Die Szene der Mikrosegler ist zwar sehr klein, dafür aber erstaunlich vielseitig. Verbissene Rekordjäger treffen auf Tüftler und Romantiker, die sich nach größtmöglicher Unabhängigkeit sehnen. Wir stellen die drei Segelverrückten vor sowie den Stand ihrer Projekte.
Familienvater, Naturliebhaber und Adrenalinjunkie. Alles trifft auf Andrew Bedwell zu. Vor seinem ersten Weltrekordversuch offenbarte sich der Brite im großen YACHT-Interview.
Mit einem RG 650 Mini segelte er 2019 einhand rund Island. Bei Sturm findet er seine Ruhe auf einem Berg im Zelt, sein Cross-Motorrad kennt keine Jahreszeiten. Seine Mission: die Überquerung des Nordatlantiks mit dem kleinsten Boot aller Zeiten auf Teufel komm raus!
Bedwells erster Weltrekordversuch im Mai 2023 steht unter keinem guten Stern. Er will mit „Big C“, die nur knapp über einen Meter misst, 1.900 Seemeilen über den Atlantik segeln.
Zwei Tage vor dem Abflug nach Neufundland verstirbt sein geliebter Vater. Familie und Freunde drängen darauf, die Abreise zu verschieben, aber das Boot ist schon verschifft und Bedwell steht so unter Druck, dass er aufbricht.
Kurz vor der Abfahrt in Großbritannien kürzt er noch einen speziellen Sicherungsbolzen mit abdichtenden O-Ringen. Dieses letzte Puzzleteil stellt sich beim Einbau unmittelbar vor dem Start in Kanada jedoch als zu kurz heraus, sodass hektisch nach einem Ersatz gesucht wird.
Der aufgetriebene Ersatzbolzen hat zwar auch eine Gummidichtung, aber ein durchgehendes Gewinde. Bereits nach wenigen Stunden auf See erweist sich das Provisorium als unbrauchbar und es kommt zum Wassereinbruch.
Zwar besteht das Mini-Boot aus insgesamt zwölf in sich geschlossenen Räumen, sodass nur ein kleiner Bereich geflutet werden kann, aber betroffen ist ausgerechnet das Fach mit der Hauptbatterie.
Bedwell bricht ab und lässt sich zurück in den Hafen schleppen, wobei das Boot noch mehr Wasser nimmt.
Am nächsten Morgen kommt es beim Auskranen zum nächsten Unglück : Die Seilstropps reißen und das Kleinstbötchen knallt mit voller Wucht auf den Betonboden. Die Schäden sind irreparabel und der Traum vom Weltrekord geplatzt.
Wie es zu diesem Unfall kommen konnte, ist bis heute ein kleines Rätsel. Bilder gibt es davon nicht, dafür aber ein herzergreifendes Video-Statement des am Boden zerstörten Engländers.
Doch nur wenige Tage später kündigt Bedwell an, wieder angreifen zu wollen, und skizziert das Grunddesign seines neuen Mikrobootes noch im Hotelzimmer in Neufundland.
„Ich begann sofort, mit verschiedenen Experten zu sprechen, aber monatelang begriff niemand, was ich eigentlich wollte. Dann traf ich auf einen französischen Schiffbauingenieur, der die Essenz meiner Idee verstand: Der Kiel sollte gleich in die Rumpfstruktur integriert werden, um nicht nachträglich aufgeschweißt werden zu müssen.“ Ein weiterer Vorteil ist der Raumgewinn, da das Aluminium der Büchse nur drei bis fünf Millimeter dick ist – die Wände des Vorgängers aus GFK waren noch 10 bis 20 mm dick. Durch das vergrößerte Volumen des Innenraumes können nun alle Lebensmittel tiefer im Boot liegen, was die Stabilität erhöht.
Doch trotz des kleinen Raumwunders ist Schlafen weiterhin nur in zusammengekauerter Stellung möglich. Und auch die „Big C V2“ ist so konzipiert, dass sie bei rauer See rollt, weshalb das Geschirr zum Festschnallen essenziell bleibt.
Verschwunden sind dagegen die aufgesetzten Sidepots, die jetzt in der äußeren Form integriert sind. Ferner sind die Solarpaneele nun fest montiert und besser vor den Wellen geschützt.
Die Lüftungsschlitze und die Kuppel für den Rundumblick sind die gleichen. Das Rigg hat sich laut Bedwell bewährt, ist aber an der Basis etwas schmaler geworden, um das Segel dichter fahren zu können.
Im Februar 2025 soll „Big C V2“ aufgeriggt und bereit für die ersten Testschläge sein. Wenn alles klappt, geht es im Mai 2025 mit der neuen Waschtrommel auf den Nordatlantik.