Glosse Wolffs Revier“Wie kann man nur alles so negativ sehen?”

YACHT-Redaktion

 · 24.12.2022

Glosse Wolffs Revier: “Wie kann man nur alles so negativ sehen?”Foto: YACHT/F. Gunkel
Die Autorin Steffi von Wolff

Segeln ist schön, wir alle lieben es und der Dauernörgler doch bestimmt auch – aber warum nörgelt er dann dauernd?

Das Leben an Bord einer Segelyacht und in den Häfen bietet so manch skurrile Begegnung. Autorin Steffi von Wolff erzählt in ihrer Glosse Wolffs Revier regelmäßig von ihren Erlebnissen als Bordfrau. Nicht immer ernst gemeint, oft satirisch überspitzt, aber immer mit viel Herz und einem Augenzwinkern.

Der Dauernörgler

Es gibt ja diverse Arten zu segeln oder Zeit auf einem Boot zu verbringen. Manche tun es allein, manche als Paar, mit Familie, mit Freunden oder Kollegen oder was auch immer. Und meistens sieht man beim Segeln oder im Hafen entspannte, fröhliche Gesichter, es sei denn, das Boot ist gerade fast in einem Sturm havariert und man hat sich kurz gefühlt wie George Clooney in „Der Sturm“.

Dann aber, das stelle ich in meinem persönlichen Hafenkino gerne hin und wieder fest, gibt es Wassermenschen, die nie mit irgendwas zufrieden sind, auch nicht, wenn sie sich auf ihrem Boot aufhalten. Die Dauernörgler.

Oft hört man sie schon beim Einlaufen in den Hafen rummeckern.

„Das ist doch scheiße, hier ist ja alles rot, die kommen doch bestimmt heute nicht zurück, das ist das Allerletzte ist das.“

„Da sind noch Plätze frei“, sagt dann ein mittlerweile wahrscheinlich abgestumpfter Mitsegler.

Der Dauernörgler grummelt: „Da ist es nicht tief genug.“

„Ach so. Und da?“

„Guck dir doch mal die Leute an, die sind ja jetzt schon besoffen. Bestimmt würfeln die heute Abend und grölen dann rum wie so Vollidioten.“

Manchmal mischt die Ehefrau sich dann ein. „Holger, bitte. Die Leute gucken schon.“

„Mpf, mpf, sollen sie doch gucken. Ich fahr hier wieder raus.“

Manchmal haben wir das Glück, dass Dauernörgler neben uns liegen. Das ist immer unterhaltsam.

Das Anlegen wird zum Brennpunktthema, nichts ist ihm gut genug und recht, und alles sind Schrumpfhirne und Vollidioten. Manchmal stehen Leute auf dem Steg und gucken, die werden gern vom Dauernörgler mit einem gebellten „Gehen Sie da weg!“ begrüßt.

Der Dauernörgler grüßt uns natürlich nicht, sondern tötet uns Nachbarn mit Blicken und guckt nur, ob unsere Fender ausreichen. Fast denke ich, er hofft, dass dem nicht so ist.

Alle scharwenzeln um ihn herum, damit er nicht total ausflippt.

Da entstehen auch schöne Dialoge:

„Jetzt setz dich doch mal, Holger. Ich schieß die Leinen schon auf.“

„Aber richtig.“

„Ja, richtig.“

„Nee, so nicht. Anders. Mach das anders. Anders.“

„Wie denn?“

„Anders eben.“

„So?“

„Nein.“

„So?“

„Nein. Anders. Hab ich doch gesagt.“

Er holt sich dann ein Bier.

Frau: „Ist das nicht zu früh für Bier?“

Er: „Wir sind hier nicht in der Waldorfschule.“

Dann trinkt er Bier und nörgelt dabei über das Wetter, über den Hafen und über die Möwen („Da hockt schon wieder eine auf dem Pfahl. Hätt ich nur ne Zwille“).

Manchmal schlurft er dann los, um Hafengeld zu bezahlen und zu duschen, was natürlich vorher angekündigt wird.

„Bestimmt sind das Sammelduschen.“

„Ich sag dir, die haben hier kein W-Lan.“

„Im Kiosk gibt’s bestimmt keine Bratwurst.“

Hin und wieder mobilisiert ein Mitsegler seine Restmotivation: „Ach, Holger, jetzt mach doch nicht alles schlecht“, und Holger zischt murrend ab.

Wenn er wiederkommt, geht es natürlich weiter.

„Da war kaum warmes Wasser, die spinnen ja, und das Hafengeld ist teurer geworden, Schwachköpfe, aber dafür gibt’s kein W-Lan, hab ich’s nicht gesagt?“

Wenigstens gab es nicht Bratwurst, sondern Currywurst, aber die „ist nicht richtig durch, und in einer Currywurst muss Curry in der Wurst sein und nicht nur in der Soße, lernen die’s auch mal?“

Einmal sagte ein Dauernörgler zu mir, als ich ihm freundlich zunickte: „Was glotzen Sie denn so?“

Was ich so schade finde, ist, dass die Dauernörgler sich das Leben unnötig schwermachen. Da sitzt man auf seinem Boot, die Sonne scheint, man hat einen schönen Tag hinter sich und freut sich auf einen schönen Abend, aber der Nörgler sieht in fast allem nur das Schlechte.

„Da spielt einer auf ‘ner Mundharmonika ‚Biscaya‘, ich dreh gleich durch. Was ist denn das für ein Horst!“

„Da grillen welche, und der Gestank zieht hierher, schönen Dank auch.“

„Ich finde, das Betreten des Stegs sollte für Touristen verboten sein.“

Wenn jemand sagt: „Guck mal, der schöne Sonnenuntergang“, kommt ein genervtes „Das ist auch nur roter Himmel. Da muss man nicht so ein Geschiss drum machen.“

Eigentlich tut er mir leid, der Muffelkopp. Ihm entgeht so viel Schönes. Was hat man eigentlich davon, wenn man alles so negativ sieht?

Keine Ahnung. Aber sieht er sich selbst auch so?

Neben einem Muffelkopp wollte mal ein anderes Boot festmachen, die Frau stand vorn und rief zu ihrem Mann: „Nee, Jens, fahr mal woanders hin, der Mann hier sieht aus wie so ein Giftknochen, der ist bestimmt nur am Meckern.“

„So was“, sagte der Dauernörgler. „Wie kann man denn nur im Vorfeld alles so negativ sehen? Schwachköpfe.“

Besinnliche Feiertage!



Das Segel-Buch von Steffi von Wolff: