BlauwasserBobby Schenk: "Um die Welt zu segeln ist nichts Besonderes mehr"

Ursula Meer

 · 16.11.2021

Blauwasser: Bobby Schenk: "Um die Welt zu segeln ist nichts Besonderes mehr"Foto: privat/bobbyschenk.de
Über ein halbes Jahrhundert Segelgeschichte: Schenk gilt als einer der Pioniere der deutschen Langfahrtszene

Weltumsegler Bobby Schenk setzt sich zur Ruhe. Im September lud er zu seinem letzten Blauwasserseminar ein. Nun blickt er zurück auf 50 Jahre Langfahrtszene

Bobby Schenk, Jahrgang 1939, ist seit den siebziger Jahren auf den Weltmeeren unterwegs gewesen. Als einer der ersten Deutschen startete er gemeinsam mit seiner Frau Karla 1971 eine Weltumsegelung auf der Zehn-Meter-Kunststoffyacht „Thalassa“. Nach vier Jahren kehrten die beiden zurück nach Deutschland und in ihre Berufe als Jurist und Pharmazeutin. Weitere Segelreisen folgten, mit langen Aufenthalten in der Südsee und rund Kap Hoorn.

Gemeinsam startete das Paar auch in andere Abenteuer wie etwa einen Flug über den Südatlantik in einer einmotorigen Maschine oder dessen Überquerung per Schiff ohne Navigationsinstrumente. Die Reise endete damals mit einer Punktlandung auf Barbados.

Über Jahrzehnte befasste sich Schenk zudem mit der Astronavigation und beteiligte sich an der Entwicklung des ersten Navigationscomputers. In zahlreichen Büchern sowie in stets ausverkauften Seminaren gab er sein Wissen an angehende Langfahrtsegler weiter. Seine Webseite www.bobbyschenk.de ist eine der größten, wenn nicht die größte deutschsprachige Informationsquelle für Blauwassersegler.

Auf der nachfolgenden Seite blickt Schenk im YACHT-Interview zurück auf seine Jahre auf See und an Land.

YACHT: Bobby, im September fanden auf der Messe Interboot ein letztes Mal deine beliebten Blauwasser- und Astronavigations-Seminare statt. Wie hat sich das angefühlt?

Bobby Schenk: Ich habe das natürlich mit einem weinenden und einem lachenden Auge gemacht. In den Seminaren waren ja immer sehr viele, sehr interessierte Teilnehmer. Und jeder der Referenten hat Besonderes erlebt und darüber berichtet. Zudem waren oft auch aktive Blauwassersegler unter den Besuchern. Sieben Weltumsegler, von denen drei um Kap Hoorn gesegelt sind, waren allein auf der Interboot in meinem Seminar. Das ist ein enormer Wissens- und Erfahrungsschatz, der da zusammenkommt. Es steckt aber auch immens viel Arbeit dahinter. Die Vor- und Nachbereitung braucht viel Zeit, sowohl inhaltlich als auch technisch. So sehr ich die spannenden Themen und Menschen vermissen werde – die viele Arbeit wird mir nicht fehlen.

Über all die Jahre hat sich das Langfahrtsegeln stark verändert. Was sind aus deiner Sicht die bedeutendsten Fortschritte?

Insbesondere mit dem Aufkommen des Internets und des GPS hat sich natürlich sehr viel verändert. Heute steht uns Seglern an Bord ein Plotter mit so vielen Informationen zur Verfügung, wie wir sie uns nicht einmal hätten erträumen können, als wir uns Jahrzehnte zuvor auf unsere erste Reise vorbereitet haben. Von einem Punkt zum nächsten navigieren, das kann heute jeder Anfänger. Wir hingegen waren in navigatorischer Hinsicht sehr viel mehr gefordert. Wir orientierten uns anhand der Sterne. Auch mussten wir ohne ausgefeilte Instrumente auskommen. Wir konnten nicht einmal den Strom messen. Wie oft haben wir abends weit draußen vor einer Insel geankert, um am nächsten Tag erst einmal die Strömungsverhältnisse zu beobachten. Wir mussten extrem vorsichtig sein, wollten wir nicht auf einem Riff enden. Heute gibt es im Internet unzählige Erfahrungsberichte, Details über Reviere bis hin zu Bewertungen von Restaurants am Ende der Welt. Und dennoch habe ich den Eindruck, dass heute mehr Segler mit ihren Booten verunglücken als früher.

Was hat der Fortschritt noch gebracht?

