PorträtRainer Holtorff arbeitet als Profiskipper in allen Lebenslagen

Marc Bielefeld

 · 14.04.2024

Das Ruder fest in der Hand, nicht nur auf See, sondern auch anschließend an Land, wenn im Büro koordiniert wird, wann es wieder losgeht
Foto: yachtskipper.eu
200.000 Seemeilen, Hunderte Yachten, 1.000 Geschichten: Wer seit über 20 Jahren Schiffe überführt, Törns leitet und auf fremden Kielen über die Meere segelt, hat einiges zu erzählen. Ein Treffen mit Rainer Holtorff, Beruf: Profiskipper

Rainer Holtorff sitzt im Hamburger Portugiesenviertel bei einem Cappuccino und schaut aus dem Fenster. Es regnet. Seine Gedanken sind auf See, mitten auf dem Atlantik. Vier seiner Leute überführen gerade eine Yacht und hängen gut hundert Seemeilen vor Barbados in einer Flaute fest. „Wird schon“, sagt Holtorff. „Das sind erfahrene Leute, notfalls haben sie genug Diesel an Bord.“

Übermorgen soll das Schiff am Liegeplatz in der Karibik sein. Der Eigner wartet. Dessen Frau, dessen Familie. Holtorff öffnet seinen Laptop. Er prüft die Position der Yacht, die Windberichte für die Kleinen Antillen und die Seegebiete östlich von Puerto Rico. Gut 7.000 Kilometer vom schicken Hamburg entfernt.

In Gedanken immer auf dem Meer

Holtorff geht das immer so. Egal ob er gerade im Café sitzt, im Kino weilt oder abends die Nachrichten schaut. Sein Kopf ist auf dem Meer. Denn das ist sein Job: zusehen, dass fremde Segelschiffe sicher und pünktlich von A nach B kommen.

Yachtskipper, Profi-Überführer, Segel-Logistiker. In seinem Metier ist Holtorff auf sich selbst gestellt. Auf seine Erfahrungen, Seemeilen sowie auf ein ausgeklügeltes Netzwerk von Mitstreitern, die seine Passion teilen. Segeln. Die Unberechenbarkeit des Meeres. Wind, Wetter, Sturm. Mittendrin: private Eigner, Werften, Reiseagenturen, Segelschulen und diverse andere Auftraggeber, die darauf beharren, ihre Schiffe zeitnah und zuverlässig von einem Seerevier ins andere zu kriegen – auch wenn es um die halbe Welt geht.

Meistgelesene Artikel

1

2

3

Mit einigen Wassern sollte gewaschen sein, wer sich auf derartige Unterfangen einlässt. Die Missionen sind nicht selten heikel. Die Yachten fremd und gelegentlich sündhaft teuer. Die Umstände mitunter delikat, die Launen der Besitzer exotisch.

Unter den Kunden sind durchaus normale Menschen. Eigner, die selbst segeln, sich eine längere Seereise jedoch nicht allein zutrauen. Bisweilen gehören zur Klientel aber auch Exzentriker oder Milliardäre, deren Handhabung psychologische Qualitäten erfordert.


Mehr zum Thema:


Mit Improvisation ans Ziel kommen

Holtorff, 55, ist seit 24 Jahren im Geschäft. Er hat inzwischen über 200.000 Seemeilen geloggt und sieht es sportlich: „Ich liebe meinen Beruf noch immer, beim Rest habe ich gelernt, in jeder Lebenslage mit Improvisation ans Ziel zu kommen.“ Holtorff ist einer der wenigen Spezialisten auf seinem Gebiet. Ein Selfmade-Mann, der ins Spiel kommt, wenn Not am Mann herrscht: wenn niemand anderes zu finden ist, der ein Schiff auf eigenem Kiel über weite Strecken bringt.

Die Branche ist nicht besonders groß. Zu speziell, zu individuell die Aufträge. Und jene, die sich um die Überführungen kümmern, bleiben meist im Hintergrund.

Es ist ein Nischenjob in der weiten Welt des Wassersports. Hartes und oft wochenlanges Segeln – ohne Urlaubsstimmung an Bord, ohne Freunde und Familie, ohne Shorecrew oder Begleitboot und meist auch ohne große Vorbereitung.

