Ein Jahr Zeit nimmt er sich und fährt im Winter binnen durch Frankreich ans Mittelmeer. Dann macht er sich auf, die Länder und Inseln dort zu erkunden. Nach Stationen auf Korsika, in Italien und Sizilien hat er mittlerweile Zakynthos in Griechenland erreicht. Im Interview erzählt Luca Jehle von seinem bisherigen Törn, dem Leben, Wohnen und Reisen auf kleinem Fuß.
Ich bin hier tatsächlich eine absolute Ausnahmeerscheinung. Wenn ich andere Kleinbootsegler treffe, sind die meistens von hier. Sonst geht es hier eher ab 30 Fuß los. Ein Hafenmeister konnte es neulich nicht glauben und hat mich tatsächlich gebeten, die Bootsdokumente zu holen. Als er gesehen hat, dass ich wirklich auf 21 Fuß unterwegs bin, wusste er gar nicht, was er verlangen soll, und fragte, was ich denn woanders zahlen würde. Nun sind es 3,60 Euro pro Nacht.
Es ist eine der größten Herausforderungen der Reise, mit den 500 bis 600 Euro, die mir monatlich zur Verfügung stehen, auszukommen. Ich kann meinen Minijob aus dem Studium nebenher online weiterführen. Mehr möchte ich aber bewusst nicht arbeiten, damit ich die Zeit hier auch genießen kann.
Mittlerweile ja. Fast alles, was ich vorab gespart hatte, ist ins Boot und in die Vorbereitung geflossen. Dann bin ich mit einem Puffer von 1.000 bis 2.000 Euro losgefahren.
Das ist wahnsinnig unterschiedlich. Wenn ich allein bin, versuche ich, nur einmal pro Woche einen Hafen anzulaufen. So lange komme ich ohne Strom, neues Wasser und manchmal auch Internet aus. In den Häfen sind die Preise unterschiedlich.
In der Bucht von Neapel, mit Abstand. 150 Euro pro Nacht sind einfach viel zu viel. Der Kontrast ist schon enorm.
Die Bucht von Neapel habe ich tatsächlich als seglerisches Ödland empfunden. Darüber hinaus sind die Ziele aber alle wunderschön.
Schwierig! Die Côte d’Azur, Monaco, Korsika – das war eine recht schöne Ecke. Da habe ich spannende Leute kennengelernt und bin deshalb ein bisschen länger geblieben als ursprünglich geplant, gut zwei Wochen. Die Äolischen Inseln mit den Vulkanen waren natürlich auch toll. Und Malta!
Als ich losgefahren bin, war mein Ziel, bis Korsika zu kommen und vielleicht dort zu überwintern. Ich wollte gar nicht so viel vorab planen, weil ich selbst noch nicht ganz einschätzen konnte, wie ich vorankomme. Auf meiner bisherigen Route war dann tatsächlich alles dabei, was ich einmal sehen wollte.
Nein, ich hatte bisher schon fünf Leute zu Besuch an Bord, die jeweils für zehn bis vierzehn Tage geblieben sind. Manche habe ich sogar erst unterwegs kennengelernt.
Geplant hatte ich es nicht, aber es hat sich ergeben. Auf Elba habe ich jemanden kennengelernt, der dort gerade seinen SKS-Schein gemacht hatte und gar nicht zurück nach Hause wollte. Wir haben uns gut verstanden – dann ist er tatsächlich für drei Wochen mit mir mitgekommen. Wir sind zusammen von Rom bis nach Catania auf Sizilien gesegelt. Das hat funktioniert! Einmal sind wir sogar zu dritt gesegelt, aber da war das Boot echt voll. Ein bis zwei Personen sind ein akzeptabler Rahmen. Alles andere geht nur ein paar Tage.
Das Mittelmeer ist ein Schatz mit seiner naturräumlichen und kulturellen Vielfalt. Man fährt ein paar Meilen und sieht gefühlt immer wieder etwas Neues. Das merke ich jetzt erst so richtig, während ich hier unterwegs bin. Im Endeffekt habe ich mich aber recht spontan entschieden. Vor dem Start habe ich in Heidelberg gewohnt. Ich fand die Idee schön, von dort auf eigenem Kiel auf dem Neckar loszufahren und mich dann nach Norden oder Süden durchzuschlagen.