Wir können jederzeit Kontakt halten zu Menschen in aller Welt. Als wir damals die Leinen loswarfen, wussten wir hingegen nicht, ob wir unsere Eltern jemals wiedersehen würden. Die größten Feiertage waren für uns, wenn wir nach drei Monaten die Post in irgendeinem Postamt auf den Marquesas abholten. Wir sind damit auf das Schiff gegangen, haben eine Flasche Sekt aufgemacht und dann langsam und mit Freuden Ersatzteile ausgepackt und Briefe gelesen. Heute ist manches so viel einfacher geworden.

»WENN PLÖTZLICH DIE CHANCE DA IST, GILT ES, SIE ZU ERGREIFEN«

Merkst du das auch an den Menschen, die deine Seminare besuchen?

Ja, unter den Teilnehmern sind viel mehr Träumer als früher. Das meine ich gar nicht negativ, im Gegenteil. Es sind Leute, die über genug Geld, aber wenig Erfahrung verfügen und sich überlegt haben, jetzt mal um die Welt zu segeln. Das ist ja auch nichts Besonderes mehr. Immer mehr Menschen sind auf der Suche nach Unabhängigkeit und Autarkie – und auch nach der Herausforderung, die eine Langfahrt mit sich bringt. Ich glaube, dass die Fahrtensegelei eine große Zukunft hat; es werden immer mehr Menschen lossegeln. Eins ist übrigens gleich geblieben: Zwei Drittel der Menschen, die die Seminare besuchen, waren und sind Paare.

Was ist mit den Schiffen? Was hat sich bei denen am stärksten verändert?

Vor allem sind immer mehr Crews mit Katamaranen unterwegs. Mit denen sind schnellere und bequemere Reisen möglich. Bei den Kielbooten hat sich eigentlich bis auf die technische Ausstattung gar nicht so viel verändert. Unsere voll beladenen Fahrtenschiffe machten damals maximal sechs Knoten. Bei den heutigen Booten ist es ungefähr dasselbe. Geschwindigkeit zählt ja aber auch nicht – damals wie heute nehmen sich Langfahrtsegler die Zeit, ihre Reise zu genießen. Das Boot ist in erster Linie ihr schwimmendes Zuhause.

  Sextant, Uhr und Kompass waren die Navigationsinstrumente der ersten Langfahrtsegler. Kurs, Strom und Geschwindigkeit wurden von Hand berechnet. Seit 1980 arbeitete Schenk an der Entwicklung des ersten Navigationscomputers mit – einem Vorläufer der Kartenplotter, mit denen es sich heute kinderleicht navigieren lässtFoto: YACHT-Archiv
Sextant, Uhr und Kompass waren die Navigationsinstrumente der ersten Langfahrtsegler. Kurs, Strom und Geschwindigkeit wurden von Hand berechnet. Seit 1980 arbeitete Schenk an der Entwicklung des ersten Navigationscomputers mit – einem Vorläufer der Kartenplotter, mit denen es sich heute kinderleicht navigieren lässt

Wie hast du die Inhalte deiner Seminare über die Jahre weiterentwickelt?

Ich bin natürlich auf die stetigen technischen Neuerungen eingegangen. Wenn es aber um konkrete Erfahrungen geht, ist es gar nicht so leicht, immer wieder neue interessante Inhalte zu finden. Viele Segler wollen gern bei den Seminaren referieren, aber sie müssen den Zuhörern schon etwas Besonderes bieten. Eine Weltumsegelung an sich ist heutzutage leider keine Visitenkarte mehr; viele Geschichten wiederholen sich. Auf der Interboot berichtete jemand darüber, wie sich die Theorie von der Praxis unterscheidet. Er ist mit seinem Katamaran einfach losgefahren und musste feststellen, dass fast alle seine Vorstellungen von den echten Gegebenheiten abwichen. Die Herausforderungen, denen er sich stellen musste, sind interessante Erfahrungen für die noch vielen Theoretiker, die in den Seminaren sitzen.

»DIE BAUKRÄNE IN MÜNCHEN WAREN FÜR MICH MASTEN VON SCHIFFEN«

Die Theoretiker und die Praktiker – wie verhält es sich damit in deinen Seminaren?

18 Jahre lang habe ich durchgehend auf den Messen referiert, im Schnitt mit 150 Besuchern. Zweieinhalb-, dreitausend Leute werden es allein auf der Interboot gewesen sein. Mit Sicherheit sind einige von ihnen um die Welt gesegelt. Aber es gibt auch Leute, die fünf Jahre lang ununterbrochen in den Seminaren sitzen. Die träumen dann eher von der Langfahrt. Wenn man ihnen sagt: „Fahrt los, ihr könnt das!“, hören sie nicht darauf, weil ja noch so viel zu erledigen ist. Das habe ich oft erlebt: Die Leute, die minutiös planen, fahren nie los. Der Segler an sich ist in vielerlei Hinsicht beratungsresistent und in diesem Punkt besonders. Einige aber erkennen, dass hundertprozentige Planung gar nicht möglich ist. Die sagen einfach, okay, wir fahren jetzt los, dann sehen wir, was passiert. Mängel am Schiff lassen sich auch unterwegs richten, vielleicht sogar besser. Wenn sie dann auf dem Weg sind oder ihre Reise beendet haben, schicken sie mir schon mal einen Brief. Ich freue mich darüber immer sehr.

