Gebrauchtboot-Steckbrief

  • Typ: Bavaria 30 Plus
  • Konstrukteur: J&J Design
  • Gebaut: 1993–1996
  • Stückzahl: unbekannt
  • Neupreis: 63.400 Euro
  • Gebrauchtpreis aktuell: 30–49.000 Euro

Stand 01/2024, wie die ausgewiesenen Preise definiert sind, finden Sie hier!


Keine einfache Aufgabe für Bavaria, sich gegen den Platzhirsch Dehler zu behaupten. Bis dato zeichnete der deutsche Konstrukteur Axel Mohnhaupt die Bavarias. Zu den bekannten Entwürfen zählten die 300, 320, 340 und 350. Das Einstiegsmodell war seinerzeit die 30. Sie wurde dann durch die 30 Plus im Programm ergänzt.

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Gleichzeitig wurde die nicht mehr von Mohnhaupt gezeichnet, sondern durch die Slowenen von J&J Design, die gleich noch den sogenannten Plug, also die Posi­tivform frästen und darüber die Formen für die Laminierarbeit herstellen konnten. Das war praktisch und günstig. Und J&J zeichneten schnelle Entwürfe, die sich gut, also mit vergleichsweise wenigen Arbeitsstunden, bauen ließen. Das Schiff bekam ein eher sport­liches 7/8-Rigg und war etwas schmaler und leichter als die alte 300, aber auch größer und teurer als die zeitgleich angebotene 30 ohne den Zusatz „Plus“.

Die 30 kostete rund 90.000 Mark, die 30 Plus wurde ab 124.000 Mark angeboten. Sie war länger und hatte zwei separate Kammern. Bei der normalen 30 war das Vorschiff zum Salon hin offen. Um gegen die Dehler 31 bestehen zu können, wurde eine Version mit Steuerrad angeboten. So sah man sich bei Bavaria gut aufgestellt, um die Konkurrenz aus dem Sauerland zumindest zu ärgern. Ob das gelang, kann man heute nicht sagen, denn Bavaria weiß nicht, wie viele 30 Plus gebaut wurden; auf solcherlei Zahlenspielchen legte man seinerzeit keinen Wert. An die rund 500 Dehler 31, die gebaut wurden, reicht die 30 Plus jedoch wohl nicht heran. Ein Blick in die Marinas zeigt das, denn dort ist sie eher selten vertreten. Schade, denn eigentlich ist das Paket ein gutes.

Alles da – in klein

Beim Tiefgang konnte man zwischen 1,05 und 1,45 Metern wählen. Weiterhin sollte auf den 9,25 Meter Rumpflänge alles untergebracht werden, was auf eine Yacht gehört: zwei Kammern, Salon, Pantry, Navitisch und Nasszelle. Um es vorwegzunehmen: Das hat nur leidlich gut geklappt. Es ist alles da, das schon – aber alles ist etwas zu klein geraten. Einige Beispiele: Die Stehhöhe beträgt unter dem Niedergang gerade mal 1,76 Meter, die Höhe über der inneren Koje achtern lediglich 25 Zentimeter. Diese ist allerdings auch nur 1,80 Meter lang, und die drei Türen sind je nur 36 Zentimeter breit.

Das sorgt bei klaustrophobisch veranlagten Menschen schnell für Beklemmung. Mit Rettungsweste in die Nasszelle? Unmöglich. Kurzum: Das Schiff wirkt wie eine zu heiß gewaschene Version einer Yacht. Das mag hart klingen, wer sich jedoch für solch eine Bavaria interessiert, muss sich darüber im Klaren sein, dass wichtige Komfortmaße klein geraten sind. Gehört man selbst nicht zu den größeren Menschen, dann kann das gut und gerne ausreichen, ab 1,75 Meter Körpergröße wird es jedoch unter Deck unbequem.