Leider bin ich erst Anfang Oktober 2023 losgekommen. Eigentlich sollte es früher losgehen, aber ich musste noch einiges erledigen. Mit der letzten Schleusung Ende Oktober bin ich in die Saône rüber. Mein Boot hat keine richtige Dieselheizung. Die Idee war, mit dem Klima in den Süden zu fahren, sodass es immer halbwegs warm im Boot ist.
Die Fahrt auf den Kanälen hat sich sehr gezogen. Auf der Strecke hat mich eine Freundin begleitet – wir haben etwa 120 Schleusen passiert. Das ersetzt jedes Fitnessstudio! In den kleinen Schleusen muss man selbst mit anpacken. Irgendwann hat der Winter uns eingeholt und morgens war Frost auf dem Boot. Feuchtigkeit wird dann schnell ein Problem. Unter Deck saßen wir mit Wärmflasche, Tee in der Hand und hatten den Herd noch ein bisschen an. Draußen habe ich uns in Winterjacke durch die Schleusen manövriert. Und das alles mit gelegtem Mast an Deck, um unter den Brücken herzupassen.
Das war ein super Erlebnis. Es ist machbar und war schön, aber noch einmal würde ich es nicht machen. Vielleicht war der Zeitpunkt einfach falsch gewählt.
Das stimmt. Ich bin genau am 24. Dezember in Port Napoléon angekommen. Das war mein Weihnachtsgeschenk – es war aber Zufall!
Tatsache gleich weiter! Ich habe mir natürlich ein paar Tage genommen zum Maststellen, Segelanschlagen und so weiter. Dann ging es los Richtung Marseille und die Côte d’Azur entlang. Im Golfe du Lion hat es mich gleich ordentlich erwischt, der kann im Winter sehr ungemütlich sein.
Eigentlich war es nur eine Küstenfahrt. Es war zwar starker Wind angekündigt, aber der hat sich dann doch heftiger entwickelt als erwartet. Es war kalt und ich schätze die Wellen auf zwei Meter. Anscheinend war das zu viel für mein Bötchen und der Lümmelbeschlag ist gebrochen. Ich hatte also erst mal kein Großsegel mehr, bis alles repariert war. Das war echt ärgerlich.
Bis auf diese Situation eigentlich nicht. Ich habe gemerkt, wie wichtig es ist, neben dem Wetterbericht vor allem die lokalen Windsysteme zu berücksichtigen. So wie der Düseneffekt zwischen Sardinien und Korsika. Oder das Landwind- Seewind-System. Oder eben lokale Winde wie Mistral oder Fallböen.
Auf dem Weg durch Frankreich habe ich einen treibenden Baumstamm erwischt, der mir ein Ruderblatt weggerissen hat. Das ist einer der Nachteile meiner Etap: Die Doppelruderanlage ist recht exponiert.
Das stimmt. Bei der Überlegung, was es werden soll, bin ich an einem meiner Lieblingsbücher übers Segeln hängen geblieben: „Mal seh’n, wie weit wir kommen“. Familie Habeck beschreibt darin, wie sie es auf diesem Boot, das faktisch unsinkbar ist, zu dritt auf einer Weltumsegelung ausgehalten hat. Die offenbar guten Segel- und Wohneigenschaften haben mich einfach überzeugt. Bewährt hat sich das sogar schon vor der Abfahrt, als ich während des letzten Studienjahres aus meiner WG ausgezogen bin und auf dem Neckar in Heidelberg an Bord gewohnt habe. Das war günstig und hat einen finanziellen Puffer für den Trip gegeben.
Nein, ich wollte diese super Kombination: ein sportliches Segelboot mit tollem Schnitt und innen wohnlichen Elementen – Schlafplatz, Tisch, Küche. Ich habe sogar eine Seetoilette! Also alles, was für so einen Trip relevant ist. Es war das Boot oder keins!
Nein, das hat sich in Grenzen gehalten. Ich musste zwar das alte Hartantifouling abschleifen, dann neu grundieren und neues auftragen. Darüber hinaus habe ich die Polster gereinigt und gefärbt, ein paar Holzarbeiten erledigt, neue Antirutschfarbe aufgetragen, das laufende Gut geprüft und solche Sachen eben.
