Gill Duncan segelte als 18-jähriger erstmals die ARC mit. Das war 1991. Mit den Eltern und zwei jüngeren Geschwistern im Alter von fünf und sieben Jahren ging es damals auf einer Ovni 45 in die Karibik. Die Eltern waren passionierte Segler, mit ihrer „Tin Lizzie“ hatten sie zuvor nicht nur die Gewässer ihres Heimatreviers an der südenglischen Küste erkundet. Sie waren auch in vielen Revieren des Mittelmeers unterwegs.
„Auf diesen Törns habe ich von klein auf das Segeln gelernt”, erzählt Gill Duncan. „Ich und später auch meine Geschwister waren immer mit dabei.“ Bei der ersten Atlantiküberquerung sei er daher voll in die Wachroutine eingebunden gewesen. „Das war perfekt. Mein Vater und ich segelten das Boot, meine Mutter hatte Zeit, sich um meine Geschwister zu kümmern.“
Fast drei Wochen waren sie damals unterwegs. „Im Vergleich zu heute eine wirklich lange Zeit. Das lag vor allem daran, dass es noch kein Wetter-Routing gab. Ich erinnere mich, dass wir wie damals üblich alle zunächst von den Kanaren aus südwärts gesegelt sind. Im Süden hofften wir den Passat zu finden. Doch der ließ auf sich warten.“
Heute erhält die ARC-Flotte täglich einen Wetterbericht von den Organisatoren, und schon vor dem Start bekommen die Crews Tipps für die voraussichtlich beste Route. Die variiert von Jahr zu Jahr. Mal sind die Windbedingungen auf der Rhumb Line, also auf dem kürzesten Kurs zum Ziel, am besten. Meist jedoch finden die Segler einen beständigen und noch dazu moderat wehenden Südostpassat weiter südlich.
Die schnelleren Boote, die in der Racing-Gruppe segeln, sind hingegen oftmals nördlich der Rhumb Line besser dran, weil sich dort bisweilen Tiefausläufer bemerkbar machen und zumindest zeitweise für stärkere Winde sorgen. Letztlich aber sei hinsichtlich des Windes kein Jahr mehr wie das andere. Die alte Regel, zunächst so weit südlich zu segeln „bis die Butter schmilzt“ und erst dann auf westlichen Kurs zu gehen, gelte schon lange nicht mehr, wissen die langjährigen Wetterexperten der ARC zu berichten. Der globale Klimawandel macht sich längst auch mitten auf dem Atlantik bemerkbar.
Und so steht es auch für die diesjährige 40. Auflage der ARC zu erwarten. Wenige Tage vor dem Start zeichnet sich noch kein Kursfavorit ab. Lediglich für den Beginn sieht es so aus, dass es auf der Nordroute in den ersten Tagen konstanter wehen wird.
Für den Briten Gill Duncan ist es das dritte Mal, dass er mit der ARC in die Karibik segelt. Nach seiner Premiere vor nunmehr 34 Jahren war er erneut 2012 dabei. Diesmal als Skipper einer siebenköpfigen Crew. Und mit einem großen Boot: einer Grand Soleil 52. „Schon nach der ersten ARC hatte ich zahlreiche Kontakte in der Blauwasserszene geknüpft. Die führten immer wieder zu Gelegenheiten, Regatten mitzusegeln oder Boote zu überführen.“ Dies sei ein sehr willkommener Nebeneffekt der Veranstaltung.
So auch 2012. Bei diesem Törn war seine Frau Lisa dabei. Sie erinnert sich daran, wie aufgeregt sie damals gewesen sei. „Ich fühlte mich für die Organisation verantwortlich und wusste ja selbst nicht, was auf mich zukommt. Wie viel Trinkwasser braucht man, wie viel Proviant? Wie managt man den Alltag mit so vielen Menschen an Bord?“, erzählt sie.
Wir hatten schon 1991 einen Wassermacher dabei. Die Brühe, die das Gerät erzeugte, war ungenießbar. Heute dagegen erzeugen die Geräte eine top Trinkwasserqualität.“
Nun, beim für sie zweiten Mal, ist sie drei Tage vorm Start die Ruhe selbst. „Jetzt kann ich auf all die Erfahrungen zurückgreifen, die ich vor 13 Jahren gesammelt habe“, sagt Lisa Duncan. Und es sind diesmal auch nur zwei weitere Mitsegler an Bord ihrer „Adrenalina“. „Mit vier Leuten ist alles einfacher, die Einkäufe, die Platzaufteilung an Bord und vieles mehr“, so die Seglerin. Auch, wenn das Boot nun wieder deutlich kleiner sei. Das Paar besitzt inzwischen eine 13 Meter lange J/130, Baujahr 1995.
