YACHT-Redaktion
· 26.11.2022
Wenn der beste Freund zum ersten Mal mit zum Schiff kommt und man mit vor Stolz geblähter Brust nur darauf wartet, ihm alles zu zeigen, dann, ja dann, sollte man sich auf merkwürdige Fragen und Situationen einstellen. Und natürlich ist er trotzdem bestens vorbereitet …
Das Leben an Bord einer Segelyacht und in den Häfen bietet so manch skurrile Begegnung. Autorin Steffi von Wolff erzählt in ihrer Glosse „Wolffs Revier“ regelmäßig von ihren Erlebnissen als Bordfrau. Nicht immer ernst gemeint, oft satirisch überspitzt, aber immer mit viel Herz und einem Augenzwinkern.
Mein bester Freund war im Sommer zu Besuch an Bord.
„Ach, das ist das Schiff“, sagte Bobo, als er vor unserem Boot stand. „Das hab ich mir viel größer vorgestellt.“
Nun, die Yacht von Abramowitsch ist es nicht, aber auch keine Nussschale.
Ich half Bobo an Bord.
„Bring bitte keine Rolltasche mit“, hatte ich vorher gesagt. Natürlich hatte Bobo eine Rolltasche dabei.
Unsere Bootsnachbarn Back- und Steuerbord grüßten ihn freundlich, aber ich weiß, sie haben sich ihren Teil gedacht, denn Bobo sah aus wie eine Werbefigur für Segeln am Nordpol. Er trug einen schwarzen Trockenanzug, eine Mütze und Handschuhe, dazu klobige Gummistiefel. Ich suchte verstohlen nach einer Handfeuerwaffe, mit der er einen Eisbären unschädlich machen konnte.
An diesem Augusttag betrug die Temperatur in Sønderborg 28 Grad.
„Ich hab mich gut ausgestattet, falls es kalt wird“, sagte er. „In der Zeit des Klimawandels muss man ja mit allem rechnen, und du weißt ja, was ich für eine Frierkatze bin.“
Das stimmte. Aber mit Schnee oder anderweitigem Kälteeinbruch war an diesem Wochenende nun wirklich nicht zu rechnen.
Mein Mann sagte gar nichts. Er mixte Gin Tonics.
„Ich habe auch dünnere Handschuhe dabei“, sagte Bobo stolz. „Aus Känguruleder. Das sind richtige Handschmeichler.“
„Wie schön. Soll ich dir mal das Boot zeigen?“
„Klar.“ Bobo lief der Schweiß in Strömen übers Gesicht.
Aber er blieb standhaft.
„Wo ist denn mein Zimmer?“, fragte er unten.
„Du schläfst hier.“ Ich zeigte ihm die Kammer.
„Hm. Na gut.“ Er stellte seine Tasche ab und wir gingen wieder nach oben. Mein Mann kam mit Gin Tonics.
„Huch“, machte Bobo, als Kinder mit einem Beiboot und Außenborder vorbeifuhren. „Huch, das wackelt ja schon sehr.“
„Wir sind ja auch auf dem Wasser.“
„Ja, trotzdem. Wozu braucht man denn die Stange da?“
„Das ist der Mast“, sagte mein Mann. „Daran wird das Segel hochgezogen.“
„Ja klar, ist ja auch ein Segelboot. Der da drüben hat aber keine Stange.“
„Das ist ja auch ein Motorboot“, sagte mein Mann und trank zügig seinen Gin Tonic.
„Ach, und ihr habt ja sogar so Halterungen für Blumenvasen.“
?
„Ach so, nein, das sind Winschen. Da kommen Kurbeln rein.“
„Ja, hab ich in einem Youtube-Video gesehen. Da hat auch einer mit sooooooo Oberarmen gekurbelt, aber der hat ganz schnell gekurbelt und sah irgendwie irre aus. Und um ihn herum haben alle geschrien.“
„Das war wahrscheinlich ein Regattaboot“, sagte mein Mann. „Der da kurbelt, ist der Grinder.“
„Grindr?“, fragte Bobo. „Das ist doch eine Erotikplattform im Internet.“
„Nein, das ist ein Kurbler.“ Mein Mann hatte nach einer halben Stunde schon genug. Manchmal verstehe ich, dass er am liebsten allein unterwegs ist.
„Huch“, machte Bobo, warum auch immer. Dann nestelte er in einem wasserdichten Rucksack herum und holte einen Sonnenhut aus Stroh hervor, den er aufsetzte.
„Ich hab keine Lust auf Hautkrebs“, sagte er. „Man kann nicht vorsichtig genug sein.“
„Geh doch unter Deck, da ist keine Sonne“, sagte mein Mann, weil die Nachbarn leise vor sich hin kicherten.
Ich wärmte Gulaschsuppe auf.
