In der traditionsreichen Hanseatischen Yachtschule in Glücksburg hat Ende Oktober Bobby Schenk sein 19. und letztes Blauwasser-Seminar veranstaltet. Gut 150 Seglerinnen und Segler nahmen die Gelegenheit wahr, bei Vorträgen und im gegenseitigen Austausch dem Traum von der langen Reise ein Stück näher zu kommen. Wer dazu den finalen Anstoß brauchte, bekam ihn von Golden Globe-Gewinnerin Kirsten Neuschäfer.
Ende Oktober 2025 in der Hanseatischen Yachtschule des DHH in Glücksburg: Blauwasser Papst Bobby Schenk liest seine letzte Messe in der ältesten Segelschule Deutschlands. Mehrfach schon hat er angekündigt, dass nun Schluss sei mit seinen Blauwasser-Seminaren, jetzt soll es wahr werden. Gut 150 Seglerinnen und Segler haben sich versammelt, um ein letztes Mal in diesem bewährten Rahmen Erfahrungen auszutauschen, den Vorträgen der Weltumsegler und Kap Horniers zu lauschen und praktische Tipps für ihren eigenen Törn mitzunehmen, auch wenn dieser nicht unbedingt gleich um die ganze Welt gehen soll.
Viele haben dazu den weiten Weg aus Österreich, der Schweiz oder Bobby Schenks Heimat Bayern in den hohen Norden Deutschlands auf sich genommen. Sie haben eigene Boote oder chartern regelmäßig, träumen von größeren Törns oder haben sie bereits hinter sich. Einer baut seit 20 Jahren an seinem Boot und hofft, es nun im Ruhestand bald fertigzustellen. Das Paar nebenan berichtet, dass es seit 10 Jahren ein langfahrttaugliches Boot besitzt, dieses aber noch keinen Mast habe. Sie üben sich in der Seefahrt, indem sie regelmäßig von ihrem Liegeplatz im Binnenland an Nord- und Ostsee schippern und beide Meere in ausgedehnten Törns unter Motor erkunden. Einige stehen in den Startlöchern, andere haben Kinder im schulpflichtigen Alter oder Eltern, um die sie sich kümmern. Sie alle aber möchten sich von Geschichten inspirieren lassen oder noch einmal wegträumen in das Kielwasser ihrer vergangenen Törns.
Es kann offensichtlich dauern, bis aus dem Plan die Tat wird. Bobby Schenk weiß das und empfiehlt: „Erst losfahren, dann planen.“ Manch einer, zitiert er aus einem älteren Artikel der Yacht, bastele ein Leben lang an einem Sarg. Er hat die langen Törns hinter sich, gemeinsam mit seiner verstorbenen Frau Carla fast 20 Jahre an Bord verbracht, die Welt umsegelt, Kap Hoorn gerundet und nach eigener Darstellung das deutsche Segelvokabular um den Begriff „Blauwassersegeln“ bereichert. Er sei seit 50 Jahren in der Szene und „an Diskussionen nicht mehr interessiert“, nimmt er vorab möglichen Kritikern den Wind aus den Segeln. Denn der 86-jährige weiß, dass manche seiner Sätze auch polarisieren können und Widerspruch erwartbar wäre, genösse er nicht unter Seglerinnen und Seglern angesichts seiner großen Verdienste um das Fahrtensegeln den größten Respekt.
„Natürlich möchte ich mich auch selbst beweihräuchern“, beginnt er die Vorstellung seiner „zehn Gebote“, der Essenz aus fünf Jahrzehnten als Skipper, Autor und Lehrmeister, mit einem Augenzwinkern. Angehenden Langfahrtseglern empfiehlt er, das Halsen zu üben, auf Überführungstörns Erfahrungen zu sammeln und bei der Wahl des Bootes auf die Wohnqualität zu achten, denn „75% der Zeit ist man bei einer Weltumsegelung im Hafen oder vor Anker. Das Segeln spielt auf Dauer eine untergeordnete Rolle, die Segelleidenschaft lässt nach.“
Auch wenn es um die Crew geht, sind seiner Erfahrung nach Kompromisse fehl am Platz: Sätze wie „ich segle meinem Mann zuliebe“ seien ein Garant für das Scheitern der Langfahrt. Er selbst hatte das große Glück, dass seine verstorbene Frau Carla dem Segeln ebenso verfallen war wie er selbst, „sie war die perfekte Bordfrau.“
Die Referentinnen und Referenten nehmen die Teilnehmer mit auf See und geben praktische Tipps zu Ausrüstung und Wetter, Medizin an Bord und den besten Umgang mit dem Papierkrieg auf Reisen. Eindeutig vorne im Ranking stehen Fragen zur Energieversorgung, Internet an Bord und Wassermachern – Dinge, die Langfahrer autark machen und für Sicherheit auf See sorgen können.
