Glosse Wolffs RevierEin Törn mit Fremden. Einmal und nie wieder!

YACHT-Redaktion

 · 12.11.2022

Glosse Wolffs Revier: Ein Törn mit Fremden. Einmal und nie wieder!Foto: YACHT/F. Gunkel
Die Autorin Steffi von Wolff

Man lernt sich auf irgendeinem Fest oder einer Veranstaltung kennen, alle segeln, wunderbar, und man wird gefragt: „Ach, wir haben ja gerade kein Boot, wollen wir nicht mal zu viert auf eurem segeln?“ Na klar, supergern. Das wird sicher total schön, das Wochenende … ach was, das wird super!

Das Leben an Bord einer Segelyacht und in den Häfen bietet so manch skurrile Begegnung. Autorin Steffi von Wolff erzählt in ihrer Glosse Wolffs Revier regelmäßig von ihren Erlebnissen als Bordfrau. Nicht immer ernst gemeint, oft satirisch überspitzt, aber immer mit viel Herz und einem Augenzwinkern. Dieses Mal geht es um einen Törn mit Fremden.

Besuch kommt an Bord

„Es ist so schön, dass das geklappt hat“, sagt Dörte froh und reicht mir ihre Tasche über den Bug. „Warte, da kommt noch eine. So, und hier ist die von Jan. Und hier die andere.“

Ich wuchte die Taschen hinter mich. Himmel, sind die schwer.

„Was ist denn das für eine komische Konstruktion?“, fragt Dörte nun, während sie hochklettert. „Kommt ihr nicht ohne einen Vorbau an Bord?“

„Nein, der Bugkorb ist zu weit hinten, da kann ich mich nicht gut festhalten“, lautet meine Antwort. „Deswegen hat mein Mann mir was gebastelt.“

„Na, das muss man aber als Seglerin ohne Hilfe schaffen“, gibt Dörte zurück. Es ist ein Freitagnachmittag im Flensburger Stadthafen. Herbst. Sonne. Schönes Licht. Wir haben Jan und Dörte auf einem Seglerfest kennengelernt und waren uns gleich sympathisch. So kam eins zum anderen, und nun sind wir hier.

„Ihr habt ja gar kein Relingsnetz“, sagt Dörte.

„Nein, warum auch?“, frage ich.

„Na ja, das müsst ihr wissen, aber ich finde, das ist ein Sicherheitsaspekt. Ach, hallo!“ Sie umarmt meinen Mann, der mit Jan schon im Cockpit sitzt. „Das ist aber ein kleiner Tisch hier.“

„Uns genügt er.“ So ganz langsam, ganz langsam finde ich das übergriffig und respektlos.

„Möchtest du was trinken?“, fragt mein Mann.

„Ich hab uns Crémant gekauft“, sage ich. „Und kaltgestellt.“

„Ui, das hättste dir sparen können, die Dörte verträgt nichts mit Kohlensäure. Das wollt ihr nicht erleben.“ Dörte nickt.

„Aha. Aber ich kann ja Crémant trinken“, sage ich.

„Wenn du meinst“, sagt Dörte. „Habt ihr schwarzen Johannisbeersaft oder Malventee?“

„Äh, nein.“

„Hm. Na ja, dann bleib ich erst mal bei Wasser. Ich guck mir mal das Boot an.“

Sie geht runter.

Das Abendessen

„Hier ist es aber eng. Gefällt dir das mit der Pantry? Mir wäre das ja zu wenig Arbeitsfläche und dann auch noch eine helle Arbeitsplatte, na ja. Was gibt’s denn zu essen?“

„Wir wollten mit euch essen gehen.“

„Essen gehen ist viel zu teuer. Ich hab alles dabei. Ich koche.“

Auch gut. Sie fängt an herumzuwerkeln. „Wie hast du denn die Schapps eingeräumt? Das ist ja völlig unpraktisch. Wo sind denn die Töpfe? Was ist das denn für ein merkwürdiger Platz für Gewürze? Na ja.“

Ich stehe da und sage nichts. Wieso ist mir das auf diesem Fest nicht aufgefallen?

„Möchtest du auch ein Bier?“, höre ich meinen Mann oben fragen.

„Hast du auch einen richtig guten Rum?“, fragt Jan.

„Äh, ja.“ Ich höre, wie mein Mann aufsteht.

