YACHT-Redaktion
· 19.11.2022
Es gibt Anlegen und Anlegen. Besonders gut ist es, wenn Flaute herrscht und man das Boot mitsamt seiner intakten Beziehung in die Box fährt. Es gibt allerdings auch Situationen, in denen alles schiefgeht und das Anlegen irgendwann zur kompletten Nebensache wird!
Das Leben an Bord einer Segelyacht und in den Häfen bietet so manch skurrile Begegnung. Autorin Steffi von Wolff erzählt in ihrer Glosse „Wolffs Revier“ regelmäßig von ihren Erlebnissen als Bordfrau. Nicht immer ernst gemeint, oft satirisch überspitzt, aber immer mit viel Herz und einem Augenzwinkern. Dieses Mal geht es um das Anlegen, oder besser darum, dass es manchmal gar nicht mehr ums Anlegen geht, sondern um ganz andere An(ge)legenheiten .
An einem schönen Samstagnachmittag sitze ich im Cockpit unseres Schiffes. Es ist herrlich ruhig. Mein Mann ist beim Einkaufen.
„Oh, guck mal, die Box da vorne neben dem roten Motorsegler. Da sind sogar Pfahlfender, das ist ja super“, höre ich und schaue von meinem Buch hoch. Langsam fährt ein Boot an unserem Liegeplatz vorbei. Vorn eine sympathische Frau Anfang vierzig, hinten ein – wie so oft – gestresst aussehender Mann im gleichen Alter. Ein junger Labrador sitzt da und ist einfach süß.
„Die Box ist zu groß. Das macht man doch nicht!“, ruft der Mann nun.
„Ist sie nicht, da steht drei Meter vierzig, das passt.“
„Ich mach mich doch nicht zum Affen.“
„Wieso solltest du?“
„Ich fahr doch nicht in ‘ne Box mit Pfahlfendern, das machen ja wohl nur Rentner.“
„Aha“, sagt die Frau mit einem leicht giftigen Unterton. „Wir haben doch auch Pfahlfender auf unserem Liegeplatz.“
„Na und? Da kennt man mich ja auch“, sagt der Mann.
Hä? Ich lege das Buch weg.
„Der Platz ist super“, sagt die Frau und wedelt mit der Leine. „Lass uns den nehmen.“
„Nein, ich nehm nicht den erstbesten Platz. Es gibt bestimmt bessere.“ Nun, das könnte mein Mann sein. Nicht nur einmal haben wir schlussendlich im Päckchen neben einem Junggesellenabschiedsboot gelegen, weil man den erstbesten Platz unter gar keinen Umständen nehmen darf. Es gibt doch noch so viele andere und bessere.
„Wir waren doch schon an jedem Steg.“ Nun wird die Frau wirklich sauer. „Außerdem hab ich Hunger, ich hab keine Lust, hier noch ewig rumzugurken. Ich muss auch mit dem Hund gehen.“ Der Hund scheint zu nicken.
„Der muss das lernen“, kommt es vom Rad.
Ein Boot mit einer Herrencrew fährt grüßend an ihnen vorbei und man entschließt sich für den Platz mit den Pfahlfendern.
„Ganz toll, Roland“, keift die Frau nun und schmeißt die Leine auf das Vorschiff. „Jetzt ist der Platz weg.“
„Ich wollte den sowieso nicht, mach doch hier bitte keinen Aufriss, du bist ja peinlich.“
„Ach, ICH bin peinlich? Ich glaub ja eher, DU bist peinlich. ‚Ich bin doch kein Rentner und fahr auf einen Platz mit Pfahlfendern.‘ Der Hafen ist total voll. Und jetzt?“
„Mach doch nicht aus allem ein Drama.“
Oha. Das wird noch lustig. Es handelt sich nämlich um Vertreter der Gattung „Padibast“, was selbstredend „Paare, die beim Anlegen streiten“ heißt.
Padibasts gibt’s in jedem Hafen. Während sie mit ihrem Boot auf der Suche nach einem Liegeplatz herumirren, kommt es zu Auseinandersetzungen, die oft ans Eingemachte gehen. In einer Schleuse haben wir es mal erlebt, dass der Eigner eines Motorseglers auf seine Partnerin mit einem Fender einschlug, weil sie das Boot nicht richtig festgemacht hatte. Sie ist dann vom Schiff geklettert und wütend weggelaufen. Ich frage mich oft, wie solche Geschichten weitergehen.
Zurück zu den heutigen Padibasts.
„Ich mache kein Drama, ich sehe nur den Tatsachen ins Auge. Hier ist nichts mehr frei, nur da drüben der kleine Platz neben der Dehler.“
„Na also, den können wir doch nehmen.“ Roland legt den Rückwärtsgang ein.
„Der ist winzig, da kommen wir nicht rein.“
„Ach Antje. Sieh doch nicht immer so schwarz. Du bist so grundnegativ. Aus allem machst du ein Drama. Aus den kleinsten Kleinigkeiten. Aus nichts machst du eine Katastrophe.“
Antje schnappatmet. „Ach ja? Nenn mal ein Beispiel.“
„Dass der Hund angeblich immer muss. Dass alles zu klein oder zu groß oder zu süß oder zu doof oder zu salzig oder was weiß ich ist.“
„Zu salzig? Was war mir denn bitte jemals zu salzig?“
Roland fährt auf den vermeintlich zu kleinen Platz zu und antwortet einfach nicht. Das ist bei vielen Frauen ein Fehler, der fatale Folgen haben kann.