Stattdessen geht es gegen die Zeit, diverse Widrigkeiten, die solche Reisen parat halten, und nicht selten auch gegen Wind und Wetter. Denn Yachten sollen selten in der schönsten Ferienzeit überführt werden, sondern häufig dann, wenn sich die Seereviere von der garstigen Seite zeigen. Entsprechend sind Skipper und Crews, die das Ruder in die Hand nehmen. Segelversierte Menschen, die abseits des Rampenlichts über die Meere zischen.

Gute Organisation ist das A und O

Um die 50 Überführungen nimmt Rainer Holtorff jedes Jahr auf seine Kappe. Organisiert, plant, koordiniert. Tüftelt Sonderlösungen aus, stellt Crews zusammen und steht immer wieder selbst als Skipper am Steuer. „Man braucht ein solides Team“, sagt Holtorff. „Im Kern sind wir fünf Leute, hinzu kommen zehn Skipper, die wir regelmäßig einsetzen.“

Die verantwortlichen Schiffsführer müssten die entsprechenden seglerischen und nautischen Qualifikationen mitbringen. Technik, Seemannschaft. Kenntnisse von verschiedenen Seegebieten, Erfahrung mit Wind und Wetter. Ein weiteres Kriterium sei unabdinglich. „Talent im Umgang mit Menschen“, sagt der Profiskipper. „Die Fähigkeit, mit allen möglichen Charakteren umzugehen.“

Um bei Bedarf Mannschaften und Crews zu finden, müsse man obendrein jede Menge Kontakte haben. Sein wichtigstes Tool sei darum das Adressbuch, sagt Holtorff. Seine Agentur Yachtskipper sei mit rund 1.000 Leuten vernetzt, die er spontan anrufen könne, um einen Törn auf die Beine zu stellen. Denn: „Nicht viele Leute haben Zeit, mal eben nach Kroatien oder Gran Canaria zu fliegen und danach mehrere Wochen auf See zu verbringen.“

Herausforderungen beim Überführen

Außerdem: Die Teams müssen passen und darüber hinaus mit verschiedensten Bootstypen zurechtkommen. Denn neben den Menschen haben auch die Boote Eigenarten und Tücken. Darunter kleine Yachten, große Katamarane oder ausgewachsene 120-Fuß-Yachten, deren Bedienungsanleitung nirgends geschrieben steht und deren Eigner oft nicht einmal wissen, wie man die Maschine anschmeißt.

Holtorff erinnert sich an die Überführung eines modernen 86-Fuß-Cruisers von Newport in den USA nach Marseille. „Wir standen am Steg, sahen das Schiff das erste Mal. Es gab eine dreistündige Einweisung, das war’s. Danach mussten wir selbst mit dem Boot klarkommen, inklusive der komplexen Systeme.“ Und so ging es auf den Atlantik. Samt Gibraltar und der Fahrt in den windreichen Golfe du Lyon.

Für einen wie Holtorff nur eines von vielen Abenteuern. Er schaut in seinen Laptop, um die Liste seiner Törns seit 1997 herauszusuchen. Seine seglerische Biografie. Sie beginnt harmlos. Von Stockholm nach Hamburg auf einer Vindö 40. Damals ist das noch sein eigenes Schiff. Zwei Jahre später folgen Charterfahrten als Skipper in Westgriechenland, 25 Wochen am Stück.

Von Kroatien bis nach Manila auf den Philippinen

Bald überführt er eine Gib’Sea 44 von Dubrovnik nach Saint-Tropez, arbeitet als Instruktor auf Sardinien, co-skippert von Spanien aus über den Atlantik in die Karibik. Danach bringt Holtorff zahllose Yachten zu allen erdenklichen Destinationen. Von Kroatien nach Mallorca, von Marseille auf die Kanaren, rund um die Kapverden, von Greifswald nach Frankreich, von Neapel nach Nizza, von Malta nach Tunesien, von Sizilien nach Istanbul, von Malakka via Singapur durchs Südchinesische Meer bis nach Manila auf den Philippinen.

Auch die Boote, die er in diesen Jahren verbringt, kommen einem Sammelsurium aller Klassen, Größen und Typen gleich. Alte Colin Archer sind darunter, 60-FußSchoner, Performance-Cruiser, Aluminium-Racer, die fürs Vendée Globe konstruiert sind, Firmenyachten, Familienyachten, Luxusyachten, Charteryachten oder auch mal eine normale Moody 34, die er mit einem A380-Piloten der Lufthansa vom schottischen Inverness nach Heiligenhafen segelt.

