MikroseglerWas macht eigentlich - Yann Quenet?

Morten Strauch

 · 07.01.2025

Quenet und sein treuer Weggefährte „Baluchon“ während der ersten Weltumsegelung. Sein Markenzeichen ist das Huhn.
Foto: Olivier Montlahuc
Je kleiner die Boote, desto größer sind Gefahren, Abenteuer und Freiheit. Drei Freigeister zeigen, dass es für Pläne mit ihren Minis kaum Limits gibt. Heute: Yann Quenet

Die Szene der Mikrosegler ist zwar sehr klein, dafür aber erstaunlich vielseitig. Verbissene Rekordjäger treffen auf Tüftler und Romantiker, die sich nach größtmöglicher Unabhängigkeit sehnen. Wir stellen die drei Segelverrückten vor sowie den Stand ihrer Projekte.


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Yann Quenet setzt Maßstäbe

Yann Quenet träumt sein ganzes Leben davon, einmal um die Welt zu segeln. Als er fünfzig wird, entscheidet er sich, seinen Traum zu verwirklichen. Er kündigt seinen Job und baut seine eigene Mikroyacht aus Sperrholz, nur vier Meter lang, mit der er schließlich in See geht.

Schon diese erste Weltumsegelung von Yann Quenet ging in die Geschichte ein. Noch nie hatte jemand mit so einem winzigen Sperrholzboot den Globus umrundet. Drei Jahre war der Franzose mit seiner „Baluchon“ im Schneckentempo unterwegs, wobei seine längste Nonstop-Etappe 77 Tage betrug. Ohne Regenwasser wäre er verdurstet.

Strapazen meistert der Kauz mit Humor und Leidensfähigkeit. Hauptsache Freiheit!

Doch was macht ein hoffnungsloser Segelromantiker, nachdem er wieder an Land gespült wurde? Er gibt Interviews, fällt in ein emotionales Loch und schreibt schließlich ein Buch, um die Erlebnisse für die Ewigkeit zu konservieren.

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Spätestens beim Schreiben, wenn die grenzenlose Freiheit wieder spürbar wird, fängt das Gedankenkarussell an, sich immer schneller um die eine Frage zu drehen: Welcher Weg führt zurück auf den Ozean, zurück zum Abenteuer, zur vollkommenen Glückseligkeit?

Das emotionale Loch

Leicht ist es nicht für das bretonische Original, der in eher bescheidenen Verhältnissen lebt. Ein neues Boot bauen, um medienwirksam ein neues Projekt zu starten? Kein Geld, alles Ersparte aufgebraucht. Die Tantiemen für sein Buch reichen gerade mal so zum Überleben.

Eine Festanstellung auf Zeit, um Geld zu sparen? Illusorisch. Der Lebenslauf ist zu löchrig und nach eigener Aussage mangelt es an Qualifikationen und Disziplin.

Ein Sponsor? Nein, er ist kein Typ, um Geldgeber zu überzeugen. Und außerdem würden ihm die Werbelettern auf Rumpf oder Segel befremdlich vorkommen.

Die „Baluchon“ verkaufen? Auf gar keinen Fall! Einen lieb gewonnenen Freund verkauft man nicht. Zudem wäre es nicht nur ein emotionales Verlustgeschäft, sondern auch finanziell gesehen nur ein Tröpfchen auf den heißen Stein.

Die Ideen werden von Tag zu Tag schwammiger, ein Gefühl von Traurigkeit und Schwere legt sich auf seine Seele. Auch die Bestleistung seiner Weltumsegelung erweist sich als Bürde. Die Fokussierung auf neue Rekorde vernebelt die Sicht.

Der Abenteuer-Spirit kehrt zurück

Eines Morgens fällt ein Sonnenstrahl durch das Fenster der Werkstatt auf seinen Wegbegleiter. Nicht nur die Staubteilchen tanzen in dem goldenen Licht, auch Quenets Herz macht einen Freudensprung. Zum ersten Mal seit Monaten streichelt er liebevoll über sein Boot.

30.000 Seemeilen hatten sie zusammen abgerissen. Stürme und Flauten bezwungen, neue Ufer entdeckt. „Baluchon“ hatte alles mit Bravour gemeistert, ganz ohne Bruch und böse Überraschungen.

Ich hatte das perfekte Boot bereits gebaut.”

Um neue Rekorde ging es ihm nicht. “Ich wollte nur so schnell wie möglich zurück auf das Meer. Alles andere wäre töricht gewesen!“, so der Franzose.

Probleme und Zweifel lösen sich schlagartig auf und der Spirit ist zurück. Ein paar Modifizierungen sollen aber noch vorgenommen werden, bevor die Unzertrennlichen wieder ihrem Element zugefügt werden.

Am meisten störte den Minimalisten der Kiel: „Ich hatte mich ja für ein kleines Boot entschieden, um die Probleme großer Boote zu vermeiden und maximale Autonomie zu gewinnen. Dazu gehört auch, dass ich es leicht ohne Kran aus dem Wasser heben kann. Außerdem hasse ich es, andere um Hilfe zu bitten, und habe eine diebische Freude daran, mich aus allen Situationen allein herauswinden zu können. Daher habe ich den vorhandenen Kiel durch zwei 100 Kilo schwere Hubkiele ersetzt.“

Quenet sticht wieder in See

Im Juni 2024 ist es dann wieder so weit. Yann Quenet sticht erneut in See.

Mittlerweile ist er auf Martinique angekommen. Seinen Hang zur Unabhängigkeit beweist er direkt wieder beim Anlegen im Hafen von Le Marin auf Martinique. Beharrlich bewegt er seinen Pocketcruiser mit einem Wriggriemen in Richtung des Dingi-Steges und lehnt jede Hilfe von Marineros und Seglern ab, die ihn ins Schlepptau nehmen wollen.

Nach 27 Tagen Funkstille auf dem Weg von den Kapverden nach Martinique erreichen wir einen glückseligen Yann Quenet am Telefon.

„Die Überfahrt war unspektakulär und ich hatte viel Zeit zum Lesen, Zeichnen und Tagträumen. Es gab keinen Bruch am Boot, das seit meiner Abreise aus der Bretagne im vergangenen Juni immer besser performt. Jetzt werde ich mir als Erstes einen Fruchtsaft und einen guten Käse besorgen. “

“Dann werde ich bis zum Frühjahr warten, um von hier an die Ostküste von Kanada zu segeln.”

Dort kaufe ich ein altes Auto, lege mein Boot aufs Dach und fahre bis zum Pazifischen Ozean, wo ich wieder Segel setze.“

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