​40 Jahre ARCDer Mix macht‘s

Pascal Schürmann

 · 23.11.2025

Drei Crews, die einen Teil der Vielfalt der ARC-Teilnehmer widerspiegeln
Foto: YACHT/ P. Schürmann
Heute Mittag startet die 40. Atlantic Rally for Cruisers. Fast 150 Crews machen sich nonstop auf den 2.700 Seemeilen langen Weg nach St. Lucia in der Karibik. Darunter ambitionierte Segler in der Racing-Gruppe und solche in den Cruising-Gruppen, die eher getreu dem Motto segeln: Dabei sein ist alles.

Es ist genau diese Vielfalt an Seglern aus aller Herren Länder und auf Schiffen unterschiedlichster Größe und Bauart, die für die meisten Teilnehmer den Reiz der Veranstaltung ausmacht. Vom schnellen Carbon-Geschoss bis zur ultraschweren Stahlyacht ist alles vertreten.

Das gilt auch für die diversen Crew-Konstellationen: junge oder auch ältere Paare, Freundescrews, Familien, Chartersegler – jeder kann bei der ARC segeln, wie er glücklich wird. Wir haben in den vergangenen Tagen zahlreiche Segler auf den Stegen und auf ihren Booten im Hafen von Las Palmas de Gran Canaria getroffen.

Dreamteam: Henrik Teichmann und Karl-Heinz Henzel auf “45 South II”

Zum Beispiel die beiden Rheinländer Henrik Teichmann, 58, und Karl-Heinz Henzel, 65 Jahre alt. Die beiden gehen mit einem für eine Fahrtenseglerrally eher ungewöhnlichen Schiff an den Start. Teichmanns „45 South II“ ist ein alter Eintonner von 1976, gezeichnet von Farr als Design Nr. 51. Sie fällt nicht nur aufgrund ihres quietschgrünen Rumpfs auf, sondern weil sie durchweg auf Speed getrimmt ist.

Nachts zu zweit unter Spi durchzubrettern, das muss nicht sein. Wir gehen lieber auf Nummer sicher.”

„Wir segeln trotzdem nicht in der Racing-Gruppe“, erzählt der Eigner, „auch wenn wir es für gewöhnlich lieben, den letzten Zehntelknoten aus dem Boot herauszuholen.“ Angesichts der gewaltigen zurückzulegenden Distanz wollten sie es diesmal etwas ruhiger angehen lassen. „Nachts zu zweit unter Spi durchzubrettern, das muss nicht sein. Da gehen wir lieber auf Nummer sicher.“

Teichmann und Henzel segeln bereits seit 22 Jahren regelmäßig mehrmals im Jahr zusammen, sowohl auf Nord- und Ostsee als auch im Mittelmeer. „Wir sind schon beinahe wie ein altes Ehepaar“, gesteht Henzel schmunzelnd ein. „Jeder kennt die Marotten des anderen und weiß damit umzugehen.“

Unsere Frauen haben darauf bestanden, dass wir bei der ARC mitsegeln.”

Apropos Ehepaar: Dass sie bei der ARC dabei sind, sei Bedingung ihrer Gattinnen gewesen. Schließlich sei es trotz aller Segelerfahrung ihre erste große Ozeanüberquerung. „Unsere Frauen waren der Meinung, bei der ARC seien wir gut aufgehoben; da könnten sie ruhiger schlafen, wenn sie uns mit so vielen anderen Schiffen gemeinsam statt allein auf dem Ozean wüssten“, so Henzel.

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Am schwersten sei den beiden Männern das Warten auf den heutigen Starttag gefallen. „Wir sind es nicht gewohnt, zehn Tage vor einem Rennen schon vor Ort zu sein. Wenn wir uns etwas vornehmen, dann gehen wir es in der Regel gleich an“, erzählt Teichmann. Die „45 South II“ haben sie binnen dreieinhalb Wochen von ihrem Liegeplatz in den Niederlanden nach Gran Canaria gesegelt.

„Vor der portugiesischen Küste hatten wir Glück. Obwohl wir weit draußen am Rand des Verkehrstrennungsgebietes gesegelt sind, hätten uns beinahe wohl die Orcas erwischt. Stattdessen haben sie eine knapp hinter uns segelnde Yacht attackiert“, erzählt Teichmann. Aber auch deren Crew habe Glück gehabt, da rasch ein Helikopter der Marine zu Hilfe geeilt sei, der die Tiere mit dem Lärm und den Abwinden der Rotoren offenbar erfolgreich vertreiben konnte.

