Via Kapverden in die KaribikWas den Reiz der ARC Plus ausmacht

Kristina Müller

 · 06.11.2022

Via Kapverden in die Karibik: Was den Reiz der ARC Plus ausmachtFoto: WCC/ J. Mitchell
Gemeinsam über den Atlantik: Von Las Palmas de Gran Canaria führt die erste Etappe der ARC Plus auf die Kapverden

Las Palmas de Gran Canaria ist auf den ersten Blick eine typische Großstadt: ein Ort voller Leben, laut, ein wenig rau. Las Palmas ist aber auch eine Großstadt mitten im Ozean und ein magischer Ort für Transatlantik-Segler. Wer die Molenköpfe des Hafens gen Süden passiert, die Hochhäuser und die Industriekulisse achteraus lässt, segelt bald nur noch dem Horizont entgegen. Kurs Karibik oder Kapverden, je nachdem

Gemeinsam über den Atlantik: Von Las Palmas de Gran Canaria führt die erste Etappe der ARC Plus auf die KapverdenFoto: WCC/ J. Mitchell
Gemeinsam über den Atlantik: Von Las Palmas de Gran Canaria führt die erste Etappe der ARC Plus auf die Kapverden

Zur 865 Seemeilen langen Etappe nach Mindelo auf der Kapverden-Insel São Vicente sind am Sonntag in Las Palmas 90 Yachten der Blauwasser-Rallye ARC Plus gestartet. Nach zwei Wochen Vorbereitungszeit eröffnen die rund 400 Segler damit die Transatlantik-Saison der Rallyes des britischen World Cruising Club.

Crews aus 22 Nationen nehmen in diesem Jahr an der ARC Plus teil und sorgen für internationales Flair im Hafen von Las Palmas de Gran Canaria. Die meisten kommen aus Großbritannien, Schweden und Deutschland. Besonders stark vertreten sind in diesem Jahr die skandinavischen LänderFoto: WCC/ James Mitchell
Crews aus 22 Nationen nehmen in diesem Jahr an der ARC Plus teil und sorgen für internationales Flair im Hafen von Las Palmas de Gran Canaria. Die meisten kommen aus Großbritannien, Schweden und Deutschland. Besonders stark vertreten sind in diesem Jahr die skandinavischen Länder

Anders als die am 20. November startende Atlantic Rally for Cruisers (ARC) wird bei der „ARC Plus“ der Sprung über den Großen Teich in zwei Etappen aufgeteilt. Der Törn ist damit besonders bei Familiencrews beliebt, aber auch bei all jenen, die ihre Reise mit ein wenig mehr Muße angehen. Charterskipper und ihre Gäste sind eher selten auf dem Weg nach Mindelo zu finden. Wer einfach nur einen Haken hinter dem Punkt „Atlantiküberquerung“ auf der persönlichen Bucket List setzen will, wählt eher die Route ohne Zwischenstopp.

Am 6. November ist die ARC Plus zum Törn von Gran Canaria nach São Vicente gestartet. Von dort geht es am 18. November weiter nach Grenada. Am 20. November startet die ARC von Gran Canaria nach Saint LuciaFoto: World Cruising Club
Am 6. November ist die ARC Plus zum Törn von Gran Canaria nach São Vicente gestartet. Von dort geht es am 18. November weiter nach Grenada. Am 20. November startet die ARC von Gran Canaria nach Saint Lucia

Zum zehnten Mal findet die ARC Plus in diesem Jahr statt. Bei dem mehrtägigen Zwischenstopp im Archipel vor der Küste Afrikas wird ein Landprogramm für die Crews organisiert, außerdem sind wie auf Gran Canaria und im Zielhafen Grenada Liegeplätze für die Teilnehmer reserviert. Eben diese Organisation ist ein entscheidender Grund für viele, sich der Flotte anzuschließen.

„Die Balance aus Sicherheit und Gemeinschaft“ war für Nicola Stamp und ihren Partner die Motivation, den Törn gemeinsam mit anderen anzugehen. Seit drei Jahren plant das Paar aus Südengland die Atlantiküberquerung. Ihre Hanse 370 von 2008 haben sie akribisch auf die große Reise vorbereitet. Doch immer kam etwas dazwischen – nun sind sie endlich unterwegs.

