Nur heiße LuftWie ich an Bord nach Wasser suchte

Fabian Boerger

 · 11.12.2024

Nur heiße Luft: Wie ich an Bord nach Wasser suchteFoto: YACHT/ L. Bolle & F. Boerger
Oft sind es Details, die Unheil verhindern. Als ich es fand, war es für das Bauteil im Bild bereits zu spät.
Es hätte ein Segel-Tag wie aus dem Bilderbuch werden können. Wenn ich nicht dieses eine Detail vergessen hätte, das meinen Motor beinahe schwer beschädigte …

In der Serie „Segler beichten“ gestehen wir unsere dümmsten Fehler beim Segeln. Aber wir sind auch auf Ihre Beichte gespannt. Schicken Sie uns ihren Text, wenn möglich mit Bildern, an mail@yacht.de, Stichwort „Seglerbeichte“. Falls gewünscht, erfolgt die Veröffentlichung anonymisiert.



Missgeschicke und ihre positiven Seiten

Es ist doch so: Wenn etwas gründlich schiefgeht, gibt es oft ein kleines Detail, eine Schraube, die gedreht werden müsste, das das Unglück hätte verhindern können. Leider kommt einem dieses Detail erst in den Sinn, wenn es bereits zu spät ist. Nun ist es aber auch so, dass Missgeschicke, sofern sie glimpflich ausgehen, auch ihre positiven Seiten haben. Einerseits lernt man sich und das eigene Boot besser kennen; andererseits weiß man, was man tunlichst vermeiden sollte.

So erging es mir im vergangenen Frühjahr. Mein Unheil hatte in den Tiefen der Bilge seinen Ursprung. Dort lag das Detail verborgen, ohne das zu kontrollieren, ich meinen Bootsmotor mittlerweile nicht mehr starte.

Idyll mit Haken

Es war Mitte Mai und an der Schlei fühlte es sich schon ein wenig nach Sommer an. Auf den umliegenden Feldern blühte noch der Raps. Die Sonne schien, es war warm, und der Wind wehte mäßig aus Südost. Mit ein paar Freunden sollte es das erste Mal aufs Wasser gehen. Die Euphorie war groß, die Bedingungen mehr als einladend. Entsprechend eilig hatte ich es, hinauszukommen. Motor an, Leinen los, auf geht’s!

Mit langsamer Fahrt glitten wir aus dem Hafen. Das Idyll war perfekt - doch da war ein Geräusch, das sich einfach nicht einfügen wollte. Statt wie üblich feuchtfröhlich vor sich hin zu prusten, kam ein trockenes, brüllendes Husten aus dem Auspuff am Heck. Ich brauchte gar nicht erst ins Heckwasser zu schauen, um zu wissen, dass dort kein Kühlwasser kam. Ich wusste: Kein Kühlwasser bei laufendem Motor? Gar nicht gut! Der Motor drohte zu überhitzen.

Das verschollenen Wasser im Motor

Meine Gedanken rasten auf Ursachenfindung durch den Auspuff hindurch ins Innere meines Nanni-Diesels. Bauteil um Bauteil erschien vor meinem inneren Auge auf der Suche nach dem verschollenen Wasser. Doch wo lag der Fehler? Wo war das Wasser? Wieso kam hinten nichts raus?

Dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Ich war das Problem von der falschen Seite angegangen. Es konnte hinten kein Wasser herauskommen, wenn vorne gar keines hineinkam. Wie vom Blitz getroffen, drückte ich die Pinne dem Nächstbesten in die Hand und stürzte die drei Leiterstufen in den Salon hinunter. Ich riss die Bodenbretter empor, starrte in die Bilge - und mich traf der Schlag! Mit einem Mal war mir klar, welches Detail ich vergessen hatte.

Es war das eingetreten, wovor mich bereits mehrere befreundete Segler gewarnt hatten. Die erste Saison auf eigenem Kiel. Das Boot war noch keine zwei Monate im Wasser, und dann das! Der alarmrote Hebel am Seewasserventil zeigte wie ein tadelnder Zeigefinger auf mich, statt parallel zum Rohr dem Wasser den Weg ins Motorinnere freizugeben. Kurzum: Ich hatte vergessen, das Seewasserventil des Motors zu öffnen!

Manövrierunfähig oder Motorschaden?

Wie konnte das passieren? Warum war es geschlossen, fragte ich mich. Doch die viel wichtigere Frage in diesem Moment war eine andere: Was nun? Folgende Optionen lagen auf dem Tisch: Den Motor sofort ausschalten und manövrierunfähig auf der flachen Schlei gen Ufer treiben oder umkehren, zurück in den Hafen fahren und fundamentale Schäden am Motor riskieren? Ich entschied mich für Option Nummer zwei.


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Noch immer brüllte der Auspuff. Jeder einzelne Kolbenschub hämmerte sich gnadenlos in mein Gewissen. Tock. Tock. Tock. Nach wenigen Minuten hatten wir die Boxengasse erreicht. Ich schaltete den Motor aus, und wir glitten die letzten Meter zurück an den Steg. Geschafft. Doch nun hieß es: Wunden lecken – und Schäden inspizieren! Ich ließ den Motor abkühlen und legte mir im Kopf einen Schlachtplan zurecht. Von klein auf segle ich, doch bei Bootsmotoren ist das nötige Know-how ehrlicherweise noch begrenzt.

Glück im Unglück

Mein Glück im Unglück? Die Ursache war eindeutig – und ebenso eindeutig waren die Schäden. Lediglich den Impeller der Seewasserpumpe hat es zerfetzt. Von dem kleinen Schaufelrädchen aus Neopren war nichts mehr übrig außer der Nabe aus Metall. Ich durchwühlte das bootseigene Reservelager. Und siehe da: Der Voreigner hatte gleich mehrere in Reserve, zuzüglich einer Tube Glycerin zum Schmieren. So waren die Überbleibsel schnell aus der Pumpe gepult und der neue Impeller inklusive Dichtung ausgetauscht. Fertig.

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Mir war zwar ein bisschen mulmig zumute, als ich erneut den Schlüssel im Zündschloss drehte. Doch als ich das freudige Prasseln des Kühlwassers im Heckwasser hörte, war ich nicht nur erleichtert. Schließlich stand dem Segel-Idyll auf der Schlei nun nichts mehr im Wege. Nein, ich war auch stolz. So war die erste Motorreparatur meiner noch jungen Eignerkarriere erfolgreich verlaufen.



Und mehr noch: Dank der Reparatur wusste ich nun, dass sich hinter der Motorabdeckung kein hochkomplexes Atomkraftwerk befindet, das einer Doktorarbeit in Kernphysik bedarf. Nein, mit etwas Sachverstand, Vorsicht und Zuversicht kann man schon sehr gut für das Wohlbefinden des Motors sorgen. Und abgesehen davon: Das wird mir sicher nicht noch einmal passieren!

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