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Wenn Teichmann und Henzel in der Karibik angekommen sind, werden sie das Boot zunächst dort zurücklassen und über Weihnachten nachhause fliegen. „Ich werde dann nach dem Jahreswechsel für einen Karibiktörn mit meiner Frau wieder zum Boot fliegen. Sein langjähriger Kumpel will erst später für die Strecke über den Nordatlantik zurück nach Europa an Bord kommen.

Familienauszeit: Julia, Denis und Paulina Merkel auf der “Atlantik”

Zurückkehren, das haben Julia, 43, und Denis Merkel, 45 Jahre, dagegen nicht vor. Zumindest nicht so schnell. Das Berliner Paar hat sich eine dreijährige Auszeit genommen. Gemeinsam mit ihrer vierjährigen Tochter Paulina wollen sie im Anschluss an die ARC weiter um die ganze Welt segeln.

„Wir hatten beide kürzlich den Job gewechselt und gemerkt , dass wir nicht glücklich waren. Hinzu kam, dass wir vor der Einschulung unserer Tochter loswollten“, erzählt Julia Merkel über ihre Beweggründe, jetzt auf Weltumsegelung zu gehen. Dafür haben sie sich eine betagte und 18 Tonnen schwere Stahlyacht vom Typ Koopmans 43 angeschafft. „Unsere „Atlantik“ ist aus dem Jahr 1987. Wir haben sie vor vier Jahren gekauft und seither fit gemacht für die lange Fahrt“, berichtet Denis Merkel.

Wir haben alle Zeit der Welt.”

„Zu den Schnellen werden wir nicht gehören“, lacht Julia Merkel, „doch das ist uns egal. Wir haben doch alle Zeit der Welt.“ Und ihr Mann ergänzt: „Ich habe nachgeschaut, wir haben in der gesamten Cruising-Gruppe tatsächlich eines der günstigsten Handicaps. Nur vier andere Yachten haben noch niedrigere Verrechnungsfaktoren.“ Vielleicht werde man dank dessen nach berechneter Zeit am Ende ja doch noch Gruppenerster, fügt er grinsend hinzu.

Dass sie bei der regulären ARC dabei sind, sei hingegen nicht geplant gewesen. „Eigentlich hatten wir für die zwei Wochen zuvor gestartet ARC+ gemeldet. Gerne hätten wir den Abstecher über die Kapverden mitgemacht“, sagt Julia Merkel. Doch dann seien sie und ihre Tochter am Starttag so schwer erkrankt, dass sie umplanen mussten. „Da hatten wir Glück im Unglück, dass wir einfach auf die ARC umschwenken konnten.“

Ein bisschen bedauern sie es trotzdem noch. „Bei der ARC+ sind viel mehr Familien mit Kindern dabei. An unserem Steg konnten die Kids von Boot zu Boot springen und Freundschaften knüpfen“, erzählt Denis Merkel.

Die ARC+ wird von den meisten Familiencrews favorisiert

In der Tat hat sich die ARC+ in der Vergangenheit als Favorit für Familiencrews entwickelt. Für die Kleinen bieten die Organisatoren vom World Cruising Club ein umfangreiches Betreuungsprogramm an. Auf diese Weise haben die Eltern Zeit, andere Eltern kennenzulernen und vor allem in Ruhe und zu zweit an den vielen Seminaren teilzunehmen.

In den Tagen vor dem Start zur ARC+ und zur ARC können sich die Teilnehmer viele Infos und Hintergründe zu diversen Themen holen. Etwa über die Wind- und Wetterbedingungen auf dem Atlantik, über die Kunst der Astronavigation oder auch übers geschickte Verproviantieren.

Ich bin begeistert von der gegenseitigen Hilfsbereitschaft hier unter den ARC-Seglern.”

