Glosse Wolffs RevierBootsverkauf - zu schön, um wahr zu sein!

Steffi von Wolff

 · 26.06.2025

Glosse Wolffs Revier: Bootsverkauf - zu schön, um wahr zu sein!Foto: YACHT/K. ANDREWS
Ein tadelloser Pflegezustand schreckt so manchen Gebrauchtbootkäufer ab.
Das Boot wird für den Verkauf gewienert und geputzt. Alles soll glänzen und funktionieren – doch dann kommt es ganz anders als gedacht.

Ich bin fertig!“ So sieht Michi auch aus. Nass geschwitzt, aber glücklich. „Die ‚Gurke‘ sieht neuer aus als neu.“ Das stimmt. Sie sieht übrigens immer wie neu aus. Seine „Gurke“ geht Michi nämlich über alles. Nach jeder Fahrt wird der Ankerkasten aufgeklappt, damit alles trocknet, und man sieht für mehrere Stunden nur seinen Hintern, weil er auf der „Gurke“ rumkriecht und poliert, als gäbe es kein Morgen mehr. Michi hat Lappen und Bürsten in jeder Größe und aus jedem Material, und während er am Wuseln ist, spricht er mit der „Gurke“. „Hast du dir wehgetan?“, fragt er sein Schiff gern, um dann mit irgendeiner im Weltraum erprobten Keramikpolitur einen hauchzarten Fleck wegzurubbeln.

Ja, Michi ist eigen.

Zum Abschied hab ich ihm noch ein Geschenk gemacht. Es soll aber eine Überraschung werden, deswegen sage ich noch nichts. Erste Besichtigungstermine sind für morgen bereits geplant. Das neue Boot soll dann 45 Fuß haben. „Wir wollen ja auch mal die Enkel mitnehmen“, war die Begründung. „Außerdem möchte Claudi gern an Bord duschen.“ – „Ihr habt doch eine Dusche“, sagte ich zu dieser Information. „Ja, schon, aber der ganze Kalk“, lautete die Antwort. „Außerdem wird das spakig, und davon mal ganz abgesehen lagere ich da ja die Putzmittel.“ Das hatte ich ganz vergessen.

„Puh, gebt mir doch bitte mal ein Bier!“ Brav zottele ich zur „Alten“ zurück und hole das Gewünschte. Mein Mann und Michi sitzen derweil schon im Cockpit. „Für morgen habe ich Schuhüberzieher besorgt, man weiß ja nie, ob jemand vorher in Möwenkacke getreten ist. Das ist schädlich für die Schiffe, das Zeug hat ganz viel Säure. Ich polier mir hier doch nicht die Bandscheibe kaputt, damit die Viecher mir mit ihrem Dreck die Oberflächen zerstören.

Das sind Eiweißzerfallsprodukte, die können den Lack angreifen.”

So ist er, unser Michi.

Am nächsten Morgen um Punkt neun steht er wie ein Feldwebel auf dem Steg, und da kommt auch schon der erste Kandidat. Ein Herr Schneider-Zilinski mit seiner Frau. „General bei der Bundeswehr“, wurden wir informiert.

„Jeder ist bekloppt, wenn er die ‚Gurke‘ nicht kauft“, sagt mein Mann zu mir und gießt sich Kaffee nach. Wir bleiben gespannt im Cockpit sitzen und lauschen. „Wenn Sie Kratzer suchen, werden Sie keine finden“, hören wir Michi stolz sagen, während Claudi herumwuselt und den Schneider-Zilinskis Kaffee und belegte Brötchen anbietet.

„Wie alt, sagten Sie noch mal, ist das Boot?“, fragt der General. „Nicht dass ich mich hier auf dem falschen Dampfer befinde, har, har.“ – „Dreizehn Jahre.“ Michis Stimme droht vor Euphorie zu kippen. „Das kann doch gar nicht sein. Sie haben doch geschrieben: ‚Guter, gepflegter Zustand.‘ Das ist doch kein guter Zustand! Dieses Schiff ist doch neu! Wollen Sie mich vergackeiern? Kann ich mal in die Backskisten schauen? …Da ist ja alles aufgeräumt! Ha! Und in der anderen Backkiste ist alles voller originalverpackter Ersatzteile. Und wie die Leinen aufgeschossen sind, und so sauber!“

Michi platzt fast vor Überschwang. „Ich wasche sie regelmäßig mit einem speziellen Waschmittel. Was die Backskisten angeht, da ist es so, dass ich sie monatlich warte.“ – „Sie warten die Backskisten?“, fragt Frau General schüchtern.

Ich habe eine spezielle Creme, und dann trage ich noch eine Lotion auf.“

„Wie bei der Kosmetikerin“, haucht Frau General, und Michi lächelt geschmeichelt.

„Kann ich mal das Großsegel sehen?“ – „Natürlich, dazu muss ich sagen, dass es fast keine Knicke hat, denn ich habe ein spezielles System entwickelt, damit es sich beim Einrollen nicht zu sehr wehtut.“ Er zieht das Segel hoch. „Wenn Sie jetzt wieder sagen, dass es dreizehn Jahre alt ist, dann …“ – „Nein, die Segel sind älter. Die habe ich gebraucht gekauft. Carbon.“ Nun begeben sie sich nach unten.

Wir wiederum begeben uns auf den Steg und schlendern gemütlich darauf herum, um dann zufällig vor der „Gurke“ stehen zu bleiben. „Hier ist ja alles sauber!“ Frau Schneider-Zilinski bekommt fast keine Luft mehr. „Und die Spüle …“ – „… wird nach jedem Spülvorgang mit einer von mir entwickelten Paste gereinigt, damit sie schön glänzt.“ Claudi öffnet einen Schrank. „Unsere Tassen und Töpfe werden von außen mit einer Salbe eingerieben, damit sie schön glänzen.”

