InterviewStudent macht Auszeit im Mittelmeer auf Etap 21i

Kristina Müller

 · 09.10.2024

Bei Schwachwind zieht die Etap gemächlich dahin. Den Skipper stört’s nicht, er hat es nicht eilig
Foto: YACHT/Luca Jehle
Es ist ein Buch, das Luca Jehle zu einer ungewöhnlichen Reise inspiriert. Darin schildert eine Familie, wie sie auf abenteuerlichste Weise mit einer Etap 21i um die Welt segelt. Überzeugt von der Seetüchtigkeit des Kleinkreuzers kauft der Student ein Boot gleichen Typs und geht damit ebenfalls auf Langfahrt. Ist sein Plan aufgegangen? Eine Bilanz

Ein Jahr Zeit nimmt er sich und fährt im Winter binnen durch Frankreich ans Mittelmeer. Dann macht er sich auf, die Länder und Inseln dort zu erkunden. Nach Stationen auf Korsika, in Italien und Sizilien hat er mittlerweile Zakynthos in Griechenland erreicht. Im Interview erzählt ­Luca ­Jehle von seinem bisherigen Törn, dem Leben, Wohnen und Reisen auf kleinem Fuß.

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YACHT: Luca, du segelst mit deinem Sechseinhalb-­Meter-­Boot durchs Mittelmeer. Wie sind die Reaktionen, wenn du irgendwo ankommst?

Ich bin hier tatsächlich eine absolute Ausnahmeerscheinung. Wenn ich andere Kleinbootsegler treffe, sind die meistens von hier. Sonst geht es hier eher ab 30 Fuß los. Ein Hafenmeister konnte es neulich nicht glauben und hat mich tatsächlich gebeten, die Bootsdokumente zu holen. Als er gesehen hat, dass ich wirklich auf 21 Fuß unterwegs bin, wusste er gar nicht, was er verlangen soll, und fragte, was ich denn woanders zahlen würde. Nun sind es 3,60 Euro pro Nacht.

Wie vertragen sich die teilweise dann doch happigen Liegegelder im Mittelmeer mit deinem Reisebudget?

Es ist eine der größten He­raus­for­de­rungen der Reise, mit den 500 bis 600 Euro, die mir monatlich zur Verfügung stehen, auszukommen. Ich kann meinen Minijob aus dem Studium nebenher on­line weiterführen. Mehr möchte ich aber bewusst nicht arbeiten, damit ich die Zeit hier auch genießen kann.

Das heißt, du verdienst dein Reisebudget komplett unterwegs?

Mittlerweile ja. Fast alles, was ich vorab gespart hatte, ist ins Boot und in die Vorbereitung geflossen. Dann bin ich mit einem Puffer von 1.000 bis 2.000 Euro losgefahren.

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Das Mittelmeer gilt als recht teuer. Mit welchen Kosten musst du denn monatlich kalkulieren?

Das ist wahnsinnig unterschiedlich. Wenn ich allein bin, versuche ich, nur einmal pro Woche einen Hafen anzulaufen. So lange komme ich ohne Strom, neues Wasser und manchmal auch Internet aus. In den Häfen sind die Preise unterschiedlich.

Wo war es denn bisher am teuersten?

In der Bucht von Neapel, mit Abstand. 150 Euro pro Nacht sind einfach viel zu viel. Der Kontrast ist schon enorm.

Schmälert so etwas dein Reiseerlebnis?

Die Bucht von Neapel habe ich tatsächlich als seglerisches Ödland empfunden. Darüber hi­naus sind die Ziele aber alle wunderschön.

Wo hat es dir bisher am besten gefallen?

Schwierig! Die Côte d’Azur, Monaco, Korsika – das war eine recht schöne Ecke. Da habe ich spannende Leute kennengelernt und bin deshalb ein bisschen länger geblieben als ursprünglich geplant, gut zwei Wochen. Die Äolischen Inseln mit den Vulkanen waren natürlich auch toll. Und Malta!

Folgst du einer festgelegten Route, oder segelst du dorthin, wohin dich der Wind treibt?

Als ich losgefahren bin, war mein Ziel, bis Korsika zu kommen und vielleicht dort zu überwintern. Ich wollte gar nicht so viel vorab planen, weil ich selbst noch nicht ganz einschätzen konnte, wie ich vo­ran­kom­me. Auf meiner bisherigen Route war dann tatsächlich alles dabei, was ich einmal sehen wollte.

