SeemannschaftTypische Fehler bei der Flaggenführung, die teuer werden können

Lasse Johannsen

 · 28.02.2023

Korrekte Flaggenführung am Flaggenstock
Foto: U. Sommerwerck

Mit den Umgangsformen unter Seglern ist es nicht anders als mit denen an Land. Manch einer glaubt, ohne sie auszukommen, und hält auch die Regeln für korrekte Flaggenführung für überholt. Welche Hintergründe einige der Gebräuche und Gesetze haben und weshalb man sich trotzdem daran halten sollte, klärt dieser Artikel. Denn schlechte Seemannschaft ist nicht nur fahrlässig, sondern kann auch teuer werden

In diesem Artikel:


Diese Zuschrift eines Lesers ist typisch für Anfragen, die in der Redaktion zum Thema Flaggenführung eingehen:

Ich erhielt eine Anzeige wegen Führen der falschen Flagge auf meinem Segelboot vor Rügen. Neben der deutschen Flagge hatte ich eine Europaflagge mit deutscher Flagge in der oberen Ecke am Achterstag gesetzt. Das Bußgeld für die Ordnungswidrigkeit soll 55 Euro betragen. Ob das der europäischen Integration dient?

Fakt ist, dass die angesprochene Strafe korrekt ist. Denn in diesem Fall besteht die Gefahr einer Verwechslung, die der Gesetzgeber ausschließen möchte. Nach internationalen seerechtlichen Abkommen geht es bei der Beflaggung um die Möglichkeit der eindeutigen Zuordnung zu einer Nationalität. Da die Nationalflagge auch am Achterstag geführt werden darf, ist jegliche andere Flagge an dieser Stelle irritierend. Hätte der Leser die Europaflagge unter der Saling angebracht, wäre dies nicht der Fall und sein Anliegen der “europäischen Integration” damit auch abgehandelt.

Aber was darf man eigentlich und was nicht, was gehört zur guten Etikette, ist aber nicht verpflichtend? Wann muss die Flagge gesetzt werden und wann nicht? Und wie sieht es mit Fantasieflaggen aus? Dieser Artikel klärt beantwortet all diese Fragen und liefert Informationen zur korrekten Flaggenführung auf Segelyachten.


Wurde früher bei der Flaggenführung mehr auf Gebräuche und Stil geachtet?

Bei der Durchsuchung alter Ausgaben der YACHT nach den Stichworten „Flaggenführung“ und „Yachtgebräuche“ konnten wir Erstaunliches feststellen. Erstmals Ende der 1980er Jahre beschäftigt sich ein Autor in Europas größtem Segelmagazin mit dem yachtmännisch korrekten Auftreten, das dann erst wieder nach der Jahrtausendwende thematisiert wird.

In der Ausbildungsliteratur hingegen verhält es sich andersherum. Während den segelsportlichen Stil-Fragen vor zwei Generationen noch ganze Kapitel gewidmet wurden, sind sie dort heute gar nicht mehr anzutreffen. Wo einst Ausführungen über Dresscode und Ordnung an Bord zu finden waren sowie über die Reihenfolge, in der Yachten einander grüßen oder Besatzungsmitglieder in ein Dingi einsteigen dürfen, klafft heute eine Lücke. Ähnlich verhält es sich bei der korrekten Flaggenführung.

Kaum ein Thema wird ähnlich emotional diskutiert

Der Grund ist simpel. Lange Zeit wurde die Existenzberechtigung derartiger Vorschriften so wenig in Frage gestellt wie die Vorfahrtsregeln. Zwar bot der Umgang unter Seglern schon immer Gesprächsstoff, gab es immer schon gutes und schlechtes Benehmen. Und gewiss gab es auch immer schon Segler, die eine festgelegte Etikette für entbehrlich hielten. Aber man muss zur Kenntnis nehmen, dass bis etwa vor einer Generation nicht ernsthaft in Frage gestellt wurde, dass es so etwas wie Yachtgebräuche als Ideal gibt, an dem man sich orientieren sollte.

Dies hat sich grundlegend geändert. Kaum ein Thema wird in den einschlägigen Foren ähnlich emotional diskutiert wie die Frage, ob die abendliche Flaggenparade heute noch zeitgemäß ist, was unter Seglern als guter und was als schlechter Stil zu gelten hat und ob traditionelle Gepflogenheiten dabei als Orientierung dienen sollten. Ob sie, kurz gesagt, den Segler auch jetzt noch zieren oder ihn, umgekehrt, als ewiggestrig ausweisen.