Auch gut: Drei Alternativen im Überblick

Gebrauchte Boote um die 30 Fuß, die rund 35.000 Euro kosten, gibt es einige. Wir stellen drei davon kurz vor:

Dehler 31: Als Duetta 94, Dehler 31 und 32 rund 1000-mal gefertigt und daher gebraucht gut zu bekommen. Auch mit Pinne sowie mit offener oder separierter Achterkammer am Markt. Guter Segler, sichere Ersatzteilversorgung, solider Bau
Foto: YACHT/B. Scheurer

Dafür aber passt die Bavaria in Häfen, in denen das Schiff etwas über die Box herausragen darf, in einen günstigen neun mal drei Meter messenden Liegeplatz. Und: Pantry, Navi und Nasszelle funktionieren ansonsten prima, alles ist vorhanden. Und erfreulich gut verarbeitet. Viel Massivholz und üppige Umleimer zeugen von einem durchaus gehobenen Qualitätsanspruch. Bei Dehler regierte zu der Zeit tiefgezogenes Plastik unter Deck. Die Bavaria 30 Plus hingegen kommt ganz schön schiffig daher.

Wo es geht, ist Stauraum vorhanden, Schränke gibt es einige. Leider öffnen die Luken in der Pantry nach oben, so kann man schlecht hineinsehen. Das ist allerdings auch nicht erforderlich, denn der Inhalt fällt beim Öffnen bereitwillig heraus. Den Eigner des Testschiffes ficht das alles nicht an: „Wir suchten ein sicheres und handliches Boot für unsere Familie. Zu viert machen wir entspannte Familienurlaube an Bord. Und der geringe Tiefgang von einem Meter ist ideal, da wir mit den Kindern, solange die noch klein sind, am liebsten in Friesland binnen bleiben.“

Sicher trotz viel Wind

Verhältnisse wie am Testtag hat die Bavaria, die auf den Gewässern rund um Berlin fuhr, bevor sie in die Niederlande kam, wohl eher selten erlebt: Satte 6 Beaufort, in Böen bis in die 7. Eigentlich gute Testbedingungen. Auf den Binnengewässern sind die Wellen klein, aber die Böen umso heftiger. Und da macht sich der geringere Tiefgang durchaus bemerkbar: Haut ein Drücker ins Rigg, krängt die Bavaria gleich kräftig weg. Der Ruderdruck nimmt etwas zu, zu einem Sonnenschuss hat es jedoch nie gereicht. Im Gegenteil: Gefühlt wäre auch mehr Segelfläche drin gewesen, aber bei einem Gebrauchtboottest ist nie klar, wie alt die Ver­stagung und die Segel wirklich sind. Insofern gilt: Nicht übertreiben und dem Eigner das Schiff ruinieren.

Besser segeln mit Pinne

Der Eindruck, den die Bavaria hinterlässt, ist trotz kurzem Kiel gut: Zwar legt sie sich, auch wegen der recht ausgewehten Segel, ordentlich auf die Backe, fährt dann aber schön los. Drei Tonnen Gewicht sind eben auch nicht viel. Am Ruder bleibt sie dabei gut kontrollierbar. Dank des 7/8-Riggs lässt sich mit dem Achterstag prima Druck rausnehmen. Mit einer Hand an der Großschot, um diese nötigenfalls schnell loszuwerfen, fühlt sich alles sehr sicher und kontrolliert an. Während die Bedienung des Groß­segels mittels Curryklemme auf dem Kajütdach für den Steuermann hinter dem Rad möglich ist, sind die Vorschoten außer Reichweite.

Wirklich einhandtauglich ist sie daher nur mit Pinne, denn dann kann der Steuermann auch das Vorsegel fahren. Die Pinne ist ohnehin die bessere Wahl, da der Raum hinter dem Rad sehr eng ist. Eine bequeme Steuerposition lässt sich nicht finden. Zudem würde eine Pinne im Hafen einfach hochgeklappt und wäre damit aus dem Weg. Die Steuersäule aber bleibt. Und stört irgendwie. Die erhöhte Sitzposition achtern in der Mitte hilft beim Steuern wenig – von dort können nur Sitzriesen über die Sprayhood schauen. Das breite Süll hingegen würde mit dem Ausleger der Pinne in der Hand fraglos sinnvolle Segelpositionen bieten.

