Schwachstelle BugstrahlruderZwei Havarien zeigen, wie wichtig der korrekte Einbau ist

Alexander Worms

 · 11.09.2023

Die „Mrs. Jones“ sank im Juli nach Wassereinbruch im Bugbereich. Die Crew floh in die Rettungsinsel
Foto: privat
Ausfahrbare Bugstrahlruder sind zweifellos eine hilfreiche Erfindung. Ihr Einbau verlangt jedoch äußerste Sorgfalt. Die fehlt mitunter, wie jüngst zwei Fälle zeigten

Mitte März dieses Jahres sinkt vor Laboe eine Jeanneau. Die Crew kommt mit dem Schrecken davon, sie kann ins Dingi steigen und darin ausharren, bis Retter eintreffen. Den Seglern bleiben nur wenige Minuten zwischen dem Moment, in dem der Wassereinbruch bemerkt wird, und dem Untergang. Im Juli passiert das Gleiche auf einer Bavaria C 38 in der Westerschelde vor Cadzand. Auch hier bleiben der deutschen Besatzung nur wenige Minuten, um sich in Sicherheit zu bringen.

In beiden Fällen stellen Gutachter fest, dass ein ausfahrbares Bugstrahlruder den jeweils ähnlichen Seebedingungen von 5 bis 6 Beaufort und rund ein bis anderthalb Meter Seegang nicht gewachsen war. Die Strahler wurden schlicht nach innen in den Rumpf hineingedrückt. Die Folge: große Löcher im Rumpf, durch die schnell viel Wasser eindrang.

Beide Male befinden Gutachter, dass die Befestigung der Bug­strahlruder­gehäuse nicht fachgerecht ausgeführt war. Der Unterschied: Bei der Jeanneau war das Strahlruder ab Werft installiert, bei der Bavaria nicht. Hier hatte der Händler eine lokale Werft beauftragt, das Gerät nachträglich einzubauen.

Moderne Rumpfformen erzeugen plötzliche Lastspitzen im Bugbereich

Doch wie genau muss solch eine Montage erfolgen? Der Bugbereich moderner Yachten ist besonders voluminös. Das bedeutet, dass dort sehr viel Auftrieb erzeugt wird. Dieser Auftrieb beim Eintauchen in die Welle baut sich jedoch nicht langsam auf wie bei einem V-förmigen Vorfuß, sondern ist mehr oder weniger unmittelbar vorhanden, sobald der Bug in eine Welle einsetzt. Das erzeugt dort Lastspitzen. Die muss die Konstruktion des ausfahrbaren Bugstrahlers aufnehmen können.

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Das ist von den Herstellern berechnet und bei der Auslegung auch berücksichtigt. Die Achillesferse des Systems ist die Verbindung des Bugstrahlergehäuses mit dem Rumpf. Auf der Habenseite steht dabei, dass die kastenförmige Struktur ähnlich wie ein Strongback im Kielbereich versteifend wirkt. Doch auch dort ist der Knackpunkt das sogenannte Anlaminat, das die Struktur mit dem Rumpf verbindet.

Und genau hier bleiben die Einbauanleitungen der Hersteller etwas vage. Immerhin: Vetus empfiehlt, unbedingt Epoxidharz zu verwenden, und rät ausdrücklich von Polyesterharzen ab. Sleipner schreibt vor, dass bei Sandwichrümpfen zunächst Innenlaminat und Kernmaterial bis zehn Zentimeter um das Gehäuse entfernt und durch Massivlaminat ersetzt werden. Dann soll anlaminiert werden.

Anleitung zum Einbau eines Bugstrahlruders von SleipnerFoto: SleipnerAnleitung zum Einbau eines Bugstrahlruders von Sleipner

Einbau Bugstrahlruder: Das Laminat muss stark genug sein

Doch: Wie dick und wie breit soll der Flansch sein? „Ausreichend stark“, steht in einigen Anleitungen. Zusätzlich möge man Konstrukteure oder die Werft befragen. Immerhin: Vetus rät zu mindestens 1x 300 Gramm sowie 5x 600 Gramm starken Geweben.