Yachtgebräuche und ihr Hintergrund

Auch für diesen Sinneswandel gibt es einen einfachen Grund. Denn ursprünglich galten Yachtgebräuche nicht allein als Verhaltensmaßstab. Sie hatten darüber hinaus eine Funktion als identitätsstiftendes Element des etablierten Segelsports. Wer dazugehörte, war daran zu erkennen, dass er neben der Etikette auch manch alten Brauch einhielt. Deren Herkunft war unter Umständen zwar gar nicht mehr jedem bekannt, und oft war auch gar kein praktischer Nutzen für den Bordalltag mehr gegeben. Trotzdem galt es als unschicklich, an Bord zu pfeifen, freitags auszulaufen, und besonders hartgesottene Skipper ließen den Jüngsten am Mast kratzen, wenn es am passenden Wind für die Reise fehlte.

Bewusst oder unbewusst schlossen sich Segler auf diese Weise in ihrer eigenen Welt ein, in die nicht jeder Einlass fand. Eine Funktion, die nicht mehr in eine Zeit zu passen scheint, in der es vielfältige Wege aufs Wasser gibt. Eine Zeit, in der die Welt der Segler nicht mehr von Eigneryachten unter Clubstandern dominiert wird. Und eine Zeit, in der sich auf dem Wasser Menschen treffen, die in ihrer Freizeit nicht nur diese eine Passion ausleben.

Etikette als Teil der Ausbildung

Gleichwohl gibt es Umgangsformen, die sich jeder Wassersportler von den anderen wünscht und die es schon aus diesem Grund wert sind, dass man sie vom Vorurteil befreit, lediglich ein überlebtes Sittenbild alter Tage zu sein. Gemeint ist sportliches Verhalten. Rücksicht, Toleranz und Hilfsbereitschaft. Ein Benehmen, das sich auf dem Wasser eben in besonderen Erscheinungsformen zeigt.

An der Hanseatischen Yachtschule in Glücksburg ist es Teil der Ausbildung, den Schülern dieses Verhalten zu vermitteln. „Wir leben es vor und begründen, was wir tun“, sagt Segellehrer Peter Herdan, zuständig für die Lehrgänge auf seegehenden Yachten. „Das Miteinander ist der rote Faden. Jeder Wassersportler, egal ob Segler oder Motorbootfahrer, ist eines Tages auf fremde Hilfe angewiesen. Also ist es selbstverständlich, dass wir einander helfen.“

Die Flaggenparade hat einen ernsthaften Hintergrund

Alte Bräuche wie der Schluck für Rasmus zu Beginn der Reise, Rituale also, die tatsächlich keinen praktischen Sinn erfüllen, seien heute kein fester Bestandteil der Ausbildung mehr. Anders verhalte es sich mit dem Ritual der Flaggenparade. Aber das, so Herdan, habe auch einen ernsthaften Hintergrund, der wiederum auf dem guten Miteinander beruhe.

„Wir haben es bei uns mit Schülern aus ganz Europa zu tun und wollen unter ihnen das Bewusstsein schaffen, dass wir alle zu Gast sind.“ Im Auslandshafen werde daher nicht nur die Nationalflagge am Heck morgens gesetzt und abends niedergeholt, sondern auch der Gastlandsstander unter der Saling. „Es gibt zahlreiche Häfen, in denen umgekehrt die Nationalflaggen der Gastlieger gesetzt werden“, so Herdan, da sei es ein Akt der gegenseitigen Hochachtung, auch die Flagge des Gastgebers mit dem entsprechenden Respekt zu behandeln.

Flaggenführung: die Bedeutung der Gastlandsflagge außerhalb europäischer Gewässer

Dass auf diese Ehrbezeugung im Ausland durchaus Wert gelegt wird, hat Jürgen Mohns erlebt. Der Blauwassersegler war 23 Jahre unterwegs und hat festgestellt, dass dem korrekten Umgang mit der Gastlandsflagge außerhalb europäischer Gewässer mehr Bedeutung beigemessen wird als der eines spleenigen Rituals.