Bist du ausschließlich allein unterwegs?

Nein, ich hatte bisher schon fünf Leute zu Besuch an Bord, die jeweils für zehn bis vierzehn Tage geblieben sind. Manche habe ich sogar erst unterwegs kennengelernt.

Funktioniert das Segeln mit mehreren Personen auf dem kleinen Boot?

Geplant hatte ich es nicht, aber es hat sich ergeben. Auf Elba habe ich jemanden kennengelernt, der dort gerade seinen SKS-Schein gemacht hatte und gar nicht zurück nach Hause wollte. Wir haben uns gut verstanden – dann ist er tatsächlich für drei Wochen mit mir mitgekommen. Wir sind zusammen von Rom bis nach Catania auf Sizilien gesegelt. Das hat funktioniert! Einmal sind wir sogar zu dritt gesegelt, aber da war das Boot echt voll. Ein bis zwei Personen sind ein akzeptabler Rahmen. Alles andere geht nur ein paar Tage.

Und sicher auch nur bei gutem Wetter. Warum hast du dich für das Mittelmeer für diese Segelauszeit entschieden?

Das Mittelmeer ist ein Schatz mit seiner naturräumlichen und kulturellen Vielfalt. Man fährt ein paar Meilen und sieht gefühlt immer wieder etwas Neues. Das merke ich jetzt erst so richtig, während ich hier unterwegs bin. Im Endeffekt habe ich mich aber recht spontan entschieden. Vor dem Start habe ich in Heidelberg gewohnt. Ich fand die Idee schön, von dort auf eigenem Kiel auf dem Neckar loszufahren und mich dann nach Norden oder Süden durchzuschlagen.

Wie war der Auftakt, die Binnenfahrt über Flüsse und Kanäle durch Frankreich ans Mittelmeer?

Leider bin ich erst Anfang Oktober 2023 losgekommen. Eigentlich sollte es früher losgehen, aber ich musste noch einiges erledigen. Mit der letzten Schleusung Ende Oktober bin ich in die ­Saône rüber. Mein Boot hat keine richtige Dieselheizung. Die Idee war, mit dem Klima in den Süden zu fahren, sodass es immer halbwegs warm im Boot ist.

Ist der Plan aufgegangen?

Die Fahrt auf den Kanälen hat sich sehr gezogen. Auf der Strecke hat mich eine Freundin begleitet – wir haben etwa 120 Schleusen passiert. Das ersetzt jedes Fitnessstudio! In den kleinen Schleusen muss man selbst mit anpacken. Irgendwann hat der Winter uns eingeholt und morgens war Frost auf dem Boot. Feuchtigkeit wird dann schnell ein Problem. Unter Deck saßen wir mit Wärmflasche, Tee in der Hand und hatten den Herd noch ein bisschen an. Draußen habe ich uns in Winterjacke durch die Schleusen ma­nö­vriert. Und das alles mit gelegtem Mast an Deck, um unter den Brücken herzupassen.

Das klingt nach einem echten Winterabenteuer. Würdest du es noch einmal machen?

Das war ein super Erlebnis. Es ist machbar und war schön, aber noch einmal würde ich es nicht machen. Vielleicht war der Zeitpunkt einfach falsch gewählt.

Dafür wurdest du mit viel Wärme bei der Ankunft am Mittelmeer belohnt, als in Deutschland kalter Winter war.

Das stimmt. Ich bin genau am 24. Dezember in Port Napo­lé­on angekommen. Das war mein Weihnachtsgeschenk – es war aber Zufall!

Hast du dir dann eine Verschnaufpause gegönnt, oder ging es gleich weiter?

Tatsache gleich weiter! Ich habe mir natürlich ein paar Tage genommen zum Maststellen, Segelanschlagen und so weiter. Dann ging es los Richtung Mar­seille und die Côte d’Azur entlang. Im ­Golfe du Lion hat es mich gleich ordentlich erwischt, der kann im Winter sehr ungemütlich sein.

Was ist passiert?

Eigentlich war es nur eine Küstenfahrt. Es war zwar starker Wind angekündigt, aber der hat sich dann doch heftiger entwickelt als erwartet. Es war kalt und ich schätze die Wellen auf zwei Meter. Anscheinend war das zu viel für mein Bötchen und der Lümmelbeschlag ist gebrochen. Ich hatte also erst mal kein Großsegel mehr, bis alles repariert war. Das war echt ärgerlich.

