Was haben eigentlich alle mit dieser KI?“, fragt Hanno, als wir an einem Wochenende auf unserer „Alten“ sitzen. „Was soll denn damit sein?“, fragt seine Frau Birte zurück. „Neumodischer Kram halt, den keiner wirklich braucht. Mir fehlt keine künstliche Intelligenz.“ Doch Hanno lässt nicht locker: „Hat einer von euch schon mal diese KI benutzt?“ Er fragt das so inquisitorisch, als sei die Nutzung neuer Medien strafbar. „Wieso denn?“, fragt Erich, mit fast 80 der Älteste am Steg. „Man kann doch alles mit diesem Ball suchen.“ Er meint Google. „Das ist doch ganz was anderes.“ Mein Mann holt sein Handy. „Ich hab mir diese App mal runtergeladen. Ein einfaches System scheint das zu sein. Man kann damit nicht wirklich etwas suchen. Das liefert einem nur Infos.“
„Wie denn?“, fragt Erich. „Wenn du da den Namen eines Freundes von mir eingibst, was kommt dann? Zum Beispiel, wenn du ‚Suche mal Hans Sack‘ eingibst?“ Mein Mann ziert sich. „Das ist doch albern.“ Dann aber tippt er trotzdem den Namen ein und liest vor: „Hans Sack ist ein deutscher Name, es gibt mehrere bekannte Personen, die diesen Namen tragen könnten. Möglicherweise beziehst du dich bei Hans Sack auf eine historische Figur oder Hans Sack ist eine bekannte Persönlichkeit aus einem bestimmten Bereich. Falls du auf einen bestimmten Hans Sack anspielst, könntest du das etwas präzisieren? Das würde mir helfen, dir über Hans Sack eine genauere Antwort zu geben!“ - „Das sind ja freundliche Leute“, sagt Erich. Mein Mann wirft ein, dass das zwar richtig ist, aber nicht viel helfe. „Über deinen Hans Sack wissen wir jetzt trotzdem nichts“, sagt er.
Das ist halt ein ausgeklügeltes System. Das lügt nicht.“
Da hilft auch Erichs Einwand wenig, dass es über seinen Hans Sack eh nicht viel zu wissen gebe. „Der wurde auf seine alten Tage Veganer. Ich weiß gar nicht, ob er noch lebt.“
„Kann man diese KI auch fürs Segeln verwenden?“, lenkt Hanno das Gespräch nun in eine vernünftigere Richtung. „Zum Beispiel, wie man sich nicht ständig mit seiner Frau beim Ab- und Anlegen streitet?“ Mein Mann denkt kurz nach, dann fragt er die KI-App: „Was soll ich tun, um mit meiner Frau beim Segeln nicht zu streiten?“ Die Antwort lässt ein paar Sekunden auf sich warten. Offenbar ist das Thema neu für eine KI. Dann aber kommt die Antwort: „Ein häufiger Streitpunkt beim Segeln ist die Kommunikation – besonders in stressigen Situationen. Ein guter Trick ist, klare Rollenverteilungen zu haben und vorher zu besprechen, wer was macht. Zum Beispiel: Einer gibt klare, ruhige Anweisungen, der andere führt sie aus – ohne Diskussion in dem Moment. Danach könnt ihr in Ruhe besprechen, was gut oder besser laufen könnte. Und wenn es doch einmal hitzig wird, helfen Codewörter. Ein neutrales Wort wie ‚Pause‘ kann signalisieren, dass ihr kurz durchatmet, bevor es eskaliert.“
Ein Codewort!“ Hanno ist sichtlich angetan von dem Ratschlag. „Das ist ja großartig! Birte, wenn es dir zu viel wird mit mir, rufst du einfach ‚Flitzekacke‘. Ich verspreche dir, dass ich dann sofort ganz rücksichtsvoll bin.“ Er und mein Mann lachen infantil. Birte schaut mich an, und wir lächeln milde. Wie die Kinder, unsere Männer!
„Und wenn es euch zu viel wird mit uns, dann ruft ihr ‚Captain next god‘“, schlage ich vor. „Oder: ,Aye, aye, meine Kapitänöse!‘“ Mein Mann erschrickt: „Eher opfere ich einen Zeh“, sagt er. „Oder ich entleibe mich. Wehe, wenn du so was mal sagst.“ Ich hingegen finde die Idee gut. „Man braucht diesen Schnickschnack nicht“, schlägt sich Erich auf die Seite meines Mannes. „Früher musste man sich schließlich auch auf sich selbst verlassen, nicht auf so einen Quatsch. Handy, Funkgerät, GPS – herrje!