Natürlich haben wir so richtig guten Rum. Für besondere Gelegenheiten. Wenn man einen Orkan überlebt hat beispielsweise. Oder eine von einer Welle aus dem Auge gespülte Kontaktlinse wiedergefunden. Wenn man Skorbut überwunden und über Bord gegangene Familienangehörige aus der Arktis gezogen hat. Dafür haben wir einen guten Rum an Bord.

Mein Mann kommt nach unten und holte den guten Rum. Er lächelt mich an und scheint guter Dinge. Na ja.

„Ah, ein Don Q Reserva de la Familia Serrallés.“ Jan nickt gönnerhaft. „Gibt Bessere. Ach, Rum könnt ich literweise wegsüffeln.“

Da kommt Dörte mit zwei Tupperschüsseln hoch und reicht Jan eine davon.

„Kichererbsensuppe“, sagt sie.

„Aha. Stehen unsere Teller noch unten?“

Beide glotzen uns an. „Nein, für euch hab ich jetzt nicht gekocht, das war ja so gar nicht abgesprochen; ihr wolltet ja essen gehen.“

Aha.

Gegen 21 Uhr bin ich so fertig von Dörte und Jan, dass ich Kopfweh vortäusche und in die Koje krieche. Wie soll man das aushalten? Nichts ist gut, alles doof.

Mein Mann sagt später leise „Da müssen wir durch“ zu mir. Er sagt auch: „Jan hat den ganzen Rum ausgetrunken.“

Klar, den kann man ja auch literweise wegsüffeln.

Der nächste Tag

„Das ist das Frühstück? Aha. Habt ihr Porridge? Obst? Tomaten? Gurke?. Na ja. Nein, die Wurst ess ich nicht. Die vertrag ich nicht, da krieg ich Sodbrennen, da gibt die Mettwurst noch mal Pfötchen. Ich bleib dann bei meinem Eisenkrauttee. Gut, dass ich den mitgebracht habe. Also wie ihr euch ernährt. Na ja, müsst ihr wissen.“

Wir wollen dann nach Lyø segeln, der Wind passt, es ist wunderbar.

„Eure Winschen sind ja viel zu klein“, stellt Jan fest. „Also da habt ihr euch aber über den Tisch ziehen lassen. Und die Leinen sind ja wohl aus China. Schlechte Ware.“

„Die sind nicht aus China“, sagt mein Mann. „Die sind aus …“

„Ist ja auch egal. Sag mal, wie steuerst du denn? Ich dachte, du kannst das. Du eierst ja voll.“

„Der Wind wechselt ja auch ständig.“

„Na ja“, sagt Dörte. „Ich muss mal.“ Sie geht nach unten.

„Bitte kein Klopapier in die Schüssel!“, rufe ich ihr nach.

„Das pumpt ja gar nicht richtig ab. Das ist ja voll verstopft“, ertönt es dann. Na bravo.

„Ich hatte doch gesagt, kein Klopapier …“

„Ich dachte, das sei ein Scherz. Ein Klo muss ja wohl Klopapier abkönnen. Na ja. Müsst ihr wissen.“

In Lyø wird das Anlegen zum Desaster, weil Jan auf nichts hört und Dörte sich weigert, zu helfen. „Ich bin nicht zum Arbeiten hier.“

Ich wiederum bin wie gerädert und danke Gott, als die beiden duschen gehen.

Das Finale

Ich sehe, dass mein Mann seelenruhig die Leinen löst.

„Was machst du da?“

„Ich mach die billigen Leinen los und fahre das Schiff mit dem zu kleinen Tisch und den winzigen Winschen jetzt in unseren Heimathafen. Dann gehen wir essen und dann saufen wir literweise den Rum, den ich noch kaufen werde. Die können mich mal. Los, pack die Sachen von den beiden zusammen und auf den Steg damit.“

Das lasse ich mir nicht zweimal sagen.

Eine Viertelstunde später klingelt mein Handy.

„Wo seid ihr denn?“, fragt Dörte. „Wir finden euch gar nicht mehr.“

„Wir sind ja auch nicht mehr da“, sage ich, sekündlich fröhlicher werdend.

„Ja, aber …“

„Ihr könnt ja noch bleiben und es euch nett machen, aber ohne uns. Uns egal. Müsst ihr wissen.“

Dann lege ich einfach auf.

Nie wieder. Nie wieder werde ich mit beinahe Fremden ein Wochenende auf dem Boot verbringen.

Na ja, jedenfalls nicht mit solchen.

Schönes Wochenende!



Das Segel-Buch von Steffi von Wolff: