In der Serie „Segler beichten“ gestehen wir unsere dümmsten Fehler beim Segeln. Aber wir sind auch auf Ihre Beichte gespannt. Schicken Sie uns ihren Text, wenn möglich mit Bildern, an mail@yacht.de, Stichwort „Seglerbeichte“.
Plötzlich Geschrei, ein wild gestikulierender Offizier kommt auf uns zu gerannt. Mein 10-jähriger Sohn und ich stehen auf einem Schwimmsteg im Hafen von Portoferraio. Er hält das Dinghy fest, ich möchte ein Foto unseres Charterbootes vor der malerischen Kulisse der Hafenstadt schießen. Doch hier stimmt etwas nicht.
„Leinen los, weg hier“, sage ich noch zu meinem Nachwuchs, doch dazu kommen wir nicht mehr. Der Offizier ist da und baut sich vor mir auf. Weiße Mütze, viel Lametta, er reicht mir ungefähr bis zur Brust. Die fehlende Körpergröße macht er mit Lautstärke wett. Auf italienisch, was mir wenig nützt. Aber ich begreife: irgendetwas ist hier falsch gelaufen.
Kürzlich ist ein Artikel auf yacht.de über neue Vorschriften für den Hafen Portoferraio auf Elba erschienen. Dieser erinnerte mich an eine Begebenheit vor knapp 15 Jahren. Mein Kumpel und ich wurden dort verhaftet, verklagt und verurteilt. Für ein Foto, das nie veröffentlicht wurde - bis jetzt. Denn jetzt kann ich erklären, wie es zu Stande kam - oder besser, ich muss es beichten.
Tags zuvor waren wir mit einer in Italien gecharterten Sun Odyssey 54 DS eingelaufen, hatten mit Hilfe des freundlichen Hafenmeisters festgemacht, den Ort erkundet, alles war fein. Am nächsten Morgen sollte es nach Norden, nach Capreia gehen. Doch vorher noch schnell ein Bild machen, es sollte ein Artikel in der YACHT erscheinen. Gern haben wir da das Boot, mit dem die Reise absolviert wurde, vor tollen Kulissen. Was eignete sich da besser als ein Foto der Yacht vor den millionenteuren Yachten im Hafen und den bunten Häusern Portoferraios?
Zumal die Bedingungen nicht besser hätten sein können. Eine leichte Brise, ausreichend Manöverraum im Hafen und direkt gegenüber der Kulisse, wie für uns bestellt, ein paar leere Schwimmstege.
Dahin machen sich mein 10-jähriger Sohn und ich mit dem Dinghy auf. Während wir dort anlegen, machen meine Frau und mein Kumpel mit seiner Frau und den anderen drei Kindern die Leinen der Charteryacht los, motoren aus dem Hafen, setzen die Segel, kommen wieder herein. Sie drehen eine große Runde im Hafen, mit Halse und schön dicht vorbei an den riesigen Yachten. Das werden super Fotos!
Aus dem Wortschwall des Offiziers erahne ich, dass wir uns auf militärischem Sperrgebiet befinden. Die Schwimmstege gehören offenbar zur dahinter befindlichen Festung, die noch als Militärstützpunkt in Betrieb ist. Wusste ich nicht, schlecht informiert. Meine Versuche, mich mit German Press und ähnlichem herauszureden, nützen nichts. Er will uns auf der Stelle verhaften. Ich kann ihn jedoch davon überzeugen, dass die Crew an Bord ohne mich als Skipper nicht klarkäme. Wir dürfen zurück an Bord, werden aber angewiesen, an einem niedrigen Betonsteg an der Westseite des Hafens anzulegen.
Dort wartet schon ein Kleinwagen auf meinen Kumpel und mich. Er wird ebenso verhaftet wie ich. Was er damit zu tun haben soll, ist mir nicht klar. Während wir in die Festung gebracht werden, müssen die Frauen und Kinder mit tief hängenden Fendern verhindern, dass der Bootsrumpf im leichten Wellengang am Steg reibt.