Ein wichtiger Sicherheitsaspekt ist jedoch, dass man das Cockpit zu keiner Zeit verlassen muss, alles ist dorthin umgelenkt. Das sorgt für teils schwergängiges Arbeiten, aber das ist nur eine Frage höherwertigerer Beschläge. Was allerdings stört, ist die Sprayhood. Sie ist sowohl an den Winschen auf dem Kajütdach als auch an denen auf dem Süll im Weg; ratschenartiges Hin- und Her ist die Folge. Die Segelflächen sind überschaubar, daher ist das durchaus machbar, eine freie Drehung an der Kurbel für die Vorschot beschleunigt Manöver jedoch enorm. Angesichts der besonderen Bedingungen hinterlässt die Bavaria 30 Plus einen soliden Eindruck unter Segeln. Zu keiner Zeit, auch nicht in den kräftigen Böen, kommt ein Gefühl der Unsicherheit auf. Man ist und bleibt Herr der Lage. Dabei springt das Schiff gleich gut an und sorgt für einiges Segelvergnügen. Das ist fein. Ein Modell mit tiefem Kiel macht sicher noch mehr Spaß. Das möchte man durchaus mal ausprobieren. Und das ist damit auch ein Tipp zum Boot: Wer es sich vom Revier her erlauben kann, sollte die Version mit tiefer Flosse wählen, das reduziert die Abdrift am Wind sicher erheblich.

Gute Substanz, wenige Macken

Bavarias sind im Grunde solide gebaut, so auch die 30 Plus. An einigen Stellen aber zeigen sich durchaus Schwächen. So waren auf dem Deck des Testschiffes häufig Haarrisse im Gelcoat zu erkennen, besonders im Bereich der Relingfüße. Auch die Fußreling, die durch Rumpf und Deck verschraubt ist, neigt zu Leckagen. Besonders neuralgische Punkte scheinen die achteren Endbeschläge zu sein. Auch beim Testschiff zeigte sich in der Achterkammer bereits ein leichter Wassereintritt. Ebenso anfällig für Lecks scheinen der Mastfuß und die Durchführung der innenliegenden Püttinge zu sein, so steht es in den Foren der Eignerclubs zu lesen. Die Püttinge sind weiter unten aber sehr solide mit dem Rumpf verbunden. Die Stabilität steht also nicht in Frage, es geht nur um die Dichtheit des Decks.

Kritisch hingegen sind die Risse im Bereich des hinteren Kielbolzens auf dem Testschiff. Hier ist eine Flanschfläche des Strongbacks zum Rumpf gerissen. Der Schaden ist jedoch keineswegs typisch für diesen Boots­typ, er kann in jedem Schiff mit angebolztem Kiel entstehen.

Wer mit den eher kleinen Komfortmaßen leben kann, findet eine vollwertige Yacht, die obendrein sicher und agil segelt und gut verarbeitet ist. Die Edelstahlteile an und unter Deck zum Beispiel sind auffallend üppig dimensioniert. Auch die Holzarbeiten sind solide. Das gilt fraglos auch für Deck und Rumpf. Leckagen, die nach fast dreißig Jahren auftreten, lassen sich allesamt mit etwas handwerklichem Geschick beherrschen.


