Zum 80. GeburtstagHerzlichen Glückwunsch, Jeanne Socrates!

Ursula Meer

 · 17.08.2022

Zum 80. Geburtstag: Herzlichen Glückwunsch, Jeanne Socrates!Foto: YACHT/K. Light
Strahlend im Ziel ihrer ersten Einhand-Nonstop-Weltumsegelung 2013 Kevin Light

Kenterung und Strandung, Wetter und technische Pannen können sie nicht aufhalten: Die Britin Jeanne Socrates segelte mehrfach um die Welt und ist die älteste Frau, die nonstop einhand um alle fünf Kaps segelte. Den Weltrekord erlangte sie mit 77 Jahren. Heute wird sie achtzig. Wir gratulieren!

Die Schlagzeile geht im September 2019 um die Segel-Welt: Geschafft! Jeanne Socrates ist älteste Nonstopperin! Die damals 77-jährige Britin Jeanne Socrates ist bis heute der älteste Mensch, der die Welt einhand und ohne Zwischenhalt unter Segeln entlang aller fünf Kaps umrundet hat. Unglaublich anstrengende elf Monate benötigt sie mit ihrer „Nereida“, einer zwölf Meter langen und damals zehn Jahre alten Najad 380, um die Welt von West nach Ost zu umsegeln.

Die Welt hat sie ohnehin schon mehrfach ganz oder teilweise umsegelt, als sie 2018 zu ihrem Rekordversuch aufbricht. Zwei gescheiterte Versuche hat sie da bereits hinter sich: Von den Kanaren aus unternahm sie 2009 ihren ersten Nonstop-Versuch, doch schon in Südafrika musste sie seinerzeit einen Reparaturstopp einlegen. Später segelte sie dennoch weiter, über Neuseeland bis nach Westkanada. Ihren nächsten Nonstop-Versuch unternahm sie von dort aus im Oktober 2010. Eine Kenterung vor Kap Hoorn zwang sie damals, einen Stopp in Ushuaia einzulegen.

Dennoch machte sie auch diesmal weiter und setzte ihre Weltumsegelung um die fünf großen Kaps erfolgreich fort, nur eben nicht mehr ohne Unterbrechungen. Im August 2012 war sie zurück im Ausgangshafen. Ihr dritter Nonstop-Solo-Versuch schließlich hatte Erfolg. Vom 22. Oktober 2012 bis zum 8. Juli 2013 umrundete sie die Welt unter Segeln, ohne Motorkraft und ohne Unterstützung von außen – mit 70 Jahren auch damals die älteste Frau, die die Welt nonstop umrundete, was ihr einen Eintrag in das Guinness-Buch der Rekorde und zahlreiche Preise einbrachte.

Entschlossen  wirft Jeanne Socrates die Leinen los, um mit ihrer „Nereida“ die Segelwelt zu erobernFoto: YACHT/K. Light
Entschlossen wirft Jeanne Socrates die Leinen los, um mit ihrer „Nereida“ die Segelwelt zu erobern

Eigentlich musste sie sich nichts mehr beweisen, Geschichte hatte sie ja schon geschrieben, aber sie erzählt: „Nun, beim ersten Mal wollte ich einfach nur wissen, wie sich das anfühlt. Ich bin zuvor viel gesegelt, aber nie nonstop. Das Boot war damals zudem neu, und es ist so gut gelaufen, dass ich dachte, ich kann auch einfach immer weitersegeln – und es klappte. Danach wollte ich es eigentlich gar nicht noch einmal versuchen.“ Aber, so Socrates weiter, „dann hat mir jemand gesagt, ich könnte ja versuchen, der älteste Mensch zu werden, dem eine Nonstop-Solo-Weltumsegelung gelingt. Das hat mich irgendwie gereizt. Wenngleich mir sehr wohl bewusst war, dass es beim zweiten Mal nicht einfacher werden würde.“

Womit sie Recht behalten soll. Unterwegs fallen ihre Bordinstrumente immer wieder aus, und das Wetter auf der Südhalbkugel spielt ihr zeitweise übel mit. Immer wieder muss sie Wirbelstürmen ausweichen. Nach einer Kenterung im Sturm muss sie Schutz an Neuseelands Küste suchen, um dort an einer Muringboje liegend die entstandenen Schäden am Schiff zumindest notdürftig zu reparieren.

Minutiös führt die pensionierte Lehrerin LogbuchFoto: YACHT/K. Light
Minutiös führt die pensionierte Lehrerin Logbuch

Zuletzt verzögert sich auch ihre Ankunft im Ziel ein ums andere Mal. Tagelange Flaute vor der Küste Kanadas bremst sie aus, teils wird sie sogar von der Strömung wieder ein Stück vom Ziel weggetragen. Angesprochen auf die Strapazen der zurückliegenden Monate sagt sie in einem Interview mit der YACHT: „Nun, ich hatte dieses Mal wirklich viele technische Probleme. Glücklicherweise konnte ich zwar immer weitersegeln, aber an meinem Boot ist nun doch einiges kaputt. Ich habe beinahe das Gefühl, dass es stellenweise nur noch von Draht und Klebeband zusammengehalten wird.“ Aber, so Socrates weiter: „Ich habe nie daran gedacht aufzugeben!“ Seine Ziele verfolgen und die Zeit nutzen, die man hat – nach diesem Motto lebt die leidenschaftliche Seglerin.

Wenn du etwas tun willst, leg los, und tu es, verschwende dein Leben nicht, sondern nutze die Zeit, die du hast!