Helge von der Linden berät mit seiner Firma M.u.H. von der Linden Werften, die solche Einbauten durchführen. „Wir empfehlen eine Flanschbreite von 20:1. Die 1 steht dabei für die Dicke des Laminats.“

Von der Linden weiter: „Das Anlaminat muss mindestens so dick sein wie das eigentliche Laminat, um die gleiche Festigkeit zu erreichen. Ist der Rumpf also innen zum Beispiel 4 Millimeter und außen 8 Millimeter dick, ohne das Kernmaterial, so muss der Flansch (4 + 8) x 20, also 240 Millimeter breit sein, das Anlaminat 12 Millimeter dick.“

Verbindung von Rumpf und Gehäuse des Bugstrahlruders muss äußerst solide sein

Eine ordentliche Hohlkehle sorge für bessere Anhaftung. Die Anpassung des Bug­strahlrudergehäuses an die Rumpfbiegung kann durch angedicktes Harz erfolgen oder je nach Hersteller durch Zuschneiden des Gehäuses selbst. Wichtig aber bleibt die Verbindung von Gehäuse und Rumpf. Sie muss sehr sorgfältig und äußerst solide ausgeführt werden.

Jeanneau hat anlässlich des Unglücks eine Rückrufaktion gestartet. Die Lösung, die der After-Sales-Service der Werft anbietet, ist recht simpel: Es werden Löcher in den Flansch gebohrt, in die dann Strukturkleber gespritzt wird. „Das ist aus Sicht zweier Sachverständiger nicht ausreichend“, sagt Jochen-P. Kunze.

Kunze ist auf Sportbootrecht spezialisierter Anwalt, er vertritt den Eigner  der gesunkenen Jeanneau. „Auch wenn der Kleber an sich stark genug ist, so bleibt unklar, in welchem Zustand sich die Flansche befanden, bevor das Gerät verbaut wurde. Waren diese angeschliffen und entfettet? Wenn nicht, hält da natürlich der beste Kleber der Welt nicht drauf“, sagt Kunze. Kunden, die von Jeanneau eine solche Lösung angeboten bekämen, sollten sie ablehnen und auf eine fachgerechte Reparatur bestehen, so der Anwalt, auch wenn diese sehr aufwändig sei.

Darauf sollten Eigner bei ihrem Bugstrahlruder achten

Ist auf der eigenen Yacht ein ausfahrbares Strahlruder installiert, sollte man die Verbindung von Gehäuse und Rumpf unter die Lupe nehmen: Ist ein ausreichendes Anlaminat vorhanden? Wurde zuvor das Topcoat vom Rumpf entfernt, gibt es also Schleifspuren? Zeigen sich Risse? Löst sich gar das Laminat oder der Kleber an den Rändern vom Rumpf? Dann ist Vorsicht geboten! Im Zweifel lässt man einen Gutachter ran.

Mit dessen Ergebnis kann dann bei Bedarf das Unternehmen, welches das Gerät eingebaut hat, angesprochen werden. Ist das schon lange her, besteht jedoch kein Anspruch mehr auf Gewährleistung. Sprich, es kann teuer werden.

Mit etwas Geschick lässt sich ein Anlaminat auch selbst anbringen. Dazu muss das Schiff auf dem Trockenen stehen. Experte von der Linden rät, nach sorgfältigem Schleifen und Entfetten mit der größten Laminatbreite zu beginnen, um in der ersten Lage eine maximale Klebefläche zu erhalten, und danach sukzessive etwas kleinere Streifen zu verwenden, bis die gewünschte Stärke erreicht ist. Wenn man dann ohnehin mit Schleifgerät, Harz und Glasgeweben unterwegs ist, sei es eine Überlegung wert, den Bereich, in dem der Bugstrahler verbaut ist, bis über die Wasserlinie als wasserdichtes Compartment auszuführen. So würde im Fall einer Leckage nur dieser Bereich voll­laufen – und das Schiff vor dem Sinken be­wahrt.


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