Eingerahmt werden die technischen Fragen von Bildern, die die Referenten auf die Leinwand werfen und mit Worten verstärken, etwa wenn Weltumseglerin Kerstin Pieper erzählt, wie sie und ihr Mann Hans Schubert über den Atlantik immer der Sonne hinterhergesegelt sind und nach der Passage des Panamakanals der Blick in die Seekarte zeigte: „Alles war blau. Eine halbe Erdkugel nur blau!“ Mittendrin kleine Sprenkel von Land, die Südsee, die Malediven und größere wie Australien oder Afrika. Sie haben sie bereist und sind schließlich im Mittelmeer angekommen. Ihre Bilder zeigen traumhafte Sonnuntergänge, weißen Sand und Meer in allen Schattierungen der paradiesischen Farbskala. Sie sollen Lust auf diese Art des langsamen und intensiven Reisens machen: „Wenn sie die Chance haben, setzen sie das um“, empfiehlt Kerstin Pieper folglich.
Ein Rat, der die Veranstaltung durchzieht wie ein Mantra, ganz gleich, ob die Langfahrer der Barfußroute gefolgt sind oder sich durch die Nordwestpassage gekämpft haben. Bei den Teilnehmern kommen die Botschaften im Wortsinne gut an.
Ein kleines Denkmal hat sich der Altmeister des Blauwassersegelns mit dem „Bobby Schenk Kap Horn Award“ gesetzt. Den Preis kann nur erhalten, wer das berüchtigte Sturmkap ohne Unterbrechung zwischen den Punkten Rio Grande und den Inseln südlich der Magellanstraße passiert, also zwischen 54°30’ Süd auf der einen Seite Südamerikas und 54°30’ Süd auf der anderen Seite des Kontinents.
2023 ging er an Kirsten Neuschäfer für ihren Sieg beim Golden Globe Rennen 2022/23, nun übergibt die Ausnahmeseglerin ihn im Saal der Hanseatischen Yachtschule feierlich an Norbert Sedlacek. Der ehemalige Vendée Globe-Teilnehmer verfolgt trotz mancher Rückschläge hartnäckig seinen Plan, in einem nachhaltig gebauten Vulkanfaser-One-off einhand und nonstop alle Ozeane inklusive Arktischem Ozean und Südpolarmeer zu bezwingen.
Ganz gleich, mit welchen Absichten die Teilnehmer zum Seminar gekommen sind: ihr Fazit ist überwiegend sehr positiv. Einigen ist förmlich anzusehen, wie sie sich gedanklich darauf vorbereiten, nun doch endlich die Leinen loszuwerfen, andere haben schon den ganz konkreten Plan, verkaufen das Haus und suchen nach dem passenden Boot. Denn sie haben dank lebendiger und fundierter Vorträge erfahren, dass es machbar ist, aus Träumen Wirklichkeit werden zu lassen. Manche Zweifel schließlich dürfte Golden-Globe Gewinnerin Kirsten Neuschäfer mit ihrem packenden Vortrag ausgeräumt haben.
War es das nun wirklich? Bei Bobby Schenk kann man sich nie ganz sicher sein; immerhin hatte er schon 2021 sein letztes Blauwasserseminar angekündigt und mit der Yacht darüber gesprochen, was das für ihn bedeutet. Am Ende der Veranstaltung bestätigt er es, sei es doch immer wieder ein riesiger organisatorischer Aufwand. Wichtiger aber: „Meine Frau hat mir schriftlich mit der Scheidung gedroht, wenn ich weitermache.“ Seine Frau Frauke hingegen relativiert: „Vielleicht wird es noch einmal kleinere Veranstaltungen geben.“ Und wer wüsste besser als sie um die Rastlosigkeit eines Bobby Schenk?