Stefan Schorr
· 22.03.2023
Dr. Melanie Alburg, Allgemein- und Sportmedizinerin und erfahrene Offshore-Regattaseglerin („Bank von Bremen“), über die Eigenarten des Schlafens an Bord. Ein Kurzinterview
Dr. Melanie Alburg: Je kleiner die Crew, desto wichtiger ist es, die eigenen Akkus nie ganz leer zu machen – sich also nicht zwingen, so lange wach zu bleiben, bis man völlig am Ende ist. Ein Wetterumschwung oder ein Defekt kann die Zeit auf See schnell deutlich verlängern und plötzlich meinen vollen Einsatz verlangen. Dafür muss ich immer noch Kraftreserven haben. Deshalb halte ich auch für eine Zweiercrew einen konkreten Wachplan für sinnvoll. Der kann aber durchaus flexibel gehandhabt werden, indem je nach Müdigkeit eine Wache einmal eine halbe Stunde länger oder kürzer dauert.
Einhandsegler zerlegen ihren Schlaf am besten in mehrere kleine Intervalle, die in der Summe ausreichend Erholungsschlaf pro Tag ergeben. Der optimale Weg wäre, in einem Schlaflabor analysieren zu lassen, welcher Schlaftyp man ist und welche Schlafdauer und -häufigkeit individuell die beste Erholung bringt. Den Aufwand betreiben aber bestenfalls Regattaprofis. Was aber jeder wissen sollte: Wir müssen nicht lange am Stück schlafen, um zu regenerieren. Ein etwa 20-minütiges Nickerchen ist tatsächlich wertvoll, weil wir uns dabei erholen, aber noch nicht in die Tiefschlafphase kommen. Wenn nach 20 Minuten Schlaf der Wecker rappelt, fühle ich mich nicht wie erschlagen oder gar orientierungslos – was beides passieren kann, wenn ich aus dem Tiefschlaf gerissen werde.
Zu Hause lässt sich das nicht wirklich trainieren. Und in den ersten Nächten auf See wird es meist nur erfahrenen Seglern gelingen, sofort einzuschlafen, die anderen machen sich Gedanken über mögliche Probleme an Deck, Kollisionen, Mann-über-Bord-Szenarien oder plötzliche Sturmböen. Das ist völlig normal.
Je mehr Bord-Erfahrung man hat, desto schneller wird man einschlafen können. Da muss jeder seinen optimalen Weg finden. Man lernt ständig dazu. Wenn ich etwa gemerkt habe, dass mir die Vorschiffskoje auf dem Amwind-Kurs zu unruhig ist, lege ich mich künftig gleich in die Hundekoje und kann dort gut schlafen. Um einschlafen zu können, muss ich aber vor allem eine gehörige Portion Vertrauen in meine derzeitig segelnde Wache haben und als Solosegler in meine elektronischen Alarmgeber, die mich vor einer kritischen Annäherung wecken.
Ja. Man nimmt im Schlaf intuitiv Geräusche oder geringste Veränderungen wahr. So wie eine schlafende Mutter immer auch ihr Kind spürt.