Und jedes Teil hat seinen eigenen Filzbeutel, damit nichts kratzt und reibt. Sieht das nicht schön aus?“

Keine Antwort. Wahrscheinlich sucht der General sein Bargeld. Dieses Schnäppchen kann man sich ja nicht entgehen lassen.

„Also …“, kommt es dann. „Es tut mir wirklich leid, aber dieses Schiff kommt für uns nicht infrage. Es ist einfach …zu gepflegt.“ Wie bitte? Wir bleiben entsetzt stehen. „Wie bitte?“, fragt Michi ungläubig. „Das könnten wir nie so erhalten. Das wäre dem Schiff gegenüber unfair. Schiffe haben ja eine Seele.“ – „Aber …“

Michi ist ratlos.

„Nix für ungut.“ Der General und seine Frau stapfen davon.

„Könnt ihr das glauben? Zu gepflegt?“ Michi ist außer sich. „Das ist ja so, als wenn man sagen würde, nein, die Frau da nehm ich nicht, die sieht zu gut aus.“ Bedröppelt steht er da und sieht uns waidwund an. „Ich habe noch eine Überraschung für dich“, sage ich, um ihm eine Freude zu machen, aber er und Claudi drehen sich einfach um und gehen.

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Lutz zu Philippsburg ist eine Stunde später am Start, ein Typ, der sich für unglaublich smart und unwiderstehlich hält. Lutz’ Zähne sind so gebleacht, dass man sie nachts gut als Taschenlampe benutzen könnte. „Ist nicht wahr!“ ist sein Lieblingssatz, und er informiert uns alle darüber, dass er über 58 Ecken mit den Windsors verwandt ist. „Ist nicht wahr, hier liegt ja kein Stäubchen!“, sagt Lutz ehrfürchtig. „Wurde der Herd überhaupt schon mal benutzt?“ – „In der Saison täglich.“ Michis Euphorie ist durch den General gedämpft. Er informiert nur noch sachlich. „Da, die Polster – kein Fleck. Wie geht das bitte? Ist doch nicht wahr …“ – „Die kann man abziehen und waschen“, sagt Michi mit einer „Ist mir alles egal“-Stimme, und nun mische ich mich ein, weil ich will, dass die „Gurke“ verkauft wird. „Er hat für alles selbst entwickelte Pasten und Polituren“, lasse ich Lutz wissen. „Istnichwahr! Da will man sich gar nicht setzen. Ich hab drei Hunde. Da traut man sich ja kaum, die hier runterzulassen. Nee, nee, das ist nix für mich.“ Fort ist er, und nun bin selbst ich beunruhigt. Wenn das so weitergeht, sehe ich schwarz für die geplanten 45 Fuß. Wir setzen uns.

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Dann steht Michi auf.

Später kommen noch zwei Kandidaten. Die können was erleben.“

Er geht nach unten ins Bad und kommt mit Motoröl zurück, das er auf die Winschen kippt. Mein Mann schnappatmet. „Hier, bitte, und hier, und hier und hier.“ Nagellackentferner von Claudi wird auf der Sprayhood verteilt, dann geht er nach unten und wir hören ihn am Kühlschrank hantieren. „So, bitte, bitte schön.“ Er hat Kartoffelsalat auf die Induktionsplatte geklatscht und stellt die nun auf 1.600 Watt. „Damit es auch gut riecht.“ Über die Polster wird Ketchup geschüttet, und überall sonst irgendwas anderes. Zum Schluss öffnet er eine Packung Haferflocken, vermischt sie mit Kriechöl und schmiert sie sich ins Gesicht. Er ist wie im Wahn.

„Hellouuuuu“, kommt es da von oben. Eine Frau steckt ihren Kopf durch den Niedergang. „Ist das hier die ‚Gurke‘?“ Sie sieht ein wenig ängstlich aus. „Ja, sicher. Ach …“, jetzt weiß ich, wer das ist. Oh nein, oh nein. Das ist die Fotografin für den Zeitschriftenwettbewerb zur gepflegtesten Yacht des Jahres. Meine Überraschung für Michi! „Ich meine …nein.“ Auf meinen Mann ist Verlass. „Was redest du denn da? Natürlich ist das die ‚Gurke‘!“ – „Das ist ja merkwürdig! Es wurde bei unserem Segelmagazin mit dem Hinweis beworben, dass dies die gepflegteste Hanse unter der Sonne und der erste Platz so gut wie sicher sei. Den Fotos nach zu urteilen, die uns geschickt wurden, sah das auch so aus. Hm. Jetzt vor Ort finde ich das Schiff eher verwahrlost. Tut mir leid, ich kann Sie nicht mit reinnehmen.“

„Das ‚Gebrauchtboot des Jahres‘?“, flüstert Michi, und ich beiße mir auf die Unterlippe. „Das ist mein Traum, da zu gewinnen.“ Ich weiß. „Ja, davon träumt jeder, aber so …“ Die junge Frau nickt uns zu und geht.

„War das deine Überraschung?“, fragt er mich heiser. Ich nicke. „Quasi zum Abschluss. Nun sei nicht traurig …Du entwickelst einfach eine spezielle Reinigungsmilch für das alles, und wir helfen dir, wo wir können. Dann versuchen wir es nächstes Jahr noch mal.“ Das hebt die Stimmung und das Öl-Haferflocken-Gemisch strahlt mich an. „Vielleicht was mit einer speziellen französischen Seife. Aber dann verkauf ich die ‚Gurke‘ nicht. Sie hat mir sowieso gesagt, dass sie das überhaupt nicht will.“ Und dann tätschelt er die Stufen des Niedergangs.


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