Die wenigsten Eigner haben das Glück, in der Nähe eines Yachthafens zu wohnen. Im Gegenteil, viele Segler legen am Wochenende Hunderte von Kilometern zurück, um ein paar Tage auf dem eigenen Schiff verbringen zu können. An Bord genießen sie den Tapetenwechsel: intensive Tage reinen Seglerdaseins, ohne Gedanken an den Job und all die Dinge, die zu Hause den Alltag bestimmen.
Geht es dann wieder heimwärts, ist es gerade umgekehrt. Im Büro und in der Hektik von Familie und anderen Freizeitbeschäftigungen bleibt oft wenig Zeit, sich Gedanken übers Schiff zu machen. Dieses Traumland ist im wahrsten Wortsinn fern. Was auch nicht weiter schlimm ist, schließlich wähnt man es ja im sicheren Hafen.
Tatsächlich bleibt der Traum auch in Abwesenheit des Eigners eine reale Welt. Möwen sitzen auf dem Windex, Wasser umspült die Seeventile, Salz knabbert am Eisenballast, Wind zerrt an Persenningen, Leinen an Klampen, Pollen landen auf den Beschlägen, Regen prasselt aufs Teakdeck. Kurz, nicht erst, wenn die Crew am nächsten Wochenende wieder auf den Steg kommt, liegt am Platz ein Schiff, das umsorgt werden will.
Oft passiert ein Seglerleben lang nichts Außergewöhnliches während der Abwesenheit des Eigners. Doch es gibt auch andere Fälle. Es sind vor allem die Randjahreszeiten, in denen hierzulande mittelfristig nicht vorhergesagte Starkwinde manches Mal für drastische Wasserstandsveränderungen im Hafen sorgen und die Boote und ihre Riggs ordentlich in Bewegung versetzen. Die Folge: Ganze Vorsegel rollen sich ab, wehen aus und zerreißen in Fetzen. Fender verrutschen und Bordwände reiben ungeschützt aneinander. Festmacher brechen, und Bugkörbe verbiegen am Steg. Relingsstützen werden an der Pier eingedrückt. Ausrüstung geht über Bord.
Manch Eigner wird sich daher schon gefragt haben, was er eigentlich vor dem Verlassen seiner Yacht unternehmen muss, um der viel zitierten Sorgfalt Genüge getan zu haben. Und zwar aus seemännischer wie aus rechtlicher Sicht. Und: Was geschieht, wenn er sie außer Acht lässt? Oder aber, wenn er sie einhält und trotzdem etwas passiert? Etwa ein Schaden an der eigenen Yacht entsteht oder diese gar ein anderes Boot in Mitleidenschaft zieht?
Schlimmer noch: Was, wenn ein helfender Liegeplatznachbar bei seinem Einsatz etwas kaputtmacht oder gar selbst zu Schaden kommt? Und umgekehrt: Ist, wer zum Hafen fährt und nach dem Rechten sieht, verpflichtet, das auch bei der Yacht des Nachbarn zu tun? Und welche Pflichten hat eigentlich der Hafenmeister? Vertritt er doch schließlich mit dem Betreiber der Anlage den Vermieter.
All diese Fragen müssen differenziert betrachtet werden. Es gilt zu unterscheiden zwischen rechtlich gebotenem Verhalten und dem, was unter Seglern üblich ist oder wünschenswert sein sollte.
