YACHT-Redaktion
· 05.03.2024
“Schatz, ich habe eine Bitte.“ Mein Mann sagt das so freundlich, dass ich Angst bekomme. „Bald ist doch die Jahreshauptversammlung vom Verein mit anschließender Feier im Segelclub“, fährt er fort und ergänzt, dass da jeder etwas mitbringen solle. „Ich weiß. Das ist seit über 20 Jahren so“, entgegne ich. „Und?“ Er beginnt herumzudrucksen: „Na ja, und ich hab letztens in der Halle gesagt, also es ging hin und her, während ich mit Wolle und Hanno so rumgewerkelt habe, na ja, und jedenfalls haben wir da über die Feier gesprochen, und Wolle hat gesagt, dass Karla wieder ihre grandiose zweistöckige Buttercremetorte macht, die alle so lieben. Und Hanno hat gesagt, er und Birte bringen Variationen von marokkanischen Vorspeisen mit, weil sie doch in Marokko waren, und ...“
Ich drehe mich um und unterbreche ihn: „Ich mache wie immer einen schönen Kartoffelsalat!“ Er nickt. „Genau darum geht es. Hanno und Wolle sagten, ,ach‘, sagten sie, ‚deine Frau macht sicher wieder ihren schönen Kartoffelsalat.‘“ Bittend guckt er mich an. „Was ist daran so schlimm?“, will ich wissen. Er: „Die haben das ‚schön‘ so, so abfällig ausgesprochen. Da hab ich gesagt, dass du in diesem Jahr keinen Salat machst.“ Ich lege das Messer, mit dem ich gerade Gulasch schneiden wollte, beiseite. Sicher ist sicher. „Was hast du ihnen versprochen? Raus mit der Sprache!“ Mein Mann windet sich sichtlich, dann nuschelt er: „Wildschwein am Spieß!“ Ich muss mich verhört haben.
Doch da holt er aus: „So richtig schön mariniert muss das sein, mit viel Knoblauch. Das musst du ein paar Tage einlegen, damit das Fleisch saftig wird. Das wird ein Gaumenschmaus. Ha! Da kann keiner mithalten! Ich kann das ja nicht, ich hab ja beim Kochen zwei linke Hände. Aber du, du machst das bestimmt super!“
Zwei Wochen später. „Wie schön, dass wir vollzählig versammelt sind“, lässt uns Horst vom Vorstand wissen. Fast wäre ich nicht mitgekommen. Die letzten Tage haben an meinen Nerven gezerrt, aber wenigstens haben wir das Riesenvieh, schon an den Spießen befestigt, mit einem Anhänger zum Verein kutschiert. Das verfluchte Biest wiegt auch ohne Fell noch fast hundert Kilo. Noch nie im Leben habe ich so viele Knoblauchzehen geschält. Von den Zwiebeln für die Soße ganz abgesehen. Und mein Mann? Stand vorhin nach der Ankunft da, gütig lächelnd: „Ach wo, war doch keine Arbeit. Es hat Spaß gemacht, und schaut euch das Prachtstück an. Klar war es anstrengend, es einzulegen, aber einem richtigen Mann macht so was nichts aus.“
In Wahrheit hat der Keiler fünf Tage in unserer Badewanne gelegen und mich böse angeschaut. Mein Mann konnte den Anblick nicht ertragen, weil er sich verfolgt fühlte!
„Also, kommen wir zu den Tagesordnungspunkten“, sagt Horst nun und blättert in seinen Unterlagen. „Zum Beispiel zu dem, dass auch Segler im Verein mehr helfen sollen. Da kam eine Mail, die Motorbootfahrer würden das meiste machen.“ Ina lacht kehlig auf. „Das darf ja wohl nicht wahr sein. Jedes Jahr helfen Eike und ich“, wird Horst korrigiert. „Ich weiß gar nicht, wie viele Stege wir schon gedampfstrahlt haben. Von den Mobofahrern hab ich da keinen einzigen gesehen.“
Lothar steht auf und schlägt auf den Tisch. „Wer hat denn die Duschräume erneuert? Wer? Und hab ich ein Danke gehört? Die neuen Kacheln hab ich nie in Rechnung gestellt. Jetzt heißt es, die Mobofahrer helfen mehr. Dass ich nicht lache. Diese Lusche mit der Riesenbratze an Steg A hat zu mir noch gesagt: ,So blöd wär ich nicht, das alles für lau zu machen.‘“
„Äh, Lothar, wir wissen deine Arbeit für den Verein sehr zu schätzen. Es geht aber nicht nur um dich, es geht ja um uns alle. Dieser Punkt ist jetzt ganz wichtig, denn der Hafen sieht nach dem Jahrhundertsturm aus, als habe ein Orkan gewütet und …“
„Es hat ja auch ein Orkan gewütet“, wirft mein Mann augenrollend ein und schaut auf die Uhr. Der Keiler, der Keiler. Die Soße, die Soße. „Äh, danke“, sagt Horst. „Und dann wäre da noch die Sache mit den Füchsen …“ Doch meinem Mann reißt allmählich der Geduldsfaden: „Wir wollen hier auch fertig werden, ich hab Hunger.“ Während er das sagt, trommelt er demonstrativ mit den Fingern auf dem Tisch herum.