„Die ist aber scharf, aber so mag ich die“, sagte Bobo, während er zerfloss. „Ich glaube, ich ziehe mich doch mal um. Ich geh mal auf mein Zimmer.“
Kurze Zeit und drei „Huchs“ später kam er zurück, und mein Mann glotzte ihn entsetzt an. Er trug ein Poloshirt mit der Aufschrift „Bobo is sailing around the coast from the Dänische Südsee and back and he is happy and cries HOORAY and he loves Steffi and the skipper YEAH!“
„Habe ich mir extra anfertigen lassen. Ich hab uns auch Kappen machen lassen. Guckt mal.“ Er legte die Kappen vor uns: „BObo on the BOat“ stand da. Mein giftiger Mann bekam eine Kappe, auf der stand: „Bobo’s gut gelaunter Skipper“, und ich eine mit dem Schriftzug „Beifang“.
„Fand ich passend“, sagte Bobo. „Beifang ist ja mal was anderes.“
„Aha“, sagte ich.
„Ich hab nach so Ausdrücken gesucht, die was mit dem Meer zu tun haben“, erklärte Bobo. „Extra für dich.“
„Danke.“ Klar, Beifang ist das Erste, was einem da einfällt.
„Setz doch mal deine Kappe auf“, bat Bobo meinen Mann und zähneknirschend sowie grimmig schauend tat er, was Bobo sagte. Stefan und Claudia nebenan knirschten mit den Zähnen.
Mein Mann stand auf. „Ich mach mal unter den Bodenbrettern sauber“, sagte er, verschwand unter Deck und kam nicht wieder.
Am nächsten Tag brachen wir nach dem Frühstück auf.
„Ach je, was wackelt das“, sagte Bobo. „Aber so ist das auf See. Immer was los. Immer Action. Und immer muss man mit Gefahren rechnen.“
Wir befanden uns noch im Hafen.
Draußen konnten wir „an der Stange“ Segel setzen.
„Huch, Hilfe!“, schrie Bobo. „Ich glaub, das Boot kippt um.“
„Das kann nicht umkippen.“
„Warum denn nicht?“
„Weil unten ein Kiel dran ist. Der hält das Boot.“
„Huch, aber das wackelt ja schon sehr.“
Als das Schiff am schiefsten lag, sagte Bobo: „Ich muss mal.“
„Warte, ich mach es etwas gerader“, sagte mein Mann.
„Nein“, sagte Bobo. „Fahr bitte zurück. Ich kann nicht vor euch aufs Klo gehen.“
„Musst du ja auch nicht. Das Klo ist ja unten.“
„Nein“, sagte Bobo wieder. „Wenn jemand beim Klogang in der Nähe ist, krieg ich Darmverschluss und meine Blase dreht durch.“
„Ich fahr doch jetzt nicht in den Hafen zurück, damit du aufs Klo gehen kannst“, sagte mein Mann.
„Aber ich muss“, jammerte Bobo in seinem unsäglichen Polo.
Böse nahm mein Mann die Segel wieder runter und wir fuhren zurück. Nach vierzigmal „Huch“ hatte Bobo es geschafft, von Bord zu kommen und zum Hafenklo zu gehen.
„Das machst du nicht noch mal mit mir“, sagte mein Mann.
„Das halte ich nicht noch mal aus.“
„Ist ja schon gut. So schlimm ist es jetzt auch nicht.“
„Nicht schlimm? Der macht einen fertig!“
Da kam Bobo zurück. „Wir können wieder los. Alles gut.“
Eine Viertelstunde später setzten wir Segel, und das Schiff lag natürlich wieder schief.
„Mir wird schlecht“, sagte Bobo. „Ich glaube, ich muss mich übergeben.“
„Dann kotz halt“, sagte mein Mann.
„Huch, nein, ich kann doch nicht vor euch … nein, wir müssen zurück in den Hafen fahren.“
Mein Mann glotzte Bobo an, dann mich. Dann nahm er die Segel wieder runter.
Wir fuhren zurück in den Hafen, und wie durch ein Wunder musste Bobo nicht mehr kotzen.
Und so trug es sich zu, dass wir nicht mehr rausfuhren, weil „Huch, ich glaub, es ist besser, wenn wir hier bleiben, da ist es nicht so schief“, und bei bestem Segelwetter in der Box lagen, während alle um uns herum winkend wegfuhren, um einen perfekten Segeltag zu erleben.
„Also ich kann euch verstehen“, sagte Bobo. „Segeln ist wirklich toll. Und man lernt auch so viel. Das gefällt mir. Ich fühle mich jetzt richtig dazugehörig. Wundervoll. Natürlich muss ich noch viel lernen, was haltet ihr davon, wenn ich mal für zwei Wochen mitkomme?“
Wir haben einfach nicht geantwortet, was Bobo aber auch gar nicht interessierte, weil, huch, eine Möwe ihm auf den Kopf kackte. Gut möglich, dass sie es hooray gut mit uns meinte yeah!
Schönes Wochenende!