„Für die Reise haben wir uns eigens eine SSB-Anlage an Bord installiert. Auch hierzu gab es ein Seminar vor Ort. Ich war erstaunt, wie viele andere Crews sich ebenfalls eine solche Anlage zugelegt und genau wie wir noch nicht so recht Erfahrung damit hatten“, erzählt Denis Merkel. Überhaupt sei er begeistert von der gegenseitigen Unterstützung innerhalb der Teilnehmerschar. „Es gibt hier WhatsApp-Gruppen, da brauchst du nur zu posten, dass dir dieses oder jenes Spezialwerkzeug fehlt und kurz darauf meldet sich einer der es hat und es dir ausleiht.“

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Das Miteinander sei großartig, findet auch Julia Merkel. Vor allem aber bestehe keinerlei Druck. Sie sagt: „Du kannst hier alles mitmachen, du musst aber nicht.“

Zwei plus sechs: Tanja und Thomas Volnhofer mit Mitseglern auf ihrer “Adrienne”

Das Seminar-, vor allem aber auch das Partyprogramm in den Tagen vor dem Start ist ebenfalls der Grund, warum Thomas und Tanja Volnhofer bei der ARC dabei sind. Das österreichische Eignerpaar ist extrem segelerfahren. Beide sind Segellehrer und können auf über 140.000 Seemeilen im Kielwasser zurückblicken. Die diesjährige Atlantiküberquerung ist sage und schreibe ihre 15. im Rahmen der ARC. 2018/19 waren sie bei der World-ARC dabei.

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„Wir sind hier aber nicht so sehr wegen uns vor Ort, sondern wegen unserer Mitsegler“, sagt Tanja Volnhofer. Die Österreicher haben auf ihrer GibSea 51 sechs zahlende Kojencharterer dabei. „Als Charteranbieter bekommst du heutzutage viel einfacher deine Kojen belegt, wenn du mit der ARC statt auf eigene Faust den Atlantik überquerst. Die Leute haben alle schon von der einzigartigen Atmosphäre hier gehört und möchten das unbedingt einmal selbst erleben.“

Das muss man einfach mal miterlebt haben.”

Sie weiß, wovon sie spricht. Seit 2019 bietet das Ehepaar Kojencharter auf ihrem Schiff an. „In der Karibik geht es dann weiter. Da kommen wochenweise immer wieder wechselnde Crews an Bord“, berichtet Thomas Volnhofer. Und seine Frau ergänzt: Zwischendurch gönnen wir uns aber auch mal eine Woche ohne Gäste an Bord. Die brauchen wir für uns selbst, aber auch, um das Schiff in Schuss zu halten.“

Nicht nur die „Adrienne“ segelt in Kojencharter mit der ARC in die Karibik. Für mehrere auch große deutsche Charteranbieter wie etwa Mola oder Schönicke ist die Veranstaltung des World Cruising Club längst fester Bestandteil im alljährlichen Törnkalender.

Für mehrere Kojencharteranbieter ist die ARC fester Bestandteil ihres alljährlichen Törnprogramms

„Die täglichen Sundowner, die Parade der Nationen zum Auftakt des Hafenprogramms, die Kostümparty, der Farewell-Abend, die überwältigende Verabschiedung beim Verlassen des Hafens von Gran Canaria, das alles sollte man erlebt haben“, findet Tanja Volnhofer.

Damit es unterwegs keinem Mitsegler an Bord langweilig wird, ist die Crew in die Bootsführung eingebunden. „Tagsüber gehen alle im Wechsel ans Ruder, nur nachts schalten wir den Autopiloten ein“, erklärt der Skipper. Und wer mag, kann sich tagsüber ein wenig Astronavigation von den Beiden beibringen lassen. „Wenn man sein Ergebnis mit der Position vergleicht, die das GPS anzeigt, und sieht, wie gut man mit seinen eigenen Berechnungen war, dann ist das ein echter Motivationsschub für die Leute“, erzählt Tanja Volnhofer.

Der Empfang in St. Lucia, selbst wenn du mitten in der Nacht ankommst, ist jedes Mal überwältigend.”

Sie selbst freue sich vor allem auch schon auf die Ankunft in der Karibik. Sie schwärmt: „Das herzliche Willkommen in St. Lucia, wo einen die zuvor Angekommenen, die einheimischen Marinamitarbeiter und die Leute vom World Cruising Club bereits freudig erwarten, selbst wenn man mitten in der Nacht in den Hafen einläuft, zählt mit zu den unbestrittenen Highlights der ARC!“

Bis es so weit ist, sind jedoch erst einmal mindestens 2.700 Seemeilen zu bewältigen.

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