Holtorff hat zig Reviere kennengelernt, diverse Küsten und Kaps angesteuert. „Das Mittelmeer kenne ich praktisch rauf und runter“, sagt er. Anspruchsvoll sei besonders die europäische Westküste. „Der Englische Kanal, die Biskaya, die Küste Portugals und anschließend durchs Orca Valley, das wollen viele nicht allein machen oder lassen ihr Schiff lieber von Profis segeln. Vor allem im Herbst und Frühjahr, wenn es auf dieser Route stürmisch wird.“

Fahrten, an die sich der Profiskipper zurückerinnert

Eine dieser Fahrten wird er nie vergessen. Mit einem Teamkollegen sollte er 2017 einen 35-Fuß-Trimaran von Flensburg nach Gran Canaria segeln, damit Boot und Eigner dort rechtzeitig zur ARC am Start sein würden. Das Problem: Es war bereits Mitte Oktober. Sie hatten vier Wochen Zeit, doch im tiefen Herbst kam im Westatlantik, was kommen musste: Sturm.

Nordwestlich von Lissabon erwischte es die Crew. Haushohe Seen schlugen ins Cockpit, der Wind blies von achtern, das kleine Schiff ließ sich kaum steuern. Dann nahte auch noch eine Sandbank zehn Seemeilen vor der Küste. „Wir konnten nur hoffen, dass das Boot das mitmachen würde – eine traumatische Erfahrung.“

In Erinnerung bleiben wird ihm auch die Kollision mit einem Wal 400 Seemeilen westlich von Portugal. Das Schiff, ein 43-Fuß-Katamaran, sollte von den USA nach Portimao gebracht werden, als es geschah. Sie waren zu fünft an Bord, es gab gerade Abendessen, über dem Meer sank die Sonne. Auf einmal bockte der Kat, sein Steuerbordschwimmer kam hoch. Dann sahen sie den Wal. Die Folgen der Ramming: schwerer Wassereinbruch im Maschinenraum, das Boot drohte vollzulaufen. Zudem wehte es mit sechs bis sieben. Zum Glück fanden sie noch eine elektrische Bilgepumpe, installierten diese und segelten weiter – pumpend mit allen Kräften, die an Bord zur Verfügung standen.

„Wir hatten schon Rettungsinsel und Grab Bags parat und standen mit dem MRCC in Portugal in Kontakt“, erinnert sich Holtorff. Doch obwohl ein Maschinenraum halb unter Wasser stand und permanent gelenzt werden musste, kamen sie ohne Hilfe nach Europa.

Anekdoten wie diese begleiten jeden Überführer, denn je mehr Fahrten, desto höher die Chancen auf Desaster. Wobei die keinesfalls immer dem Material, dem Wind, dem Schiff oder dem Schicksal geschuldet sind.

Die zwischenmenschliche Ebene an Bord muss passen

Oft seien es menschliche Funkstörungen, die zu brenzligen Situationen führten. Aufeinanderprallende Egos, Alphatiere, die das Kommando an sich reißen, fremde Crewmitglieder, die meutern. „Ich habe schon viel erlebt“, sagt Holtorff. „Beim Segeln gibt es nichts, was es nicht gibt.“ Schnell kann es dabei psychologisch fordernd werden: Hierarchiegerangel und umstrittene Entscheidungen können die Lage an Bord zur Hölle machen.

Während eines Sturms vor Anker etwa befahl ihm mal der Stützpunktleiter einer Charterflotte, auf die andere Seite der Insel Korfu zu wechseln. Holtorff hatte die Entscheidungsgewalt. Doch die Yacht gehörte nun einmal nicht ihm. Was tun?

Er war sein erster bezahlter Job, draußen orgelte der Wind, mittendrin die Stimme des Basisleiters im Funkgerät: „Verholen, sofort!“ Damals entschied sich Holtorff zu folgen, obwohl sie im Norden um ein Kap mit vielen Untiefen mussten, von denen einige nicht präzise eingezeichnet waren. Heute habe er für sich eine eiserne Regel: „Sich niemals schicken lassen – auch wenn der Eigner der König von Spanien ist.“

Zu regelrechtem Psychoterror entwickelte sich vor vielen Jahren eine Fahrt durch den Ärmelkanal. Der Besitzer einer 20-Meter-Yacht hatte für die Überführung nach Barcelona einen Freund als Skipper angeheuert. Der brauchte noch einen zweiten Mann, und das war Rainer Holtorff. Holtorff wusste nicht, dass der designierte Überführungsskipper ein ehemaliger Militärmann war, der wenig vom Segeln verstand und sich als marottenreicher Tyrann entpuppte.