„In Uruguay“, sagt Mohns, „habe ich tatsächlich einmal Ärger mit dem Militär bekommen, weil ich nach dem Einlaufen nicht unverzüglich von der See- auf die Hafen­flagge gewechselt habe. Die Nationale in unserem Besan hing daher höher als der Gastlandsstander.“ In seefahrenden Nationen erinnert diese Symbolik manch einen noch an Zeiten, in denen auf besiegten Kriegsschiffen die Flagge des Siegers über der des Besiegten gehisst wurde.

Wann muss welche Flagge wo gesetzt werden?

Aus dem gleichen Grund wird es als unhöflich empfunden, wenn Gastlandsflaggen während der Reise „gesammelt“ werden. Lediglich am Tag der Heimkehr ist es üblich, die Flaggen aller während des Törns besuchten Länder in der Reihenfolge des deutschen Alphabets bis zum Sonnenuntergang unter der Steuerbord-Saling zu setzen.

Ebenfalls als Zeichen der Ehrerbietung ist der Gastlandsflagge mit Steuerbord die feine Seite vorbehalten. Der Club- oder Vereinsstander wird, sofern er nicht im Topp seinen Platz findet, unter der Backbord­saling gesetzt. Er weht auch, wenn niemand an Bord ist.

Die Gastlandsflagge hingegen wird bei Abwesenheit der Crew, ebenso wie die Na­tio­nalflagge, eingeholt. Auf See soll unter der Saling außer einer Gastlandsflagge und einem Vereins- oder Clubstander ansonsten nichts wehen, um Verwechslungen mit Flaggensignalen wie dem internationalen Not­signal N über C auszuschließen.

Korrekter Umgang mit der Nationalflagge an Bord ist gesetzlich geregelt

Flaggen und Stander sollten in einwandfreiem Zustand sein, bis unter den Flaggenknopf oder die Saling vorgeheißt werden, und die Flaggleine sollte keine Lose haben.

Anders als die tradierten Yachtgebräuche ist der korrekte Umgang mit der Nationalflagge an Bord im Gesetz geregelt. Das beginnt mit ihrem Aussehen, das in Artikel 22 Grundgesetz genau beschrieben wird – sie ist schwarz-rot-gold mit einem Seitenverhältnis von 3:5. Eine Europaflagge ist daher kein Ersatz. Auch dann nicht, wenn sie in der Gösch, dem „Liek-seitigen Obereck“, schwarz-rot-gold ist.

Die Bundesflagge ist laut Flaggenrechtsgesetz auf den Seeschifffahrtsstraßen, in Küstengewässern, auf See und im Ausland von allen zur Seefahrt bestimmten Schiffen zu führen, deren Eigentümer Deutsche sind und die ihren Wohnsitz im Geltungsbereich des Grundgesetzes haben. Darunter fallen auch nicht registrierungspflichtige Sportboote. Bei Verstößen droht ein Bußgeld.

Weshalb werden die Flaggen nachts eingeholt?

Die Nationalflagge muss, so verlangt es der Gesetzgeber, jederzeit gut sichtbar sein. Daher soll sie an einem etwa 40 Grad geneigten Stock am Heck gesetzt werden, der mittschiffs oder leicht nach steuerbord versetzt steht. Auf See kann sie im Achterliek des Großsegels oder bei mehrmastigen Yachten im Topp des achteren Mastes gefahren werden. Das Achterstag steht als Ersatz für den Flaggenstock im schlechten Ruf.

Die Flaggenparade ist nicht gesetzlich geregelt, sondern internationaler Seemannsbrauch. Im 17. Jahrhundert wurde ein Beamter der Royal Navy auf die hohen Kosten für Flaggentuch aufmerksam. Er setzte durch, dass die Flaggen bei Sonnenuntergang einzuholen und erst bei Sonnenaufgang wieder zu setzen waren. Die Kosten wurden so um die Hälfte gesenkt – und die Vorschriften zur Flaggenführung wurden Seemannsbrauch.

Korrekte Flaggenführung: Einholen sollte zu bestimmten Zeiten erfolgen

Seither werden die National- und Gastlandsflaggen vom 1. Mai bis 3. September um 8 Uhr morgens gesetzt, in den übrigen Monaten um 9 Uhr. Eingeholt wird sie abends bei Sonnenuntergang, spätestens aber um 21 Uhr. Auch das wird im Ausland nicht selten als Akt der Höflichkeit betrachtet.