„Ich fragte, was bei mir zu salzig war!“ Antjes Stimme ist nun sehr laut.
„Keine Ahnung. Aber wenn wir gerade bei salzig sind, du würzt immer mit zu viel Salz.“
„Sagt der Mann, der ein Kilo Salz auf jedes Ei, in jede Suppe und auf jedes Steak schüttet. Und sich in Restaurants unbeliebt macht. ‚Ich brauche noch Salz‘“, macht sie ihn nach. „Obwohl du noch gar nicht probiert hast. So ist das nämlich.“
„Ja, ja, bla, bla.“ Roland gibt Gas und rast auf die Box zu, bleibt dann zwischen den Pfählen stecken, und Antje fällt auf den Hintern. Der Labrador bellt erschrocken, hebt dann das Bein und der Strahl trifft Antjes Jeans.
Sie steht auf und sieht nun aus wie ein Racheengel auf LSD.
„HAB ICH DIR NICHT GESAGT, DASS DER HUND MUSS?“, wird Roland angebrüllt und der wird nun rot vor Zorn, weil das Schiff sich weder vor- noch zurückbewegen lässt. Das Aufheulen des Motors könnte Tote aufwecken.
„Du mit deiner verdammten Arroganz, meine Mutter hat schon immer gesagt, pass auf mit Roland, der weiß alles besser und alle anderen sind doof, das hat sie gesagt. Und sie hat recht. Jetzt guck doch, der Platz ist zu klein, du brauchst gar nicht so zu schauen.“
„Du stellst dich an!“
„Ich stelle mich nicht an. Das sagst du immer, wenn du nicht weiterweißt. Letztens auf dem Geburtstag hast du mit Britta geflirtet und auch gesagt, ich würde mich anstellen. ‚Ach, hast du schöne Augen, Britta, die sind ja ganz blau.‘ Deine Augen sind auch bald blau!“ Antjes Stimme kippt, während der Labrador aufheult und dann sein großes Geschäft verrichtet. Auf dem Teakdeck, wie ich sehen kann.
Roland wirkt nun verzweifelt, weil nichts mehr geht.
„Wenn wir gerade dabei sind!“, ruft er nun nach vorn. „Meine Mutter hat gesagt, Britta ist eine von den Frauen, die immer gestresst sind, obwohl gar nichts los ist, und immer wird alles zum Drama. ‚Hach, ich hab keine Steaks bekommen, hach, in der Kita haben alle Kopfläuse, hach, der Porsche muss zur Inspektion, da krieg ich wieder so einen peinlichen Leihwagen, hach, hach, hach! ICH HAB DA KEINEN BOCK MEHR DRAUF!“, brüllt er Antje an.
Der Labrador hat genug und springt einfach ins Wasser.
„NA BRAVO!“, schreit sie. „Jetzt mach doch was, Schlumpf ertrinkt sonst!“
Den Eindruck habe ich nicht, Schlumpf schwimmt einfach davon. Er hat genug.
„Ja, was soll ich denn machen!“, kontert Roland. „Du kannst ja auch mal eine Idee haben.“
„Eine Idee haben!“, äfft Antje ihn nach. „Was hast du denn für Ideen? Nur schwachsinnige. Und du … du … du kochst ja noch nicht mal auf dem Boot! Noch nicht mal das kannst du!“
„Was soll ich denn noch kochen? Ich mach doch sonst alles, damit die gnädige Frau zufrieden ist!“
„Du kochst ja noch nicht mal Geschnetzeltes mit Reis, obwohl du weißt, dass ich das liebe!“
„Dann koch’s doch selbst!“, blökt Roland.
„Am besten mach ich zukünftig alles allein!“, schreit Antje. „Das ist besser. Sagt meine Mutter auch!“
„Und meine Mutter sagt, die Antje solltest du über Bord werfen, wenn sie so rumzickt!“, kreischt Roland.
„Du tust immer so, als könntest du alles besser! Dabei ist das nicht so!“, kreischt Antje, deren Haare nun zu Berge stehen. „Du bist dumm! Dumm bist du! Oder wer hat die Klobürste in die Spülmaschine getan? War ich das? War ich das?“
Gleich wird sie komplett durchdrehen. Sie richtet sich auf und will mit starkem Schritt zu ihrem Mann nach hinten gehen, wahrscheinlich, um ihn mit einem gezielten Handkantenschlag zu meucheln, rutscht aber leider auf Schlumpfs Hinterlassenschaft aus, stolpert, strauchelt und stürzt ins Hafenbecken.
Roland legt den Rückwärtsgang ein, und auf einmal schießt das Boot nach hinten. Ich stehe auf und schaue erst mal nach Antje. Böse schwimmt sie Schlumpf hinterher. Da hinten sind Leitern.
Mein Mann kommt vom Einkaufen zurück.
„Ich hab Kalbsschnitzel mitgebracht“, sagt er. „Heut Abend koch ich für dich. Geschnetzeltes mit Reis, das magst du doch so.“
Ich bin sehr, sehr dankbar.
Schönes Wochenende!