Meine größte Tour zuvor war an der Nordseeküste. Ich hatte mir nach meinem Abi ein halbes Jahr Zeit genommen, um segeln zu gehen. Ich bin bei Wilhelmshaven gestartet und in Amsterdam rausgekommen. Das war schön und ich habe einiges gelernt. Das war meine Belohnung an mich selbst dafür, dass ich während der Abizeit zusätzlich eine Ausbildung zum Rettungssanitäter gemacht habe, inklusive Nachtschichten und Klinikpraktikum am Wochenende.
Das war auf einer Sailart 18. Das war einfach so eine schöne Zeit! Nun, nach dem Bachelor, hatte ich den Luxus, dass der Masterstudiengang erst gut ein Jahr später beginnt und ich daher eine solche Auszeit auch finanziell einplanen konnte. Also habe ich mir letztlich gesagt, ich nutze die Zeit wieder zum Segeln – auch wenn die Bachelorarbeit zu diesem Zeitpunkt noch nicht ganz fertig war.
Genau, vor Anker in Korsika habe ich sie zum Drucken geschickt.
Im Gegenteil, ich hatte lange überhaupt keinen Bezug zum Segeln! Ich komme aus Ulm, dort fließt zwar die Donau, aber es ist seglerisches Ödland. Doch das Prinzip des Segelns hat mir immer schon gut gefallen, weil mich allein die Idee fasziniert, dass man nur mit dem Wind mehr oder weniger überallhin kommen kann.
Ich habe irgendwann einen Segelkurs am Bodensee gemacht, eine Woche lang. Seitdem bin ich drangeblieben, habe meine Segelscheine bis zum SKS absolviert. Ich habe schnell gemerkt, dass ich mit der Seekarte und dem Funk umgehen können möchte und dass mir Fahrtensegeln viel mehr liegt, als sportlich vorm Hafen hin und her zu segeln.
Genau, es ging mit einer Jolle los, aber mit der bin ich nicht alt geworden. Das nächste Boot war die Sailart 18, die ich aufwendiger restauriert habe. Und dann ist da noch mein Kajak.
Mit dem bin ich mal in Heidelberg gestartet und bis in die Niederlande gepaddelt. Auf der Mittelmeerreise nutze ich es aber nun als Dingi. Das geht super! Auch wenn es nur ein Einsitzer ist und einer an Land schwimmen muss, wenn wir zu zweit sind. Dann wird eine Münze geworfen. (Lacht.)
An Bord vermisse ich tatsächlich einen Autopiloten oder eine Windsteueranlage. Das würde mir vieles abnehmen. Aber das war in meinem Budget nicht mehr drin. Ich freue mich auch ein wenig auf ein neues WG-Zimmer, wenn ich zurückkomme. Mal wieder ein Bild an die Wand hängen, aufrecht stehen und sich im Kreis drehen können, das wird gut!
Ich habe noch bis zum Herbst Zeit. Es geht demnächst durch die Straße von Korinth und dann vermutlich über einige griechische Inseln – Mykonos, Delos, Naxos, Santorini – bis nach Kreta. Dann weiter über Kythira zum Peloponnes. Von dort fliege ich zurück, um den Trailer zu holen und das Boot damit zurückzubringen.
Nein, das nicht. (Lacht.) Aber das Boot werde ich auf jeden Fall behalten. Ich habe nun schon viele tolle Reviere in Europa gesehen. Einige davon werde ich mir bestimmt noch einmal anschauen.
Luca Jehle ist 26 Jahre alt. In Heidelberg hat er ein Bachelorstudium in Geowissenschaften absolviert. Die Zeit bis zum Beginn seines Masterstudiengangs nutzt er für einen Kleinkreuzertörn durchs Mittelmeer. Auf weiten Strecken segelt er einhand.
Sein Boot ist eine Etap 21i Baujahr 2000. Sie ist 6,56 Meter lang, 2,49 Meter breit, hat einen Festkiel mit 0,70 Meter Tiefgang sowie eine Doppelruderanlage. Die Besegelung für den Törn besteht aus Großsegel, Fock und einem Code Zero als Leichtwindsegel. Motorisiert ist der Kleinkreuzer mit einem 10 PS starken Yamaha-Außenborder.
Mit der Etap um die Welt: In seinem Reisebericht „Mal seh’n, wie weit wir kommen“ berichtet Vater Hans Habeck von der Langfahrt seiner Familie auf einer Etap 21i. Das Buch ist 2012 bei Delius Klasing erschienen und als E‑Book erhältlich.