„Man wird heute bisweilen dafür be­lächelt“, sagt Peter Herdan. „Denn die Leute hinterfragen nicht, warum wir das machen. Wenn man umgekehrt fragt, warum andere das nicht tun, dann sind sie meist verlegen.“


Gesetze zur Flaggenführung

Im Gegensatz zu den Yachtgebräuchen gibt es zum Thema Flaggenführung  gesetzliche Vorschriften.  Wer sie missachtet, kann sogar zur Kasse gebeten werden.

Nationalflagge

Für Yachten gilt das „Gesetz über das Flaggenrecht der Seeschiffe und die Flag­genführung der Binnenschiffe“ (Flaggenrechts­gesetz). Demnach sind auf Binnengewässern Schiffsführer nicht dazu verpflichtet, die Nationalflagge zu hissen. Auf den Seeschifffahrtsstraßen, in Küsten­gewässern, auf See und im Ausland allerdings ist die Bundesflagge gemäß Paragraf 1 Flaggenrechts­gesetz „von allen zur Seefahrt bestimmten Schiffen, deren Eigentümer Deutsche sind und die ihren Wohnsitz im Geltungs­bereich des Grundgesetzes haben, zu führen“.

Sie ist schwarz-rot-gold, was sogar im Grundgesetz festgelegt ist. Eine Europa­flagge mit schwarz-rot-gol­dener Gösch ist demzu­fol­ge kein Ersatz. Und: Die Bundesflagge hat ein Seitenverhältnis von 3:5 (Anordnung von 1950).

Sie soll am Stock gesetzt werden, der etwa 40 Grad geneigt ist, damit die Flagge auch zu erkennen ist. Der Stock steht mittschiffs am Heck. Falls das kon­struktiv unmöglich ist, darf er nach steuerbord versetzt werden. Unter Segeln kann die Flagge auch am Achter­- liek des Großsegels gefahren werden. Das wird beispielsweise auf Traditionsseglern mit Gaffelrigg noch häufig praktiziert.

Bei mehrmastigen Yachten kann sie auf See im Topp des achteren Mastes gefahren werden. Nach „Seeklar zurück“ ist sie jedoch am Flaggenstock zu führen – aus Respekt gegenüber der Gastlandsflagge, denn die Nationalflagge sollte tiefer wehen als diese.

Lange galt es als Sakrileg, die Nationalflagge am Achterstag zu fahren. Dem Gesetzgeber allerdings kommt es darauf an, dass die Flagge am Heck weht und gut sichtbar ist.

Die Flagge wird vom 1. Mai bis 3. September um 8 Uhr morgens gesetzt, in den übrigen Monaten um 9 Uhr. Ein­geholt wird sie abends bei Sonnenuntergang, spätestens aber um 21 Uhr.

Gastlandsflagge

Die Flagge des Gastlandes wird als alleinige Flagge unter der Steuerbordsaling gesetzt. Sie wird dicht unter die Saling vorgeheißt, die Flaggleinen haben keine Lose. Von Auslandsfahrt heimkehrende Yachten können am Tag der Heimkehr mit Erreichen der deutschen Hoheitsgewässer die Flaggen der besuchten Länder in alphabetischer Reihenfolge zeigen, bis sie am Abend niedergeholt werden. Es ist nicht mehr üblich, das Prozedere am folgenden Wochenende und zum Absegeln zu wiederholen. Während der Auslandsfahrt die Gastlandsstander unter der Saling „zu sammeln“ kann als unhöflich missverstanden werden und zählt daher nicht zu den üblichen Gepflogenheiten.

Vereinsstander

Traditionell im Topp, wird er heutzutage üblicher­weise unter der Backbordsaling gefahren. Er weht bei Tag und Nacht, auch wenn niemand an Bord ist. Um eine Verwechslung mit dem internationalen Notsignal „N über C“ zu vermeiden, soll nur ein Stander gesetzt werden, auch wenn die Yacht bei mehreren Ver­einen eingetragen ist – beispielsweise im Hafen der heimische Stander.

Sonstige

Die Europaflagge oder eine fremde statt der eigenen Nationalflagge verstößt gegen das Flaggenrechtsgesetz. Dieses sieht schlimmstenfalls Freiheitsstrafe vor. In der Praxis wird die Wasserschutzpolizei eine Verwarnung aussprechen oder ein Bußgeld erheben. Fantasieflaggen gehören im Hafen mittlerweile zum typischen Bild, sind aber auf See nicht zu zeigen.


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