Daraus spricht welche Empfehlung?

Ich habe ein Lebensrezept: nicht zu viel planen! Aufmerksam lauern, ob eine Chance da ist und sie dann ergreifen. So war das auch bei mir. Die Chancen wurden mir nicht nachgeworfen, sie waren plötzlich da, und ich habe sie genutzt.

  Mit herkömmlichem UKW-Funk riss der Kontakt zur Heimat wenige Meilen nach dem Start ab. Daher machte Bobby Schenk eine Amateurfunklizenz und erwarb für seine Schiffe Geräte mit starker Sendeleistung. Heute sind Langfahrer dank Satellitentelefonie praktisch auf der ganzen Welt und rund um die Uhr erreichbarFoto: YACHT-Archiv
Mit herkömmlichem UKW-Funk riss der Kontakt zur Heimat wenige Meilen nach dem Start ab. Daher machte Bobby Schenk eine Amateurfunklizenz und erwarb für seine Schiffe Geräte mit starker Sendeleistung. Heute sind Langfahrer dank Satellitentelefonie praktisch auf der ganzen Welt und rund um die Uhr erreichbar

Zum ersten Mal 1971, als du mit deiner Frau Karla zu einer Weltumsegelung gestartet bist. Wie habt ihr euch vorbereitet?

Wir mussten uns eine ganze Menge Wissen und Können aneignen, das war ein Vollzeitjob. Zunächst mussten wir Astronavigation lernen. Dafür haben wir uns ein halbes Jahr lang zwei Abende die Woche an der Universität von erfahrenen Seglern in die Materie einweisen lassen, zusammen mit anderen, die denselben Traum hatten. Wir wurden schnell eine richtige Gemeinschaft, die ihr Wissen und ihre Erfahrungen miteinander teilte. Nebenbei wurde ich noch Funkamateur, um unterwegs eine Verbindung zur Außenwelt zu haben. Und dann waren da Elga und Ernst-Jürgen Koch, die als deutsche Pioniere 1967 von ihrer Weltumsegelung zurückkamen. Wir haben sie angeschrieben und um ein Treffen gebeten; uns interessierte brennend, was sie erlebt hatten. Wir sind dafür eigens von München nach Hamburg gefahren. Einen ganzen Tag lang haben wir in ihrem Wohnzimmer gesessen und gefragt, zugehört, gelernt. Die Literatur war ja noch überschaubar.

»DIE ASTRONAVIGATION ZU VEREINFACHEN, DAS WAR EIN HARTER KAMPF«

Ein paar Bücher gab es ja aber bereits. Welche sind dir in Erinnerung geblieben?

Ein unvergessliches Buch ist „Segeln über sieben Meere“ von Eric Hiscock, dem Vater aller Fahrtensegler. Auch Bücher wie „Segeln in Küstengewässern“ und die „Seemannschaft“ haben wir verschlungen. Uns war klar, dass man noch viel mehr wissen muss, um die Welt zu umsegeln, aber aus dieser Lektüre haben wir unsere ersten Erkenntnisse gezogen. In England war mandamals weiter. Dort gab es Veröffentlichungen über die Segelrouten der Welt, mit Angaben der Strömungen und Windverhältnisse das, was wir jetzt in Jimmy Cornells „Atlas der Ozeane“ lesen. Die haben wir uns besorgt. Schließlich fanden wir noch die amerikanische „Seven Seas Cruising Association“, wohl einen der ersten Verbände, der Informationen über die Fahrt auf den Weltmeeren herausgab. Jedes der 5000 Mitglieder hieß „Commodore“ und war verpflichtet, Erfahrungsberichte über seine Reisen zu schreiben. Nichts über die Sehnsucht nach der Ferne und anderes Gesäusel, sondern die Fakten: Wie hoch ist die Hafengebühr hier, wo wird zu Unrecht eine Leuchtfeuergebühr verlangt und vieles mehr. Gesammelt in einem Heft, das alle vier Wochen erschien. Kaum vorstellbar, aber für uns war es die einzige aktuelle und detaillierte Information über die verschiedenen Reviere.

Ihr habt viele lange Reisen unternommen und seid doch immer wieder nach Hause und ins Berufsleben zurückgekehrt. Hattet ihr da schon immer auch die Idee von der nächsten Langfahrt im Kopf?