Hat dich das Mittelmeerwetter noch häufiger überrascht?

Bis auf diese Situation eigentlich nicht. Ich habe gemerkt, wie wichtig es ist, neben dem Wetterbericht vor allem die lokalen Windsysteme zu berücksichtigen. So wie der Düsen­effekt zwischen Sardinien und Korsika. Oder das Landwind- Seewind-System. Oder eben lokale Winde wie Mistral oder Fallböen.

War der Bruch des Lümmelbeschlags der einzige Materialschaden und Rückschlag auf der Reise?

Auf dem Weg durch Frankreich habe ich einen treibenden Baumstamm erwischt, der mir ein Ruderblatt weggerissen hat. Das ist einer der Nachteile meiner Etap: Die Doppelruder­anlage ist recht exponiert.

Bist du dennoch zufrieden mit deiner Bootswahl? Du hast dir die Etap 21i ja aus ganz besonderem Grund ausgesucht.

Das stimmt. Bei der Überlegung, was es werden soll, bin ich an einem meiner Lieblingsbücher übers Segeln hängen geblieben: „Mal seh’n, wie weit wir kommen“. Familie Habeck beschreibt darin, wie sie es auf diesem Boot, das faktisch unsinkbar ist, zu dritt auf einer Weltumsegelung ausgehalten hat. Die offenbar guten Segel- und Wohneigenschaften haben mich einfach überzeugt. Bewährt hat sich das sogar schon vor der Abfahrt, als ich während des letzten Studienjahres aus meiner WG ausgezogen bin und auf dem Ne­ckar in Heidelberg an Bord gewohnt habe. Das war günstig und hat einen finanziellen Puffer für den Trip gegeben.

Hast du je ein anderes Boot in Erwägung gezogen?

Nein, ich wollte diese super Kombination: ein sportliches Segelboot mit tollem Schnitt und innen wohnlichen Elementen – Schlafplatz, Tisch, Küche. Ich habe sogar eine See­toilette! Also alles, was für so einen Trip relevant ist. Es war das Boot oder keins!

Wie hast du es auf deine große Reise vorbereitet? Gab es sehr viel zu tun?

Nein, das hat sich in Grenzen gehalten. Ich musste zwar das alte Hart­anti­fouling abschleifen, dann neu grundieren und neues auftragen. Darüber hi­naus habe ich die Polster gereinigt und gefärbt, ein paar Holzarbeiten erledigt, neue Anti­rutsch­farbe aufgetragen, das laufende Gut geprüft und solche Sachen eben.

Die Etap ist schon dein viertes Boot. Welche Segelerfahrung hattest du vor dieser Reise?

Meine größte Tour zuvor war an der Nordseeküste. Ich hatte mir nach meinem Abi ein halbes Jahr Zeit genommen, um segeln zu gehen. Ich bin bei Wilhelmshaven gestartet und in Amsterdam rausgekommen. Das war schön und ich habe einiges gelernt. Das war meine Belohnung an mich selbst dafür, dass ich während der Abi­zeit zusätzlich eine Ausbildung zum Rettungssanitäter gemacht habe, inklusive Nachtschichten und Klinikpraktikum am Wochenende.

Mit was für einem Boot hast du damals diesen Nordseetörn unternommen?

Das war auf einer Sailart 18. Das war einfach so eine schöne Zeit! Nun, nach dem Bachelor, hatte ich den Luxus, dass der Masterstudiengang erst gut ein Jahr später beginnt und ich daher eine solche Auszeit auch finanziell einplanen konnte. Also habe ich mir letztlich gesagt, ich nutze die Zeit wieder zum Segeln – auch wenn die Bachelorarbeit zu diesem Zeitpunkt noch nicht ganz fertig war.

Das heißt, du hast sie unterwegs abgeschlossen?

Genau, vor Anker in Korsika habe ich sie zum Drucken geschickt.

Hast du schon immer von solchen Törns auf eigenem Kiel geträumt?

Im Gegenteil, ich hatte lange überhaupt keinen Bezug zum Segeln! Ich komme aus Ulm, dort fließt zwar die Donau, aber es ist seglerisches Ödland. Doch das Prinzip des Segelns hat mir immer schon gut gefallen, weil mich allein die Idee fasziniert, dass man nur mit dem Wind mehr oder weniger überallhin kommen kann.