Als nach dem Kanal die Biskaya bevorstand und eine schwere Windwarnung mit 10 Beaufort durchgegeben wurde, eskalierte die Situation. Der Mann, der überdies nur gebrochen Englisch sprach, befahl gegen Holtorffs ausdrücklichen Rat: „Da fahren wir durch, oder hast du Angst?“

Plötzlich waren die Funkgeräte weggeschlossen, und der Skipper verlangte von Holtorff, sich während der Freiwachen unter Deck zu verziehen. Neben seglerischem Wahnsinn ein psychologischer Krieg.

Der Profiskipper erlebt einige ungewünschte Abenteuer

Von ähnlichen Lebenslagen kann Holtorff viel berichten. Von linkischen Köchen, die unterwegs zu den Philippinen plötzlich auf einen anderen Kurs bestanden, weil sie Drogen abliefern mussten. Von korrupten Zöllnern, die ihn einkassierten, weil die Yacht angeblich nicht korrekt angemeldet war. Von schwerreichen Eignern, die plötzlich nicht zahlen wollten.

Heute weiß Holtorff: „Schiffe werden schnell zum rechtsfreien Raum, da legen viele die Regeln nach Belieben aus.“ Doch dürfe dies nicht über die vielen wunderbaren Momente hinwegtäuschen. Auch nicht über die Mehrzahl der Eigner und Kunden, die sich korrekt verhalten würden und überaus freundlich seien.

Er erinnert eine italienische Milliardärsfamilie, deren Yacht er im Mittelmeer steuerte. „Die schnippelten selbst, servierten das Essen und packten mit an. Herzensgute Leute, die Freude am Segeln hatten und einen auf Augenhöhe behandelten.“

Eines jedoch sollte man als Lohnskipper nicht vergessen: „Bei manchen Aufträgen wird das Segeln zur Nebensache, aus heiterem Himmel hat man mit ganz anderen Dingen zu tun.“

Profiskipper – ein Traumjob?

Viele halten die Arbeit als Berufsskipper dennoch für einen Traumjob. Auf die Frage, wie er dazu gekommen ist, muss Rainer Holtorff ausholen. Denn es gibt keine klassische Ausbildung, keine typische Karriere. Auch sein Werdegang ist eine sehr eigene Geschichte, die schon früh mit der Vorliebe für das nasse Element begann.

Holtorffs Vater war bei der deutschen Kriegsmarine, fuhr als Entfernungsmesser auf einem Panzerkreuzer. Seinem Sohn erzählte er später ausschließlich von den guten Seiten der Seefahrt. Kameradschaft, Reisen übers Meer, Landgänge.

In Flensburg geboren, nahm der Sohn später anders Kontakt mit dem Wasser auf: In den achtziger Jahren infizierte ihn das damals populäre Windsurfen. Mit 15 flitzte er über die Förde, verbrachte jede freie Minute auf dem Brett. Nach der Schule probierte sich Holtorff auf verschiedenen Gebieten. Zivildienst, Filmproduktion, Kunststudium. Dann wechselte er das Fach. Philosophie und Frühgeschichte, Schwerpunkt Wikinger. Er zog nach Hamburg, kam mit Freunden eines Tages auf die Idee, ein Business aufzubauen: alte Schiffe aus Schweden holen und sie in Deutschland verkaufen.

Der Weg zum Segeln

1995 machte er den Sportbootführerschein See und erstand mit den Freunden eine Vindö 40 – die sie im November 1996 von Stockholm nach Glückstadt segeln wollten. Eine Generalprobe, die prompt in eisigen Schauern mündete. In Südschweden war Schluss, weiter ging es erst im Frühjahr darauf.

Doch es war eine erste Segelerfahrung auf eigene Faust. „Learning by Sailing“, so Holtorff. Auf einer Bootsmesse 1998 in Hamburg folgte schließlich eine Art Initialzündung. Vor dem Stand eines Reiseanbieters sah er ein Schild: „Skipper gesucht.“ Er meldete sich, sagte: „Das kriege ich hin!“, und bekam den Job.