Die Frau, die meist harmlos lächelt und so zierlich wirkt, ist zäh, was sie auch auf anderen Reisen unter Beweis stellt. Wie sie etwa auf einer Fahrt von Hawaii nach Alaska – zuvor hatte sie einhand am Transpazifik-Rennen von Kalifornien nach Hawaii teilgenommen – Seewasser im Diesel entdeckt und daraufhin die Maschine fünf Tage lang erst Stück für Stück auseinandernimmt und dann erfolgreich wieder zusammenbaut.

Oder wie sie später auf ihrer ersten Weltumsegelung von Ost nach West von Fernando de Noronha im südlichen Atlantik bis in die Karibik von Hand steuern musste, weil ihr Windpilot in der Achse korrodiert und der elektrische Pilot ausgefallen war.

Die Arbeiten an ihrer „Nereida“ stemmt Jeanne Socrates selbst. Sie will ihr Boot kennen, um sich auch unterwegs selbst helfen zu können
Foto: YACHT/K. Light
Die Arbeiten an ihrer „Nereida“ stemmt Jeanne Socrates selbst. Sie will ihr Boot kennen, um sich auch unterwegs selbst helfen zu können

Dabei gehört sie nicht gerade zu den Salzbuckeln unter den Seglern. 2009 porträtiert Wolf-Walter Ernst sie in der YACHT: Im Westen Londons aufgewachsen, folgt auf Schule und Studium die Arbeit als Lehrerin. Erst 1990 kommt sie zum Segeln – mit Jollen und Surfbrettern. Rasant muss es sein, sportlich und nass. Yachtsegeln scheint ihr anfangs langweilig, erklärt sie lächelnd. Dennoch nehmen sie und ihr Mann Georg 1994 eine Woche an einem Ausbildungstörn auf dem Solent teil. Die Yacht war gut, der Skipper sehr gut, sagt sie. Er muss überzeugend gewesen sein. Sie bleiben dabei.

Drei Jahre später lassen sich beide vorzeitig pensionieren, kaufen sich eine neue Najad 361. 1997 beginnt ihre Reise von Schweden ins Mittelmeer. Im Herbst 1999 überqueren sie den Atlantik, spulen dann das gängige Programm ab: Karibik, US-Ostküste, Intracoastal Waterway. Zurück über den Atlantik gen Heimat zieht es sie nicht. „Stattdessen sind wir über New York bis Neufundland gesegelt“, erinnert sich Socrates. Dann drehen sie um, steuern südwärts und besuchen 2001 die Bahamas und Kuba.

Im gleichen Jahr wird bei Georg Krebs diagnostiziert. Im März 2003 stirbt er. Jeanne Socrates ist klar, dass sie weiterhin auf dem Schiff leben und segeln will. Doch das ist nicht so einfach. Trotz all ihrer Erfahrung war doch immer ihr Partner der Problemlöser an Bord. Nun muss sie sich daran gewöhnen, dass nichts getan, keine Schwierigkeit überwunden wird, wenn sie es nicht selbst erledigt.

Wieder auf See, werden ihre Schläge länger, die Reviere bemerkenswerter. Erst nach Florida, dann in den Pazifik bis hinauf nach British Columbia und wieder zurück in den Süden nach Mexiko, zum Gitarren-Festival von Zihuatanejo – das wird eine feste Referenz ihrer Törns werden. Im Frühjahr 2006 ist Jeanne wieder in San Francisco und plant erneut den Schlag nach Alaska – über Hawaii. Sie hört von der Transpac-Regatta, meldet in letzter Minute, erreicht die Inseln draußen im Pazifik als Dritte ihrer Gruppe.

Im März 2007 startet sie dann, wiederum von Zihuatanejo und nach dem Gitarren-Festival, zu einer „schnellen Weltumsegelung“, wie sie sagt. Sie rundet den Globus tatsächlich recht flott, läuft die Marquesas, die Tuamotos, Tahiti und Tonga an, erreicht über Fidschi und Vanuatu Cairns in Australien, stoppt in Darwin und Bali und hüpft dann über Christmas Island, Cocos Keeling und Mauritius Richtung Südafrika. Von Namibia aus geht es über den Atlantik nach Trinidad und weiter durch den Panama-Kanal. Sie ist wieder im Pazifik. Nach nur 15 Monaten verlässt sie Acapulco, um das letzte Stück zum Ausgangspunkt zu segeln. 60 Seemeilen vor dem Ziel strandet „Nereida“ in schwerer Brandung an einem verlassenen mexikanischen Strand.

Auf die Frage nach der Motivation, die sie zu solch ungewöhnlichen Reisen treibt, gibt sie nachdenkliche, offene Antworten. Das sei nicht etwa Frust, nicht Trauer, nicht Ablenkung. In erster Linie sei es ihre selbst auferlegte Konsequenz: nichts wiederholen wollen, stets Neues wagen, sich ungekannten Herausforderungen stellen. Jeanne Socrates ist gern auf dem Meer. Sie ist intellektuell, anspruchsvoll, fordernd, neugierig. Und sie ist kommunikativ. Sie hat Freunde in aller Welt, um die sie sich kümmert und bemüht. Im Hafen liebt sie die Gespräche mit anderen Seglern, verliert sich fast darin, kann dann sogar einmal ihre vielen Arbeiten für Stunden vergessen.

Und was bedeutet es für sie, älter zu werden? „Für mich ist mein Alter nur eine Zahl. Alles, worauf es wirklich ankommt, ist doch deine Gesundheit und deine mentale Einstellung. Ich habe das Motto, dass man immer versuchen sollte, das Beste aus seinem Leben zu machen. Danach lebe ich. Kurz, wenn du einen Traum hast, solltest du ihn verfolgen. Wenn du etwas tun willst, leg los, und tu es, verschwende dein Leben nicht, sondern nutze die Zeit, die du hast!“