Orca-AttackeWalangriff auf deutsche Segelyacht vor Spanien

Michael Rinck

 · 13.09.2023

Orca-Attacke: Walangriff auf deutsche Segelyacht vor SpanienFoto: Clara Weimer
Der Orca neben der “Meu”
Das Ausbildungsschiff “Meu” des Lübecker Yacht-Clubs wurde an der spanischen Atlantikküste von Killerwalen angegriffen und die Ruderanlage stark beschädigt. Die Skipperin Clara Weimar hat uns ihre Eindrücke geschildert

Unter dem Titel “Meu goes Karibik” startete das Clubschiff des Lübecker Yacht-Clubs, eine Comfortina 38, Anfang August in Travemünde. Der alljährliche Kettentörn sollte dieses Jahr anlässlich des 125. Clubjubiläums deutlich ambitionierter ausfallen. Clara Weimer hat in diesem Frühjahr ihr Nautikstudium abgeschlossen und ist für die 14-monatige Reise Skipperin der “Mwu”. Die Crew wechselt etwa alle zwei Wochen.

Die Nachricht des Walangriffs war seit dem Wochenende schon Thema in mehreren überregionalen Medien. Hier beschreibt Clara Weimer die Orca-Attacke und die Folgen:

“Am 02.09. begann die 3. Etappe mit Hannah Gerlach, Bosse Fahrenkrog, Jonas Gerlach, Kjell Stauch und Clara Weimer in Brest. Am Sonntagmittag sind wir mit Ziel Galicien ausgelaufen. Welchen Hafen wir genau ansteuern wollten, hatten wir da noch nicht festgelegt. Am Mittwochmorgen kamen wir dann an der Küste Galiciens an und kreuzten mit 2. Reff und Genua 3 an der Küste Richtung Süden. Wir hatten uns gerade für den Hafen Fisterra entschieden und waren guten Mutes, weil es nur noch circa 15 Seemeilen sein würden. Bosse stand am Steuer und plötzlich wurde ihm das Steuerrad aus der Hand gerissen. Wir schauten uns ein bisschen verwirrt an und wussten erst nicht, was es war, und dann ist kurz danach ein Orca aufgetaucht, und da wussten wir Bescheid. Das war um 13:20 Uhr. Nach dem zweiten Schlag gegen das Ruder konnten wir schon nicht mehr nach Backbord steuern, weshalb wir einen Pan-Pan-Ruf abgesetzt haben. Der Dringlichkeitsanruf wurde direkt vom lokalen MRCC beantwortet. Daraufhin schickten sie ein Boot raus, das nach etwa einer Stunde vor Ort war.

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Währenddessen haben wir auf See den Motor gestartet, aber leider konnten wir aufgrund des beschädigten Ruderblattes nur noch im Kreis fahren. Da die Geräusche aus der Steuersäule richtig übel klangen, dachten wir, dass die Mechanik innerhalb der Säule beschädigt wurde und wir deshalb nicht mehr steuern könnten. Daraufhin haben wir die Notpinne montiert, was sich im Nachhinein als nicht wirklich hilfreich erwiesen hat, da der Ruderschaft von den Orcas um 90 Grad umgebogen wurde und wir somit auch mit Notpinne keine Steuerwirkung hatten. Während wir die Notpinne montierten, haben wir unter Deck die Bilgen beobachtet und bald festgestellt, dass Wasser eindringt. Durch die große Hebelwirkung sind Risse im Rumpf rund um den Ruderschaft aufgetreten, wodurch das Wasser ins Schiffsinnere gelangte. Mit Leak Hero versuchten wir es abzudichten, aber konnten es – wenn überhaupt – nur reduzieren. Beim Versuch, es abzupumpen, ist der Pumphebel der Bilgepumpe gebrochen, weshalb wir es dann ganz klassisch mit der Pütz außenbords befördern musste. Alle 20 bis 30 Minuten mussten wir etwa 30 Liter Wasser pützen.

Beim Schlepp Richtung Hafen hat uns das Rettungsboot gebeten, unseren Treibanker für mehr Kursstabilität auszubringen, da wir bei 1,5 bis 2 Meter Welle von schräg achtern geschleppt wurden. Leider sind uns beim Ausbringen aber dreimal die Leinen des Treibankers gerissen, was eine etwas ernüchternde Erkenntnis für uns war.

Das demontierte Ruder: Die Ruderwelle ist um 90 Grad verbogen, ein Neubau unumgänglichFoto: Clara WeimerDas demontierte Ruder: Die Ruderwelle ist um 90 Grad verbogen, ein Neubau unumgänglich

Im Hafen angekommen, stellten wir fest, dass der uns versprochene Hafen mit angeblich allen Möglichkeiten, ein Ruder zu reparieren, eher ein lebendiges, aber kleines Fischerdörfchen ist. Zum Glück aber über einen Travellift verfügt! Nach der Begrüßung durch einen sehr netten und überaus hilfsbereiten Hafenmeister, der überdies auch noch Englisch sprach, war unser Plan, die ‘Meu’ schnellstmöglich aus dem Wasser zu heben. Aber leider war der Travellift noch belegt. Es hieß, dass wir in ein bis zwei Tagen gekrant werden könnten. Zum Glück konnte das andere Schiff auf einen Bock umgelagert werden, sodass wir um 20:00 Uhr mit dem Kranen beginnen konnten. Da wir nicht mehr selber steuern konnten, haben uns andere nette Segler aus dem Hafen mit ihrem Beiboot geschleppt und in die Gurte manövriert. Leider hat dann aber der Travellift gestreikt, und sie konnten uns nicht an Land fahren. Glücklicherweise waren wir zu dem Zeitpunkt schon so weit aus dem Wasser gehoben, dass wir nicht mehr pützen mussten und die Nacht durchschlafen konnten.

Die vom Walangriff beschädigte Ruderanlage: Erst nach dem Kranen wird das Ausmaß des Schadens sichtbar. Durch das stark beschädigte untere Ruderlager drang Wasser ins Schiff einFoto: Clara WeimerDie vom Walangriff beschädigte Ruderanlage: Erst nach dem Kranen wird das Ausmaß des Schadens sichtbar. Durch das stark beschädigte untere Ruderlager drang Wasser ins Schiff ein

In den nächsten beiden Tagen gab es viel zu organisieren und zu klären. Dabei wurden wir tatkräftig aus Lübeck unterstützt, wodurch wir in Windeseile eine Werft auftreiben konnten, die sich den Schaden Freitagmorgen angeguckt hat. Am nächsten Tag bekamen wir direkt das Angebot, das von der Versicherung wenige Stunden später freigegeben wurde und somit die Reparaturen am Montag losgehen konnten.

Die Skipperin der “Meu”, Clara WeimerFoto: Clara WeimerDie Skipperin der “Meu”, Clara Weimer

Nun wird der beschädigte Rumpf rund um den Ruderschaft repariert und ein neues Ruder gebaut. Hoffentlich können wir in zweieinhalb Wochen unsere Reise fortsetzen. Dann geht’s mit einer neuen Crew, aber hoffentlich ohne neuen Orca-Kontakt direkt nach Madeira.”


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