Die haben sie für den Törn von grundauf überholt und auch modernisiert. Beispielsweise steht nun ein Carbonmast an Deck. „Unser Rigg ist beinahe mehr wert als das restliche Boot“, berichtet Gill Duncan lachend. Dabei hat er auch an anderen Stellen reichlich investiert ins Abenteuer Atlantik. Die Steuerung wurde komplett überholt inklusive des elektrischen Autopiloten. Satellitenkommunikation ist an Bord gekommen. Und auch ein Wassermacher.“ Es sei ihm wichtig, dass die „kritische Infrastruktur“, wie er die wichtigsten Bestandteile der Langfahrtausstattung bezeichnet, vor dem Start hundertprozentig funktioniere.
Die Boote sind in all den Jahren immer größer geworden und werden trotzdem noch von vielen nur zu zweit gesegelt, nicht selten von älteren Ehepaaren. Die moderne Technik an Bord macht es halt möglich.“
„All die moderne Technik braucht Aufmerksamkeit, aber sie ist auch eine Errungenschaft, sagt der erfahrene Skipper. Wir können heute unglaublich komfortabel an Bord leben. Ob Warmwasser- oder Strom, Telefonie oder Wetterinformationen - alles ist stets verfügbar. Das war vor 35 Jahren undenkbar.“
Beim Törn 1991 habe die GPS-Navigation noch in den Kinderschuhen gesteckt, erzählt er. „Wir hatten schon einen Empfänger an Bord, doch das System fiel häufig aus. Also mussten wir parallel auf die alte Weise unsere Position bestimmen, mithilfe von Koppeln sowie Standlinien von Sonne und Sternen.“ Entsprechend sei ihre Kurslinie damals ziemlich im Zickzack verlaufen, sagt Gill Duncan.
Im Rückblick amüsant sei die Art der Kommunikation gewesen, via Kurzwelle beziehungsweise SSB. „Die Funkrunden liefen über eine britische Radiostation. Darüber konnten wir auch Kontakt in die Heimat halten. Doch die Gespräche waren stets schwierig, da die Angehörigen daheim ja nicht gewohnt waren, jeden Satz mit „Over“ beenden zu müssen, damit danach der andere reden konnte.“ Vieles vom Gesagten sei nur bruchstückhaft angekommen.
Einmal habe der Nachbar, der daheim auf den Hund aufpassen sollte, seinem Vater während eines Funktelefonats gebeichtet, dass das Tier leider von einem Auto überfahren worden sei. Duncan: „Der Nachbar riet meinem Vater, dass er es besser nicht uns Kindern sagen solle. Er wusste leider nicht, dass er für uns alle über den Lautsprecher des Funkgeräts zu hören war.“
Die Sicherheitsanforderungen seitens der ARC sind immer mehr geworden. Schon, um all die geforderte Sicherheitsausrüstung an Bord unterzubekommen, brauchst du heutzutage ein großes Boot.“
Heute sind die meisten ARC-Yachten mit einem Starlink-Sat-Kommunikationssystem ausgerüstet. „Meine Frau meinte neulich zu einer engen Freundin daheim am Telefon, dass sie sie in zwei bis drei Wochen wieder anrufen werde, wenn wir in der Karibik und damit wieder erreichbar seien. Ich musste lachen, als ich das hörte und sagte ihr dann, dass sie doch jeden Tag telefonieren könne, so viel sie wolle.“
Die heutige ständige Erreichbarkeit sei allerdings Segen und Fluch zugleich. „Es ist toll, wenn Du in Kontakt bleiben kannst mit Deinen Lieben daheim. Oder wenn du an Bord arbeiten kannst und überhaupt nur deshalb eine Atlantiküberquerung für dich möglich ist. Es sind heute viele dieser Digitalnomaden bei der ARC dabei“, berichtet Gill Duncan.
Andererseits fehle etwas. Im Vergleich zu früher sei dieses unnachahmliche Gefühl verloren gegangen, da draußen auf See wirklich noch allein und aus der Welt zu sein.