Rechtlich, so der Hamburger Anwalt und YACHT-Autor Dr. Heyko Wychodil, gebe es einfache Antworten auf die meisten Fragen. Denn: „Die Gerichte gehen grundsätzlich von einer sehr hohen Eigenverantwortung der Eigner aus“, so Wychodil über den zugrundeliegenden Rechtsgedanken. „Persönliche Defizite entlasten ihn da nicht. Vor allem dann nicht, wenn sie ihm vorher bekannt sind.“
Das sei etwa bei einem langen Anfahrtsweg der Fall. „Wenn ich weit von der Küste oder dem nächsten Binnenrevier entfernt wohne und daher den Liegeplatz bei plötzlich auftretendem Sturm gar nicht erreichen kann, dann muss ich überlegen, ob das Schiff die Herbststürme nicht besser in der Winterlagerhalle übersteht. Oder rechtzeitig eine entsprechende Infrastruktur schaffen.“
Das kann in der Praxis etwa mittels einer Vereinbarung geschehen, die man mit einem befreundeten Segler trifft, der sich während der Abwesenheit ums Schiff kümmert. „Wichtig ist, dass es sich dabei für beide Seiten erkennbar um mehr handeln muss als um eine bloße Gefälligkeit“, so Wychodil. In jedem Fall habe der Eigner im Rahmen der Eigenverantwortung für sein Schiff bei dessen Instandhaltung alle zur Verfügung stehenden Gestaltungsspielräume zu nutzen.
Der Hafenbetreiber wird in der Regel vertraglich ausschließen, dass er – beispielsweise durch seine Hafenmeister – klassische Eignerpflichten wie die Kontrolle von Leinen, Fendern oder den Stand des Bilgenwassers übernimmt. Er vermietet eine definierte Wasserfläche, hält sie für den Mieter frei und stellt die dazugehörige Infrastruktur, kurz, er steht für die Hafenanlage gerade. Die vertraglich zugesicherten Pflichten enden aber klassischerweise dort, wo das Eigentum der Mieter beginnt.
„Über einen weiterführenden Service müsste ein gesonderter Vertrag geschlossen werden“, erklärt Wychodil. Das Schiff werde nicht, wie etwa ein Pferd im Reitstall, im Sinne eines Verwahrverhältnisses beim Hafenbetreiber untergebracht: „Die Nutzung des Liegeplatzes erfolgt eigenverantwortlich.“ Und so enden die geschuldeten Dienste der Hafenmeister gewöhnlich auf dem Steg. Es sei denn, der Schutz der öffentlichen Sicherheit gebietet es, ein Boot zu betreten. Etwa, um eine Ölsperre auszubringen, einen Brand zu löschen oder eine ins Hafenbecken gefallene Person zu bergen.
Während also ein Vertrag über die Verwahrung eines Pferdes typischerweise detailliert aufgeschlüsselte Abmachungen enthält, welche einzelnen Pflegeleistungen für das vereinbarte Entgelt erwartet werden dürfen, fehlen entsprechende Angaben in einem klassischen Liegeplatzvertrag.
„Während der Stallbetreiber Verantwortung übernehmen will, schließt der Hafenbetreiber sie in der Regel aus“, fasst Wychodil diesen Umstand zusammen. Das sei aufgrund der Menge an Yachten, die für gewöhnlich in einem Sportboothafen liegen, faktisch auch gar nicht anders möglich. Nicht selten kommen da mehrere Hundert Schiffe auf einen Hafenmeister.
„Man stelle sich vor, in einem Herbststurm fliegen die Fetzen, und der Hafenbetreiber soll für alle Fehler haften, die den Eignern beim Festmachen unterlaufen sind. Da wäre er über Nacht pleite. Und keine Gesellschaft würde solch ein Risiko versichern.“
Doch Verpflichtung hin oder her, viele Hafenmeister fühlen sich für ihre unbemannten Dauerlieger allein aufgrund ihres Berufsethos verantwortlich. Sie gehen regelmäßig mit wachen Augen über die Stege, kontrollieren dabei nicht allein die Anlage, sondern auch die Yachten, und sie benachrichtigen Eigner, wenn ihnen etwas auffällt.
