YACHT-Redaktion
· 08.10.2022
Volker Reichelt, Geschäftsführer der Hamburger Yachtversicherung, über Corona, fehlende Seemannschaft und die veränderte Nutzung bei jungen Seglern.
Volker Reichelt: Die gesamte Versicherungsbranche wird da spätestens 2023 nicht drum herumkommen. Lohn-, Reparatur- und Materialkosten sind bereits gestiegen. Wenn nun jeder Schaden zehn Prozent teurer ist als im Vorjahr, muss das über die Prämien wieder verdient werden. Die Erhöhung wird sich wohl im Rahmen der Inflation bewegen.
Wir haben eine drastische Steigerung aller Kosten im Wassersportbereich nach der Einführung des Euro erlebt. Das führte damals zu einem Prämienschub. Die sind für Bootseigner ansonsten relativ konstant, wenn nicht gerade exorbitante Schadensfälle auftreten, etwa infolge von Stürmen.
Das wird sicherlich einen Einfluss haben. In den nächsten Jahren muss man sich auf Klimaveränderungen und plötzliche, lokale Extremwettersituationen einstellen.
Der Großteil der Schäden kommt immer noch aus dem Gebrauch des Bootes – da geht es um das misslungene Anlegemanöver, die Grundberührung, die Kollision mit anderen Schiffen. Erst danach kommen Sturmschäden sowie Einbruch und Diebstahl, etwa von Außenbordern. Ich kann nicht sagen, dass in diesem oder im letzten Jahr signifikant mehr Motoren gestohlen wurden.
Auf gute Seemannschaft wird nicht mehr so viel Wert gelegt
Wir stellen fest, dass sich bei vielen Wassersportlern ein bisschen eingeschlichen hat, auf gute Seemannschaft nicht mehr ganz so viel Wert zu legen wie früher. Fehler aufgrund mangelnder Erfahrung gerade beim Nachwuchs hat es immer gegeben. Problematischer ist, dass sich viele Menschen heute sehr stark auf die Technik an Bord verlassen und zum Beispiel nicht mehr in die Seekarte gucken. Früher wurde beispielsweise auf gute Törnplanung meist mehr Wert gelegt, auch was Wind- und Wetterbedingungen angeht. Zudem kaufen sich heute auch Anfänger Schiffe in einer Größenordnung, die früher selten war. Wir haben häufiger Kunden, die gleich mit Booten von 14 oder 15 Metern beginnen.
Nein. Es wurden zwar in den letzten beiden Jahren viele Boote verkauft, aber wir merken das nicht bei den Schadensquoten. Manche der neuen Eigner verkaufen jetzt ihr Boot auch schon wieder. Wir erwarten in den kommenden Jahren generell einen deutlichen Rückgang beim Kaufinteresse an Booten. Die Nachfrage bei den Händlern ebbt spürbar ab. Das Interesse am Segelsport ist zwar weiterhin groß, und es wird ja auch viel gechartert. Aber der schon vor 2019 zu beobachtende Trend weg vom eigenen Boot nimmt zu.
Ja. Die leihen sich lieber mal ein Auto, wenn sie eines brauchen. Und so ähnlich ist das dann auch bei den Booten. Die chartern lieber, als sich Besitz und die damit verbundenen Verpflichtungen ans Bein zu binden. Das macht ja auch alles Arbeit.
Auch wenn Reise- und Charterversicherungen immer wichtiger werden: Das Gros bilden bei uns die Yachtversicherungen – schon seit mein Schwiegervater 1972 mit dem Geschäft begonnen hat. Das teilt sich etwa hälftig in Segler und Motorbootfahrer. Per se ist die Versicherungsbranche relativ konzentriert, insofern hoffe ich, dass die Zahl der Anbieter nicht sinkt.