Und wie kamst du letztlich aufs Wasser?

Ich habe irgendwann einen Segelkurs am Bodensee gemacht, eine Woche lang. Seitdem bin ich drangeblieben, habe meine Segelscheine bis zum SKS absolviert. Ich habe schnell gemerkt, dass ich mit der Seekarte und dem Funk umgehen können möchte und dass mir Fahrtensegeln viel mehr liegt, als sportlich vorm Hafen hin und her zu segeln.

Dann war der Schritt zum eigenen Boot also gar nicht mehr so groß?

Genau, es ging mit einer Jolle los, aber mit der bin ich nicht alt geworden. Das nächste Boot war die Sailart 18, die ich aufwendiger restauriert habe. Und dann ist da noch mein Kajak.

Warst du damit auch schon auf Langtörn?

Mit dem bin ich mal in Heidelberg gestartet und bis in die Niederlande gepaddelt. Auf der Mittelmeerreise nutze ich es aber nun als Dingi. Das geht super! Auch wenn es nur ein Einsitzer ist und einer an Land schwimmen muss, wenn wir zu zweit sind. Dann wird eine Münze geworfen. (Lacht.)

Vermisst du etwas? Hast du nach fast einem Jahr auf dem kleinen Boot vielleicht das Bedürfnis nach etwas mehr Komfort?

An Bord vermisse ich tatsächlich einen Autopiloten oder eine Windsteueranlage. Das würde mir vieles abnehmen. Aber das war in meinem Budget nicht mehr drin. Ich freue mich auch ein wenig auf ein neues WG-Zimmer, wenn ich zurückkomme. Mal wieder ein Bild an die Wand hängen, aufrecht stehen und sich im Kreis drehen können, das wird gut!

Noch bist du unterwegs. Wann und wo soll diese Reise enden?

Ich habe noch bis zum Herbst Zeit. Es geht demnächst durch die Straße von Korinth und dann vermutlich über einige griechische Inseln – Mykonos, Delos, Naxos, Santorini – bis nach Kreta. Dann weiter über Kythira zum Peloponnes. Von dort fliege ich zurück, um den Trailer zu holen und das Boot damit zurückzubringen.

Wie sind deine weiteren Segelpläne? Etwa auch wie die Habecks eine Weltumsegelung in der Etap?

Nein, das nicht. (Lacht.) Aber das Boot werde ich auf jeden Fall behalten. Ich habe nun schon viele tolle Reviere in Europa gesehen. Einige davon werde ich mir bestimmt noch einmal anschauen.

Der Skipper und sein Boot

yacht/100076165_86d1978c1c3d645608e490c83a07667cFoto: Luca Jehle

Luca Jehle ist 26 Jahre alt. In Heidelberg hat er ein Bachelorstudium in Geowissenschaften absolviert. Die Zeit bis zum Beginn seines Masterstudiengangs nutzt er für einen Kleinkreuzertörn durchs Mittelmeer. Auf weiten Strecken segelt er einhand.

Sein Boot ist eine Etap 21i Baujahr 2000. Sie ist 6,56 Meter lang, 2,49 Meter breit, hat einen Festkiel mit 0,70 Meter Tiefgang sowie eine Doppelruderanlage. Die Besegelung für den Törn besteht aus Großsegel, Fock und einem Code Zero als Leichtwindsegel. Motorisiert ist der Kleinkreuzer mit einem 10 PS ­starken Yamaha-Außenborder.

Die Reise in Zahlen

  • Distanz: mehr als 1.800 Seemeilen im Mittelmeer, insgesamt 2.300 seit der Abfahrt
  • Auf eigenem Kiel bereiste Länder: 6 (Deutschland, Frankreich, Monaco, Italien, Malta, Griechenland)
  • Inseln: 26
  • Schleusen: 12
  • besuchte Museen: 15
  • Längste Zeit allein auf See: 3 Tage

Buch-Tipp

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Mit der Etap um die Welt: In seinem Reisebericht „Mal seh’n, wie weit wir kommen“ berichtet Vater Hans Habeck von der Langfahrt seiner Familie auf einer Etap 21i. Das Buch ist 2012 bei Delius Klasing erschienen und als E‑Book erhältlich.

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