In der Festung werden wir durch viele Gänge des historischen Gemäuers geführt, wie in ein Verlies. Es fehlt nur noch eine abgestellte Streckbank oder Eiserne Jungfrau. Ein paar Rüstungen würden mich auch nicht wundern. Der Gang endet in einem kleinen gemauerten Raum mit einem großen Holztisch. Die Szenerie schreit nach Fackeln an den Wänden und einem Pentagramm auf dem Boden. Nein, ganz so mittelalterlich ist der Raum tatsächlich nicht. Hinter dem Tisch sitzt der Offizier, der mich auf dem Steg zusammengestaucht hat, lesend in Unterlagen vertieft. Neben ihm sitzt ein jüngerer Uniformierter, starrt durch uns hindurch. Wir warten. Es hat etwas von Inquisition. Nach ewigen Minuten räuspert sich il Commandante, blickt auf und sein Untergebener erklärt uns in gebrochenem Englisch, uns werde jetzt der Prozess gemacht und er sei unser Verteidiger.
Mir wird es zum ersten Mal richtig mulmig. Was ist hier los? Prozess? Die Anklage lautet auf unerlaubtes Betreten militärischen Sperrgebietes und unerlaubtes Segeln im Hafen. Wie, das ist verboten? Wusste ich auch nicht. Ich kann klar machen, dass die Segelei auf meine Anweisung hin erfolgte und mein Kumpel nichts dafür könne. Damit ist er aber nicht raus. Mitgegangen, mitgefangen – zum Hängen wird es ja wohl nicht kommen.
Nach einem anstrengenden Verhör, was wir da zu suchen hatten und getrieben hätten, wälzt der Chef mehrere Bücher. Guckt er da das Strafmaß nach? Vierteilen, aufs Rad flechten, verstümmeln? Wir werden zu einer Geldstrafe verurteilt, sagt der Leutnant. Puh, Glück gehabt, denke ich, das kann ja nicht die Welt sein. Dann füllt der Offizier umständlich und langwierig ein Formular aus und, ganz unten angekommen, schreibt er Ziffern in ein Feld. Ist das eine Neun? Ich kann es nicht erkennen, sehe nur etliche Nullen folgen und mich schon im Schuldenturm.
Mit der Bemerkung, das Geld überweisen zu müssen, sonst würden wir von den europäischen Behörden verfolgt, werden wir entlassen. Ohne Handschlag, dafür mit militärischer Ehrenbezeigung. Auf der Fahrt zum Steg, immerhin werden wir zurückgebracht, sehe ich mir das Formular an: 300,00 Euro. Das geht ja noch, schmerzlich, klar, aber bei dem Brimborium hätten mich auch 30.000 Euro nicht gewundert.
Die Frauen und Kinder sind offensichtlich froh, uns wiederzusehen, nichts wie weg hier. Kaum aus dem Hafen gelaufen, wird der Capreia-Plan aufgegeben, zu weit jetzt, außerdem ist die Stimmung im Keller. Wir nehmen Kurs auf die Marciana Marina gleich um die Ecke. Auf dem Weg dorthin frage ich meinen Kumpel: „Woher sollte ich denn wissen, dass man im Hafen nicht segeln darf?“ Er antwortet: „Wieso, das stand doch im Hafenführer und groß auf einem Plakat beim Hafenmeister. Ich hatte mich noch gewundert, warum du da segeln wolltest. Aber du bist der Boss.“ Arrgh.
Das eigentlich Ärgerliche, neben der eigenen Dummheit, aber war, dass ich das Foto nie verwenden konnte. Irgendein Leser wäre sicher darüber gestolpert, dass es in dem Hafen gar nicht hätte entstehen dürfen, zudem können wir in der YACHT ja nicht solch ein Beispiel setzen. Wer weiß, wer es nachmacht? Also 300 Euro für nichts.
Oder fast nichts, denn nun habe ich es ja gebeichtet!
Haben auch Sie dumme oder vermeidbare Fehler gemacht, woraus sich lustige, gefährliche oder teure Situationen ergaben? Dann schreiben Sie und bitte unter mail@yacht.de, Stichwort „Seglerbeichte“.