  Die Crew von Nicola Stamp auf der Hanse 370 “Griselda”Foto: WCC/ Jesús de Leon
Die Crew von Nicola Stamp auf der Hanse 370 “Griselda”

Michael von Pilar, der schon 2016 den Atlantik auf seiner Gib Sea 126 überquerte, hat sich für den Törn im Konvoi entschieden, „weil es einfach Spaß macht“. Das gemeinsame Hinfiebern auf den großen Tag, der Austausch auf den Stegen, die Crewpartys im ewigen kanarischen Sommer – all das ist zum Markenzeichen der Veranstaltung geworden und für viele der Teilnahmegrund schlechthin.

Durch die Pandemie war das soziale Miteinander in den vergangenen zwei Jahren allerdings stark zurückgefahren worden. Crewdinner, Partys, Seminare – vieles musste zur Enttäuschung der Crews vom Veranstaltungsplan gestrichen werden. Dafür gab es Maskenpflicht beim Einchecken und obligatorische PCR-Tests vorm Auslaufen – inklusive Zittern, ob das Virus den lang gehegten Traum zunichtemachen würde.

Wer will, kann sich in den Tagen vor dem Start von früh bis spät in ein Vorbereitungsprogramm mit Lehrgängen und Briefings stürzen. Das ist freiwillig – vielen fehlt schlicht die Zeit dafür, da am Boot noch zu viel zu tun istFoto: World Cruising Club
Wer will, kann sich in den Tagen vor dem Start von früh bis spät in ein Vorbereitungsprogramm mit Lehrgängen und Briefings stürzen. Das ist freiwillig – vielen fehlt schlicht die Zeit dafür, da am Boot noch zu viel zu tun ist

Doch bei der ARC fühlt sich in diesem Jahr vieles wieder an wie vor Corona. Die Seminare zu diversen Blauwasserthemen sind als Präsenzveranstaltung zurück ins straffe Vorbereitungsprogramm gekehrt, die Masken sind von den Stegen verschwunden. Ob eine Crew sich vor dem Start testen lässt, liege nun im Ermessen des Skippers, so die Veranstalter.

Mitsegeln dürfen bei der Rallye nur die Yachten, die den Sicherheitscheck der Organisatoren bestehen. Während der Pandemie wurden sie bereits vor dem Eintreffen der Boote auf den Kanaren als Videokonferenz durchgeführt – ein Novum, das zusätzlich zum Check vor Ort beibehalten werden soll. Lange bevor sie Gran Canaria erreichen, können sich die Skipper nun virtuell beraten lassen.

Auf vielen Booten dauern die Vorbereitungen bis zur letzten Minute. Neben alten Hasen und versierten Hochseeseglern wagen dabei immer mehr Segeleinsteiger das Blauwasserabenteuer, die inspiriert durch Youtube-Kanäle übers Langfahrtsegeln kurz entschlossen ein Boot kaufen und lossegelnFoto: World Cruising Club
Auf vielen Booten dauern die Vorbereitungen bis zur letzten Minute. Neben alten Hasen und versierten Hochseeseglern wagen dabei immer mehr Segeleinsteiger das Blauwasserabenteuer, die inspiriert durch Youtube-Kanäle übers Langfahrtsegeln kurz entschlossen ein Boot kaufen und lossegeln

Das Thema Sicherheit ist für nicht wenige ein weiterer Grund, sich der ARC anzuschließen. Es sei einfach ein gutes Gefühl, zu wissen, dass jemand die Flotte im Tracker verfolge. Und dass andere Boote bei einem Seenotfall nicht allzu weit entfernt seien, argumentieren die Seglerinnen und Segler.

Bei Pia Toth und Bernhard Schneider aus Wien kam noch ein weiterer Aspekt hinzu: „Unsere Familien sind durch die Teilnahme an der ARC etwas beruhigter“, erzählt Toth zwei Tage vor dem Start. Ein Jahr Auszeit nehmen sich die 32-Jährige und ihr Freund, um sich den Traum einer Atlantikrunde auf eigenem Kiel zu erfüllen. Ihre betagte Sunbeam 40 haben sie im Mittelmehr gekauft, vorbereitet und dann nach Gran Canaria überführt – wo der Refit weiterging. Bis zuletzt gab es viel zu tun auf ihrer „Melee“. So musste etwa für die Versicherung noch kurzfristig das stehende Gut getauscht werden. Ein letzter Termin mit dem Elektriker dauerte bis in die Dunkelheit, und am Tag vor dem Auslaufen wurde der Kompass noch kalibriert.