Wenn was passiert, passiert es!“
Später sitze ich mit meinem Mann alleine im Cockpit. „Vielleicht kann man mit dieser KI auch unsere Törnplanung machen, ich guck mal nach da in diesem System.“ Er freut sich über sein neues Hobby, nimmt wieder sein Handy und tippt ein: „Erstelle mir einen Törnplan in der dänischen Südsee!“ Kurz darauf kommt die Antwort: „Tag 1: Svendborg – Lyø, ungefähr 15 Meilen. Entspanntes Einsegeln nach Lyø. Schöne Ankerbucht im Süden der Insel. Ankern und dann Spaziergang durch das kleine Dorf.“ Mein Mann stutzt. „Hä? Ja klar, wenn man ankert, kann man ja auch in den Ort gehen. So ein Quatsch. Wir latschen doch nicht wie Jesus übers Wasser. Die KI taugt nichts!“
„Oder sie denkt, wir haben ein Beiboot“, wende ich ein. „Ja, aber wieso denn? Was soll die denn über uns wissen wollen?“, grübelt mein Mann. Dann sagt er: „Ich hab eine andere Idee. Du weißt doch, dass ich gern mal abends am Liegeplatz meine Ruhe habe. Das sage ich jetzt dem System.“ Er tippt ein, wo es Plätze gibt, an denen man garantiert niemanden trifft. „Ich hab wirklich keine Lust, schon wieder mit Hanno und Birte einen Flottillentörn zu machen, und Erich geht mir auch auf den Keks. Hier, die KI schlägt Birkholm vor. Lindelse Nor. Helnæs Bugt.“
Beim Segeln sollten Sie immer rücksichtsvoll zu Ihrer Frau sein. Ihr Fingerspitzengefühl ist gefragt. Bleiben Sie höflich und geduldig!
„Das sind doch nur Beispiele. Das ist doch hier nicht Big Brother. Die KI kann doch nicht in uns reingucken“, wende ich ein. Doch: „Oh, das weiß man nie. Ich habe mal gegoogelt, was in eine Bordapotheke gehört, und schon bekam ich Werbung für Kopfschmerztabletten und Haftcreme für die Dritten. Wer weiß, vielleicht beobachtet diese KI uns schon die ganze Zeit.“ Nachdenklich blickt er in den Himmel. Ich bin froh, dass gerade keine Drohne über uns kreist, sonst würde er sonst was denken.
„Ich finde diese Idee mit dem Codewort auch gut“, sagt er nach einer Weile. Ich denke kurz nach und antworte dann, dass ich es viel schöner fände, wenn wir gar nicht erst in Situationen geraten würden, in denen er losbrüllt. „Mit einer Frau wie dir ist das unrealistisches Wunschdenken“, bekomme ich sachlich erklärt. „Du machst dir ja bei der kleinsten Bö in die Jacke und denkst, wir kentern.“
„Aha“, sage ich trocken. „Dann gib doch mal ein: beim Segeln nett zu seiner Frau sein.“ Ich freue mich schon. „Unsinn“, sagt mein Mann und weigert sich.
Am nächsten Morgen will er unbedingt nach Birkholm, weil da ja keiner ist. Ich sage nichts, wir legen ab und sind guter Dinge. Dann nimmt der Wind zu, und ich kriege wie so oft fast die Krise. „Du guckst schon wieder so“, höre ich von ihm mit genervtem Unterton. „Lass diesen Blick, da geht mir schon wieder die Pumpe!“ Ich aber kann nun mal nicht anders. „Wenn es doch aber schief ist“, verteidige ich mich.
Dann ist es eben schief. Herrje!“
Sein Tonfall gefällt mir nicht. Ich nehme sein Handy und tippe ein: „Wie soll man sich beim Segeln seiner ängstlichen Frau gegenüber verhalten?“ Dann lese ich vor: „Beim Segeln sollten Sie immer rücksichtsvoll zu Ihrer Frau sein. In kritischen Manövern ist es wichtig, sie nicht anzugehen und sie lautstark zu kritisieren. Hier ist Fingerspitzengefühl gefragt. Sie werden sehen, dass Ihre Frau viel gelassener wird, wenn Sie ihr höflich und geduldig die Situation erklären. Sie wird es Ihnen danken und Sie für einen echten Mann halten.“
„Das sagt das System?“ Er guckt mich ungläubig an. Ich nicke. „Das sagt es!“ Er denkt länger nach. Dann: „Ach, würdest du wohl kurz steuern, ich möchte ein Reff einbinden. Vielen Dank, das ist unglaublich nett von dir!“ Ich verkneife mir ein Grinsen. Geht doch! Muss er ja nicht wissen, dass ich mal kurz für die KI eingesprungen bin.
In Birkholm treffen wir auf Hanno und Birte und Erich, die auch geguckt haben, wo „garantiert“ keiner ist. Hanno und mein Mann beschließen, sich bei den Machern der KI-App zu beschweren. Ein paar Tage später gibt er erneut die Suche nach ruhigen Plätzen ein. Vor Birkholm wird nun ausdrücklich gewarnt. Ein überlaufener Hafen mit lauter Musik, die Ankerplätze alle belegt, der Ort versinke fast im Meer wegen all der Besucher. Wer’s glaubt ...
Schönes Wochenende!