Sollte man das Glück haben, sein Schiff in der Obhut eines solchen Hafenmeisters zu wissen, ergeben sich aus dessen Freundlichkeit dennoch keine rechtlichen Verpflichtungen. Wenn beispielsweise mehrfach Unheil abgewendet werden konnte, weil der Hafenmeister eingegriffen hat, entsteht daraus kein Anspruch, dass er es beim nächsten Mal erneut tut. „Da wäre der Eigner ja schlecht beraten, selber sein Schiff zu sichern“, sagt Heyko Wychodil, „macht er dabei einen Fehler, muss er zahlen. Also sagt er sich: ‚Ich bleibe lieber zu Hause, dann haftet der Betreiber‘ – das kann ja nicht die Lösung sein.“
Ebenso verhält es sich mit der Hilfsbereitschaft benachbarter Dauerlieger. Selbst wenn es am Steg üblich ist, dass die heimischen Segler ein Auge auf die Schiffe der auswärtigen Eigner haben, resultiert daraus kein rechtlicher Anspruch.
„Du sollst helfen!“, lautet das elfte Gebot auf dem Wasser. Es steht in keinem Gesetzbuch, doch seiner Gültigkeit unter Seglern kann das nichts anhaben. Und das sollte auch so sein, wenn die Betroffenen nicht anwesend sind.
Wer sich an den schlagenden Fallen des verlassenen Nachbarliegers stört, wird kein Problem damit haben, sie abzubinden. Warum sollte er nicht auch die Rollfock mit einem Zeising sichern, wenn er sieht, dass es erforderlich ist?
Andererseits gibt es auch für moralische Verpflichtungen Grenzen. Bei Gefahr für Leib und Leben gelten andere als bei drohendem Sachschaden. Und auch die Fähigkeiten des Helfers haben einen Einfluss darauf, wo diese Grenze verläuft. Ein erfahrener Segler hat naturgemäß andere Möglichkeiten zu helfen als ein Neuling, ein durchtrainierter Sportler mehr als ein Mensch mit Handicap.
Klar ist: Niemand muss sich ernsthaft selbst in Gefahr begeben, um ein fremdes Boot zu sichern – schon gar nicht, wenn dessen Eigner sich nicht darum gekümmert hat. Ergo: Im Einzelfall gilt es stets abzuwägen.
Verlassen Sie Ihr Schiff grundsätzlich erst, wenn es so festgemacht ist, dass es auch bei Starkwind, Sturm und Wasserstandsschwankungen gut vertäut am Liegeplatz liegt, gut abgefendert ist und Persenninge, Segel und Ausrüstungsgegenstände sich nicht lösen können.
Erkundigen Sie sich in Ihrem Hafen, ob Sie mit professionellen Anbietern einen Vertrag über Rundum-Service abschließen können, der dann auch die Haftung beinhaltet, wenn der Service unterbleibt und es dadurch zu Sachschäden kommt.
Lesen Sie Ihren Liegeplatzvertrag und die dazugehörigen Vereinbarungen (Hafenordnung, Hafenbenutzungsordnung, AGB) sorgfältig durch. Machen Sie sich bewusst, was Ihre Rechte und was Ihre Pflichten sind.
Überprüfen Sie Ihre Nutzungsgewohnheiten der vergangenen Jahre daraufhin, ob das Boot in den Randjahreszeiten wirklich bewegt wird und im Wasser liegen sollte – oder ob es dann nicht besser an Land steht.
Erkundigen Sie sich bei Stegnachbarn und Hafenmeister, ob jemand regelmäßig ein Auge auf die Boote hat und falls ja, ob derjenige die Eigner bei Handlungsbedarf auch rasch und zuverlässig informiert.
Bilden Sie Allianzen mit Ihren Stegnachbarn. Helfen Sie sich gegenseitig im Rahmen des Möglichen, klären Sie aber auch ab, wo Hilfe unerwünscht ist und was – umgekehrt – vom anderen nicht erwartet werden sollte.
Wenn Sie merken, dass Hilfe nötig ist: Legen Sie nur Hand an, wenn Sie sehen, dass Sie helfen können, sich die Hilfe zutrauen und wissen, was zu tun ist. Bitten Sie ansonsten den Hafenmeister, den Eigner zu verständigen.
Klären Sie mit Ihrer Versicherung, was diese von Ihnen erwartet, damit Sie im Zweifel Ihre vertraglichen Sorgfaltspflichten erfüllen.