Die Österreicher Pia Toth und Bernhard Schneider sind eines der jüngsten Skipperpaare der FlotteFoto: WCC / Jesús de Leon
Die Österreicher Pia Toth und Bernhard Schneider sind eines der jüngsten Skipperpaare der Flotte

Auf den Abfahrtstermin hinzuarbeiten sei daher ein wenig stressig gewesen. „Aber es ist auch gut, dass es diesen Termin gibt. Sonst wären wir vielleicht in ein bis zwei Wochen immer noch hier“, sagt Pia Toth mit einem Schmunzeln.

Auch auf der „Malouine“, einer Moody 41 mit deutscher Flagge am Heck, sind am Vorabend des Starts noch nicht alle Punkte auf der To-do-Liste abgearbeitet. Doch die Crew an Bord ist jung und wild entschlossen, am nächsten Morgen auszulaufen. Skipperin Ronja Dörnfeld aus Berlin will immerhin einmal um die Welt segeln. Im Frühsommer 2022 hat die 25-jährige Bachelorstudentin ihren Ausgangshafen in der Ostsee verlassen, um mit wechselnden Mitseglern und auch mal allein zu den Kanaren zu segeln. Von dort soll es nun erst richtig losgehen.

Unkonventionell und verrückt nach Segeln: Ronja Dörnfeld skippert die Moody 41 „Malouine“Foto: YACHT/ K. Müller
Unkonventionell und verrückt nach Segeln: Ronja Dörnfeld skippert die Moody 41 „Malouine“

Nicht nur wegen der jungen Crew an Bord fällt die „Malouine“ auf. Mit seinen 41 Fuß gehört das Schiff mittlerweile zu den kleineren im ARC-Feld. Die durchschnittliche Bootsgröße liegt in diesem Jahr bei 14,50 Meter Länge. Nicht wenige Yachten mit 60 Fuß und mehr sowie einer professionellen Crew an Bord verschieben die Grenze immer weiter nach oben. Die Hanse 370 von Nicola Stamp ist eines der kleinsten Boote auf der Startliste. Nur 14 Yachten, also rund 15 Prozent der Flotte, sind keine zwölf Meter lang.

Dazu kommen immer mehr Katamarane. 21 Mehrrumpfer sind es in diesem Jahr, darunter sieben neue Schiffe, die erst kürzlich die Werft verlassen haben.

Ein neues Gesicht beim Skippers Briefing: Paul Tetlow übernimmt den Posten als Geschäftsführer von Andrew Bishop, der sich nach vielen Jahren an der Spitze des World Cruising Club Anfang 2023 verabschiedet. Tetlow leitet das Unternehmen dann mit Kommunikationschef Jeremy WyattFoto: WCC /J. Mitchell
Ein neues Gesicht beim Skippers Briefing: Paul Tetlow übernimmt den Posten als Geschäftsführer von Andrew Bishop, der sich nach vielen Jahren an der Spitze des World Cruising Club Anfang 2023 verabschiedet. Tetlow leitet das Unternehmen dann mit Kommunikationschef Jeremy Wyatt

Der Start zur ARC Plus ist gleichzeitig eine Art Bettenwechsel der Blauwassersegler in Las Palmas de Gran Canaria. Kaum hat die ARC-Plus-Flotte die Leinen gelöst, trudeln die Yachten für den nächsten Transat-Start in zwei Wochen ein – dann ohne Stopp auf den Kapverden. Die nun gestarteten Yachten werden dort zwischen dem 11. und 13. November erwartet. Am 18. November lösen sie die Leinen in Mindelo dann für den langen Schlag in die Karibik. Wer virtuell mitreisen will, kann das ganz bequem im Online-Tracking.

Während bei der Route du Rhum in Saint-Malo der Start wegen eines schweren Sturms verschoben wurde, erwartet die Fahrtensegler in den nächsten Tagen guter Passatwind
Während bei der Route du Rhum in Saint-Malo der Start wegen eines schweren Sturms verschoben wurde, erwartet die Fahrtensegler in den nächsten Tagen guter Passatwind

Mehr zum Thema:

Ein Bericht über die Boote der diesjährigen ARC Plus und ihre Ausrüstung sowie ein Interview mit Ronja Dörnfeld über ihre geplante Weltumsegelung erscheint in Kürze in der YACHT.