Es wurde daraus ein erster Saisonauftrag: 150 Seemeilen segeln, rund Korfu und zu den Ionischen Inseln. Es lief gut, Holtorff blieb an Bord. Und skipperte die Yacht am Ende 25 Wochen am Stück durchs Mittelmeer, jede Woche mit wechselnden Gästen. „Ich war im Grunde ein Busfahrer, der Rundtörns fährt“, erinnert sich Holtorff. „Doch dabei lernte ich jede Menge.“

Mit anderen Worten: Im warmen Mittelmeer sprang Holtorff ins kalte Wasser. Und leckte dabei so richtig Blut. Er war gerade 30 Jahre alt. „Die Lernkurve war enorm steil. Es waren öfter auch erfahrene Skipper an Bord, die sich eingebucht hatten. Von denen habe ich mir viel abgeschaut.“ Doch über aller Theorie stand am Ende die gelebte Praxis: wochenlanges, monatelanges Segeln. Am Stück. Dazu: ein Leben an Bord, ein Leben auf dem Wasser.

Fachkenntnisse im Alltag auf den Schiffen angeeignet

Zwangsläufig musste er sich diverse Kenntnisse aneignen. Technik, Rigg-, Motorenkunde. Dies durch die Maschinenräume diverser Boote kriechend und die Masten zahlloser Schiffe erklimmend. Holtorff: „Ich hatte keine klassische, keine Vereinsausbildung. Das fand alles im Alltag auf den Schiffen statt.“

Reich wurde er von seinem neuen Job freilich nicht. „Die Bezahlung war ziemlich mau“, erinnert sich Holtorff, der sich in den Wintermonaten als Übersetzer und Fahrradkurier durchschlug. Doch bald wurden die Schiffe länger, größer, schwerer. Holtorff hatte sich einen Namen in der Szene gemacht, einen Ruf als verlässlicher Skipper. Der Rest ist die Geschichte eines norddeutschen Wassermenschen, dessen Weg zum Wasser sich beinahe automatisch entrollte.

Es kam die erste Überführung nach Frankreich, die erste über den Atlantik. Das Verwachsen mit den Bootdecks, das Verschmelzen von Passion und Beruf.

Die Anfragen wurden mehr, die Engagements vielseitiger. Kojencharter, Überführungen, Auslieferungen. Yacht-Betreuung in allen Lebenslagen. Der Praxis folgten im Laufe der Zeit bald weitere theoretische Befugnisse. Holtorff machte sämtliche Scheine, die existieren. SBF, SKS, SSS und SHS, den Sporthochseeschifferschein, der für die gewerbliche Führung von Sportbooten in aller Welt vorgeschrieben ist.

Rainer Holtorff als „Yachtmaster of the Year“ ausgezeichnet

Eines Tages in England – ein zweijähriger Segelauftrag hatte ihn dorthin verschlagen – absolvierte er einen weiteren Kurs. Den renommierten englischen „Yachtmaster Offshore“. Unter 3.000 Prüflingen wurde Holtorff danach zum ersten Nicht-Briten gekürt, der von der ehrwürdigen Royal Yachting Association die Auszeichnung erhielt „Yachtmaster of the Year“: bester Absolvent.

Prinzessin Anne, in rotem Rolli, überreichte ihm nach der beinharten Prüfung persönlich den Pokal. Eine Krönung, die er gern, aber völlig unerwartet entgegennahm. „Ich? Der Windsurfer aus Flensburg? Nun, ich hatte inzwischen wohl lange genug auf Segelschiffen gesessen.“

Heute, noch einmal zehn Jahre später, hat er über hundert verschiedene Yachttypen durch die Weltgeschichte navigiert. Viele über den Großen Teich, Dutzende durchs Mittelmeer, die Atlantikküste rauf und runter, durch Nord- und Ostsee. Klingelt bei Holtorff das Telefon, dann stehen alle Zeichen auf Segeln. Ein echter Bootsmensch, auch wenn man es ihm im Hamburger Portugiesenviertel nicht ansieht. Auf die Frage, ob er eine eigene Yacht besitzt, kommt denn auch eine überaus logische Antwort. „Um Himmels willen!“, ruft Holtorff. „Ich besitze noch nicht einmal ein eigenes Schlauchboot!“


Meistgelesen in der Rubrik Special