Modellhistorie und Markt

Die Bavaria 30 Plus wurde von Januar 1993 bis Dezember 1996 gebaut. Modellversionen gab es nicht, nur den Unterschied zwischen dem tiefen und dem flachen Kiel und mit Pinne oder Rad. Es wurden Yanmar- oder Volvo-Motoren verbaut. Der MD 2020 von Volvo verfügt über eine Zweikreiskühlung und drei Zylinder, der Zweizylinder von Yanmar ist direkt gekühlt. Obwohl doppelte Kühlkreisläufe für eine längere Lebensdauer sprechen, kann auch der Yanmar noch lange problemlos funktionieren, er gilt als äußerst robust. Je nach Ausstattung, Liegeplatz und Alter kostet eine Bavaria 30 Plus derzeit zwischen 30000 und 40000 Euro. Wegen der Breite unter drei Metern ist ein Transport etwa vom Mittelmeer nicht allzu kostspielig. Bavarias sind gebraucht gefragt, da heißt es nicht zu zögern.


Die Messwerte zum Test der Bavaria 30 Plus

Windgeschwindigkeit: 24 kn (6 Bft.), Wellenhöhe: Dünung ca. 0,3 Meter

Die Bavaria 30 Plus im Detail

Alles da auf neun mal drei Metern. Auch die Linien gefallen. Klar, dass dann Stehhöhen und Kojen klein geraten | Zeichnung: YACHT/N. CampeAlles da auf neun mal drei Metern. Auch die Linien gefallen. Klar, dass dann Stehhöhen und Kojen klein geraten | Zeichnung: YACHT/N. Campe

Technische Daten der Bavaria 30 Plus

  • Konstrukteur: J&J Design
  • Bauüberwachung: Lloyds 100-A5
  • Gesamtlänge: 9,25 m
  • Breite: 2,95 m
  • Tiefgang/alternativ: 1,42/1,05 m
  • Gewicht: 3,3 t
  • Ballast/-anteil: ca. 1 t/30 %
  • Großsegel: 19,5 m2
  • Rollgenua (120 %): 21,7 m2
  • Maschine (Yanmar): 13 kW/18 PS

Rumpf- und Decks­bauweise

Polyesterharz, Handauflegeverfahren, äußere Lagen mit Iso-Harz. Schaumkern, im Kielbereich massives E-Glas

Preis und Werft

  • Grundpreis ab Werft 1992: 63.400 €
  • Gebrauchtpreis heute: 30–49.000 €
  • Gebaut von/bis: 1993–1996
  • Stückzahl: unbekannt

Stand 01/2024, wie die ausgewiesenen Preise definiert sind, finden Sie hier!

Werft

Bavaria Yachtbau GmbH, Giebelstadt

Vertrieb

Händlernetz und Makler. www.bavariayachts.com

YACHT-Bewertung der Bavaria 30 Plus

Eine Familienyacht im Pocket­format. Dabei gut gebaut und mit ordentlichen Segeleigenschaften. Für kleiner gewachsene Menschen ein gutes Boot. Wenn möglich, mit Pinne und tiefem Kiel kaufen

Konstruktion und Konzept

  • + Solide Struktur und Bodengruppe
  • + Geringer Tiefgang möglich
  • - Position Steuersäule

Segelleistung und Trimm

  • + Sicheres Steuergefühl
  • + Sehr gut trimmbares Rigg

Wohnen und Ausbauqualität

  • + Viel Licht im Salon dank Skylight
  • + Hochwertiger Holzausbau
  • - Kojenmaße und Stehhöhen zu klein

Ausrüstung und Technik

  • + Kräftiger Traveller
  • + Umgelenkte Fallen
  • - Sprayhood stört beim Kurbeln

Augen auf beim Bavaria-Kauf

Die meisten Probleme rühren von Leckagen her. Die lassen sich mit etwas handwerklichem Geschick auch selbst beheben. Ansonsten ist die Bavaria sehr solide.

Gerissen 1: Auf dem Testschiff löste sich am achteren Kielbolzen das Winkellaminat am Strongback. Hier gilt besondere Vorsicht
Foto: YACHT/B. Kolthof

Die Bavaria 30 Plus im Video

Dieser Artikel erschien erstmals in YACHT 22/2021 und wurde für diese Online-Version aktualisiert.


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