Alexander Worms
· 11.09.2023
Ja. Wir fuhren bei 5 bis 6 Beaufort und 1,5 Meter Welle zunächst unter Genua hoch am Wind aus Vlissingen in Richtung Blankenberge. Das waren zwar heftige Bedingungen, aber das macht ja auch Spaß. Viel Spritzwasser, Segeln eben, Skipper und Crew konnten damit gut umgehen. Um Raum zu den Untiefen zu bekommen, haben wir aber die Maschine angemacht und sind genau nach Luv motort. Nach etwa einer Meile verhielt sich das Boot seltsam, es drehte sich um 360 Grad. Ich dachte zunächst, der Autopilot wäre ausgefallen. Also habe ich den aus- und wieder eingeschaltet. Das Verhalten des Bootes blieb aber seltsam.
Plötzlich ging der Bilgenalarm, da saßen wir eingepickt im Cockpit. Ein Besatzungsmitglied hat dann unter Deck nachgeschaut, da stand schon extrem viel Wasser im Boot. Bodenbretter und Kissen schwammen durch den Salon.
Das Wasser stieg unheimlich schnell. Im Seegang hatte ich vorher nicht bemerkt, dass das Schiff schon über den Bug wegsackte. Dann habe ich einen DSC-Alarm ausgelöst, für einen Funkspruch blieb keine Zeit. Das Funkgerät ist im Salon, den Bestätigungston konnte ich schon nicht mehr hören, das Gerät war da bereits unter Wasser. Später haben wir von der KNRM erfahren, dass der Alarm um 13.30 Uhr gehört wurde. Meine Entscheidung zur Evakuierung war gefallen. Also schnell zurück ins Cockpit, den drahtlosen Handhörer hatte ich dabei, da das Gerät im Schiff aber wie gesagt schon geflutet war, nützte der nichts. Die Rettungsinsel befand sich zum Glück in der Backskiste achtern, zu zweit hatten wir diese schnell auf dem Wasser. Das Auslösen der Insel war unproblematisch, in wenigen Sekunden war sie aufgeblasen, lediglich das Auge an der Leine war zu klein und passte nicht um die Klampe, dadurch musste ich die Leine umständlich in der Hand halten. Sicher ein Punkt, den ich zukünftig immer überprüfen werde.
Nun ja, wir waren zu dritt, bei einem Crewmitglied war dann doch viel Panik im Spiel, wodurch das Umsteigen etwas schwierig wurde. Das Boot sank aber sehr schnell, also sind wir rüber. Zu dem Zeitpunkt wusste ich jedoch nicht, ob der Notruf gehört worden war. In der Insel sahen wir das Boot untergehen. Ein beklemmendes Gefühl.
Ja. Etwa eine Stunde später hat uns die KNRM aus Breskens aufgesammelt. Wir waren zu diesem Zeitpunkt schon mehrere Meilen vom Unglücksort entfernt, so eine Rettungsinsel kann verdammt schnell sein. Es war richtig was los auf dem Wasser. Helikopter, diverse Stationen der KNRM und die Retter aus Blankenberge haben uns gesucht. Die hatten ja zu diesem Zeitpunkt keinerlei Informationen außer der Standortangabe des Unglücks. Ein passierendes Schiff hat dann die Insel gesehen. Die Retter haben mir nachher erzählt, dass es für sie im Seegang schwierig war, uns überhaupt zu orten. Wir hatten in der Insel diverse Notfackeln. Die haben wir erst gezündet, als wir den Rettungskreuzer sahen. Zu dem Zeitpunkt hatte ich auch schon über mein Handy Kontakt mit der 112 an Land. Darüber konnten wir die Rettungsboote zu unserer Position bringen, so haben die uns gefunden. Das war alles sehr professionell, was die gemacht haben. Auch meine Crew hat hervorragend funktioniert, selbst wenn es zeitweise wirklich stressig war.
Ja, ein Totalschaden, sie ist zwei Tage nach dem Untergang gehoben worden.
Dazu muss ich etwas ausholen. Ich fahre meistens einhand und wollte ein kräftiges Bugstrahlruder. Das originale Tunnelbugstrahlruder von Bavaria war mir nicht stark genug. Daher habe ich auf Empfehlung des Bavaria-Händlers im niederländischen Lemmer ein ausfahrbares Bugstrahlruder von Sleipner ins neue Boot einbauen lassen. Ein Gutachter hat nach der Bergung des Wracks festgestellt, dass das Strahlruder im Seegang aus dem Rumpf nach innen gedrückt worden war. Dies war auch nach dem Untergang meine Vermutung und nach der 360-Grad-Drehung logisch. Der Wassereinbruch vorn wirkte als Bremse, und der Motorschub von achtern löste die Drehung aus. Durch das große Loch im Bug drang sehr viel Wasser ins Schiff, verstärkt durch die Fahrt, die wir voraus gemacht haben. Nach Rekonstruktion durch Experten betrug die Zeit von der Auslösung des Bilgenalarms bis zum kompletten Untergang drei Minuten. Eine Minute davon blieb uns, um alle Maßnahmen zu treffen und das sinkende Schiff zu verlassen. Dank der Einweisung wusste meine Crew genau, was zu tun ist, und hat mich sehr gut unterstützen können. Alle persönlichen Sachen mussten allerdings an Bord bleiben. Dafür war leider einfach keine Zeit.
Dazu kann ich nichts sagen, allerdings trifft in meinem Fall Bavaria in Giebelstadt wohl keinerlei Schuld. Die haben mit dem Einbau nichts zu tun gehabt. Die Werft in Lemmer, die das System nachgerüstet hat, muss sich jedoch wohl einige Fragen von Rijkswaterstaat, der Polizei und der Versicherung, der Staatsanwaltschaft und unseren Anwälten gefallen lassen.
Rettungsinsel immer, auch küstennah. Und zwar ans Heck. Auf dem Kajütdach wäre sie für uns nutzlos gewesen. Zudem ein Handfunkgerät im Cockpit, um es jederzeit mitnehmen zu können. Und zuletzt unbedingt eine Epirb und zusätzlich noch PLBs. Die hatten wir nicht. Sie hätten uns aber Gewissheit gegeben, dass unser Notruf auch gehört wurde. Die fehlte uns; das war ein ungutes Gefühl.
Nein, den Vorfall habe ich gut verdaut. Ich muss mir nichts vorwerfen, und meine Crew ist mit dem Schrecken davongekommen. Ein neues Boot habe ich schon bestellt, es wird in zwei Wochen geliefert. Die Saison ist ja noch lang und Segeln meine Leidenschaft.
Natürlich! Und wieder ein ausfahrbares. Von dem Konzept bin ich nach wie vor überzeugt. Den fachgerechten Einbau habe ich mir zeigen lassen, damit wird es diesmal ganz sicher keine Probleme geben. Im Vergleich mit dem Einbau auf der „Mrs. Jones“ wirkt das alles sehr solide und professionell. Die vom Bavaria-Händler beauftragte Werft hatte wohl einfach Mist gebaut. Das hat mir der für die Niederlande zuständige Sleipner-Importeur auch so bestätigt. Das Ganze hätte für uns also auch richtig böse ausgehen können.