Doch er hat die Rechnung ohne Norbert gemacht. „Dass du nicht hilfst, ist ja klar“, giftet der nun plötzlich von der Seite. „Du drückst dich ja immer, und jedes Jahr ist es was anderes. Bei dir übrigens auch, Olli. Einmal war es der Arm, dann lag was mit deinem Schließmuskel im Argen, und …“ Olli wird rot. „Das war nicht der Schließmuskel, sondern das angebrochene Steißbein“, rechtfertigt er sich. „Weil ich während der Clubhausreinigung gestolpert bin.“ Norbert winkt verächtlich ab. „Ach, du stellst dich doch immer an.“
„Sicher“, entgegnet Olli, der normalerweise keiner Fliege was zu Leide tun mag, nun sichtlich wütend. „Falls du beim Anlegen noch mal Hilfe brauchst, kannst du dir jemand anderen suchen! Ich kugele mir wegen dir bei Starkwind keinen Arm mehr aus, um mir dann sagen zu lassen, ich würde nichts für den Verein tun.“ Das hat gesessen. Norbert stutzt, und man sieht förmlich, wie es in ihm arbeitet. Irgendwas muss dran sein an Ollis Tirade. Ist da etwa einer in seiner Skipperehre verletzt, von wegen nicht allein anlegen können? Jedenfalls wagt Norbert keine Widerworte. Schmollend, mit zusammengekniffenen Lippen, lässt er sich auf seinen Stuhl zurückplumpsen.
„Wie gesagt, wir haben auch noch andere Punkte“, ruft Horst und versucht, das Kommando wieder an sich zu reißen, indem er wie ein Richter, nur nicht mit einem Hammer, sondern mit einer Bierflasche, lautstark auf den Tisch klopft. So sehr, man weiß gar nicht, um was man mehr Angst haben soll, die Flasche oder den Tisch. „Zum Beispiel möchte ich euch also endlich alle darauf hinweisen, dass hier auf dem Gelände vom Verein vermehrt Füchse ihr Unwesen treiben. Das heißt im Klartext, dass …“ Horst hat einfach kein Glück. Oder kein Durchsetzungsvermögen. Oder beides beziehungsweise beides nicht.
„Lasst uns doch einfach eine Liste erstellen, dann trägt jeder ein, was er machen will“, fällt Ulf ihm ungeniert ins Wort. „Dann werden wir schon sehen, wer die Sturmschäden beseitigt und wer sich drückt.“ Beifallheischend schaut er in die Runde. Ich nicke. Bin ich die Einzige? Offenbar. Birte meldet sich. „Wir wollen doch heute schön feiern und uns nicht mit so einem lästigen Kram beschäftigen, den Mobofahrer in die Welt setzen. Wir haben doch eine Vereinszusammenkunft, wir wollen fröhlich sein! Wenn ihr mich fragt, ist das vertane Zeit. Ich will jetzt Wein trinken. Und einen schönen Salat zu dem wunderbaren Keiler essen, der vor der Tür auf uns wartet!“
Aber nichts da! „Also ich mach wieder meine leckere Torte für alle fleißigen Helfer“, erklärt sich Karla bereit. „Nicht, dass du dich übernimmst“, kontert Sigrid. „Es ist schon eine Wahnsinnsarbeit, die Torte aus dem Tiefkühlregal beim Edeka zu nehmen.“ Ja, auch die Vereinsdamen schenken sich nichts. Karla wird rot. „Also so was …“ Doch Sigrid stichelt weiter: „Glaub mal nicht, dass wir das nicht wissen.“
„Das ist doch ganz egal, der Kuchen schmeckt doch“, wirft Horst ein und versucht erneut, das Thema auf Bedeutenderes zu lenken: „Die kaputten Stege, die kaputten Stege! Und die Füchse, sie …“ Wieder ohne Erfolg. Mein Mann schüttelt nur noch den Kopf. Ich weiß, dass er denkt: „Das ist ja ein Irrenhaus hier, mir geht schon wieder die Pumpe.“
Horst versucht es unverdrossen weiter. „Also die Stege sind das Wichtigste. Die Stromkästen müssen repariert werden, die Pfähle erneuert, und dann brauchen wir unbedingt einige Ehrenamtliche, die Hans-Werner im Hafenmeisterbüro unterstützen. Er kann das altersbedingt nicht mehr so gut, deswegen ist er auch heute nicht hier.“ Nun wird mein Mann grob. „Der stellt sich an“, sagt er. „Hat er schon immer gemacht. Das Alter! Dass ich nicht lache.“ Ich nehme mir vor, ihn an seine Worte zu erinnern, wenn er selbst wieder über Wehwehchen jammert. Die treten gern in der segelfreien Zeit mal auf.
„Hans-Werner wird in diesem Jahr hundert“, bekommt er von Horst erklärt. „Na und? Hat er ein appes Bein? Hat er Gicht? Hat er was mit den Augen? Er macht das doch wunderbar“, findet Gregor, und alle nicken zustimmend. Ich fasse es nicht und schnippe mit den Fingern wie in der Schule. „Ich helfe ihm“, sage ich, und will noch fragen: „Wer noch?“, doch da hören wir die Geräusche.
Ich stehe erschrocken auf und sause in den vorderen Raum, dahin, wo schon alles für die Party aufgebaut war. „Verdammt noch mal!“, rufe ich, während sechs oder sieben Füchse aufgeschreckt das Weite suchen. Es ist so gut wie nichts mehr da: Der Keiler ist fast komplett abgefressen, die Salatschüsseln sind leer und umgekippt, Brot- und Tortenreste liegen auf dem Boden verstreut. „Das war der wichtigste Punkt“, sagt Horst mit leisem Triumph in der Stimme: „Die Füchse!“ Mein Mann murmelt nur: „Ich hab doch gleich gesagt, dass die ganze Rederei nichts bringt. Jetzt haben wir den Salat.“ Wohl eher nicht.
Steffi von Wolff