Nein, wir sind stets richtig zurückgekehrt, und es hat mir große Freude gemacht. Ich habe keinen Sand mehr zwischen den Fingern vom Dingi-Rudern, ich schwitze nicht unentwegt – das waren meine Gedanken damals zurück am Schreibtisch. Sie haben mir den Büroalltag erleichtert. Allerdings konnte ich aus meinem Fenster über den Dächern Münchens die Baukräne sehen und habe mir dann immer vorgestellt, dass das Masten von Schonern sind.

Und doch war die Sehnsucht irgendwann so groß, dass es wieder losging?

Ja. Ich bin ein enorm verspielter Typ, und meine Frau Karla hat alles mit Begeisterung mitgemacht. Ohne sie wäre das alles nicht möglich gewesen. Die vielen Segelreisen, der Flug über den Atlantik oder seine Überquerung ohne Navigationsinstrumente – wenn wir eine Idee hatten, wollten wir sie auch umsetzen.

»Weil ich keinen Ortssinn habe, habe ich mich schon immer in die Seekarten vertieft«

Bei allen technischen Neuerungen ist die Astronavigation nicht aus der Seefahrt wegzudenken. Du hast dich zeitlebens damit befasst. Wie kam es dazu?

Es war ein Amerikaner mit Sinn fürs Praktische, der mir die einfache und genaue Art der Astronavigation beigebracht hat, die sich „Noon longitude by two equal altitudes“ nennt. Ich habe sie mit nach Deutschland gebracht und darüber einen Artikel in der YACHT geschrieben: „Astronavigation für den Wochenendtörn“. Ein so wichtiges Instrument so einfach erklärt, das hielten viele für verantwortungslos. Der Artikel hat einen ziemlichen Aufruhr verursacht, es gab polemische und auch böse Leserbriefe. Ich musste das lange und hart durchkämpfen. Vielleicht hat das bewirkt, dass ich so energisch bei der Sache geblieben bin.

Ganz ehrlich: Hast du dich mal verfahren?

Nein. Oder doch, oft sogar! Wenn ich mit dem Auto unterwegs bin, eigentlich laufend. Ich habe keinerlei Ortssinn. Und das ist vielleicht meine Stärke: Weil ich keinen Ortssinn habe, habe ich mich schon immer in die Seekarten vertieft.

  Unzählige Seminare in Astronavigation und allgemein fürs Langfahrtsegeln hat Schenk in seinem Leben gehaltenFoto: Sunbeam Yachts
Unzählige Seminare in Astronavigation und allgemein fürs Langfahrtsegeln hat Schenk in seinem Leben gehalten

Deine Erlebnisse und dein Wissen hast du auch gern geteilt. Wann fing das an?

Ich hatte immer gern die YACHT gelesen und wollte auch einmal für sie schreiben. 1972 gerieten wir in Fidschi in einen fürchterlichen Hurrikan, den wir nur knapp überlebt haben. Damals sagte ich zu einem Bootsnachbarn, dass ich einen Artikel darüber schreiben möchte, aber nur, wenn ich wüsste, dass er gedruckt wird. Er erwiderte: „Es ist ganz einfach. Was du nicht schreibst, kann auch nicht gedruckt werden.“ Also habe ich den Artikel geschrieben. Zu meiner großen Überraschung wurde er veröffentlicht und ich gebeten, weitere Berichte zu schreiben, wenn sich Interessantes ergäbe.

Mit viel Energie betreibst du auch deine Webseite, die eine der meistbesuchten unter den deutschen Segelseiten ist. Wirst du sie fortführen?

Die meisten Artikel auf meiner Seite schreibe ich selbst, und ich bemühe mich, ausführlich auf alle Fragen zu antworten. Das macht viel Arbeit und kostet viel Zeit. Ich würde mir mehr Artikel von anderen Langfahrtseglern wünschen. Die werde ich sicher auch in Zukunft mit auf meine Seite nehmen. Der Wissensfundus bleibt erhalten. Aber in der Intensität, in der ich die Seite seit 21 Jahren betreibe, kann und möchte ich das künftig nicht mehr machen.

Würdest du rückblickend betrachtet irgend etwas anders machen?

Das mag arrogant klingen, aber eindeutig: nein!

Und was machst du von nun an?

Ich habe ein neues Hobby: Drohnen fliegen. Und demnächst bin ich schon wieder auf dem Mittelmeer unterwegs. Unter Segeln.

Das Interview ist im Rahmen unseres großen Blauwasser-Spezials in YACHT 22/2021 erschienen. Falls Sie die Ausgabe verpasst haben sollten, können Sie sie im Online-Shop des Delius Klasing Verlags ganz einfach nachbestellen (hier anklicken).