In diesem Artikel:
Alle Boote mit einem Propeller unter dem Rumpf haben ihn, den sogenannten Radeffekt. Er ist je nach Art des Antriebs und der Form des Rumpfs unterschiedlich stark ausgeprägt, aber immer vorhanden. Der Effekt bewirkt, dass das Heck des Bootes beim Anfahren seitlich versetzt wird. Er kann zum Manövrieren bewusst genutzt werden und dann manchen An- oder Ableger sehr elegant ablaufen lassen. Rudergängern, die ihn nicht beachten, treibt er dagegen mitunter den Schweiß auf die Stirn.
Das Wissen um den Radeffekt zählt zum Pflichtrepertoire jeden Skippers. Vor allem, wenn es sich um eine unbekannte Yacht wie beim Chartern handelt, sollte man die Wirkung kennen, um das Boot bei Hafenmanövern entsprechend zu positionieren.
Die richtige Bezeichnung ist eigentlich Propellereffekt, da er durch ein Phänomen am Prop entsteht. Durchgesetzt hat sich jedoch die Bezeichnung Radeffekt, da diese die Wirkung beschreibt und intuitiver erfassbar ist. Denn den Propeller kann man sich wie ein Rad vorstellen, das den Grund berührt und auf ihm entlangläuft.
Bei Achterausfahrt ist der Radeffekt deutlich stärker ausgeprägt als bei Vorausfahrt
Ein rechtsdrehender Propeller, wie auf den meisten modernen Yachten, läuft bildhaft ausgedrückt also nach rechts über den Grund und zieht dabei das Heck mit nach rechts. Im Rückwärtsgang, wenn der Prop linksherum dreht, geschieht dasselbe, nur nach links. Bei Achterausfahrt ist der Effekt auch deutlich stärker ausgeprägt als bei Vorausfahrt, weshalb im Folgenden zunächst das Rückwärtsfahren betrachtet wird. Auch die Zeichnungen auf dieser Seite sind entsprechend angelegt.
Der Radeffekt entsteht durch einen Wasserstau unter dem Rumpf. Der Bootskörper wirkt dabei wie eine Art Deckel, der den gleichmäßigen Wassertransport behindert. Ohne Rumpf, also an einem freistehenden Propeller, würden die Schaufeln auf ihrer kreisförmigen Bewegung an jeder Position die gleiche Menge Wasser transportieren. Also bei einem im Rückwärtsgang linksdrehenden Propeller auf der linken Seite nach unten, auf der rechten nach oben, auf der Oberseite nach links und unten nach rechts. Durch den Rumpf wird dieser gleichmäßige Transport jedoch behindert. Vereinfacht ausgedrückt, schleudern die Schaufeln bei ihrer Aufwärtsbewegung das Wasser gegen den Rumpf. Dort staut es sich und übt Druck auf den Rumpf aus.
Davon unbeeinflusst bleibt die Strömung an der Unterseite des Props. Er schaufelt also ständig Wasser nach Steuerbord. Auf der Backbordseite entsteht ein Unterdruck, der das Heck mitzieht. Auf der Steuerbordseite entsteht Überdruck. Je steiler dabei die Rumpfform ausfällt, wie bei einem S-Spant, desto mehr behindert sie den Propellerstrom. Er trifft dann nicht mehr senkrecht auf den Rumpf, sondern schräg und übt so einen größeren Druck aus. Handelt es sich dazu noch um einen Langkieler, bei dem der Prop in einem Tunnel arbeitet, wirkt der Kiel wie eine Trennplatte. Der Prop kann nur Wasser von einer Seite auf die andere befördern, und der Radeffekt ist stark ausgeprägt.
Einfluss auf die Stärke hat jedoch auch die Art und die Position des Antriebs. Je weiter entfernt sich der Propeller von der Drehachse des Boots befindet, desto größer ist das Drehmoment, das er ausüben kann. So wird eine Yacht mit Wellenanlage immer einen stärkeren Radeffekt haben als ein vergleichbares Boot mit Saildrive, da dieser viel dichter an der Drehachse liegt.
Hinzu kommt, dass beim Saildrive der Prop senkrecht im Wasser steht und der Propellerstrahl damit waagerecht von ihm weg führt. Bei einer normalerweise etwa um 15 Grad geneigten Wellenanlage hingegen trifft der Propellerstrahl in ebendiesem Winkel von unten nach oben auf den Rumpf, wodurch sich der Staueffekt verstärkt.
Somit haben moderne Yachten mit flachem U-Spant und Saildrive normalerweise einen deutlich geringer ausgeprägten Radeffekt als ältere S-Spanter oder gar Langkieler. Bei Letztgenannten kann der Effekt sogar derart stark sein, dass die Fahrt achteraus unmöglich wird. Dann zieht der Prop so kräftig zur Seite weg, dass das meist kleine Ruder hinter dem Kiel nicht dagegenwirken kann. In solch einem Fall hilft nur, wie in der Grafik auf Seite 76 gezeigt, mit kurzen Vorausschüben den Kurs zu korrigieren.
Dass der Radeffekt bei Achterausfahrt stärker ist als voraus, hat ebenfalls mehrere Gründe. So trifft der Propellerstrahl im Vorwärtsgang auf wesentlich weniger Rumpffläche. Der Prop ist ja hinten angebracht, wo auch der Rumpf endet. Zudem reicht dieser dort nicht so tief, kann den Propellerstrom also weniger stören. Der wichtigste Grund ist jedoch das Ruder. Es wird bei Schub voraus schon im Stand vom Propeller angeströmt, erzeugt entsprechend Druck und wirkt dem seitlichen Auswandern entgegen.
Die Art des Antriebs hat im Gegensatz zum Rückwärtsfahren kaum einen Einfluss auf die Stärke des Radeffekts. Wie erwähnt erzeugt der Prop bei einer Yacht mit Saildrive wegen der Nähe zur Drehachse ohnehin einen relativ geringen Drehimpuls. Dieser ist zwar bei einer Wellenanlage stärker. Da der Prop aber direkt vor dem Ruder sitzt, trifft der Propellerstrom in voller Stärke auf das Blatt, und der Effekt lässt sich meist durch geringes Ruderlegen kompensieren.
Dieses Gegensteuern gegen den Radeffekt erfolgt glücklicherweise intuitiv und bedarf meist keiner größeren Übung. Soll aus dem Stand eine Kursänderung nach Backbord erfolgen, dann unterstützt der Radeffekt diese, da der Prop voraus eingekuppelt rechtsherum dreht und damit das Heck nach Steuerbord versetzt. Es muss nur wenig Ruder gelegt werden. Soll jedoch nach Steuerbord gefahren werden, wirkt der Radeffekt entgegen. Es muss also wesentlich mehr Ruder gelegt werden. Etwas gewöhnungsbedürftig ist allein das Anfahren geradeaus mit stärkerem Radeffekt. Dann ist etwas Ruderlage nach Steuerbord nötig.
Wie die Beispiele in diesem Artikel zeigen, kann der Radeffekt Manöver wie das Anlegen längsseits an einer Pier vereinfachen. Er kann jedoch auch Manöver unmöglich machen, wie das Drehen auf engem Raum, wenn dafür die falsche Seite der Yacht gewählt wird. Jeder Skipper sollte sich daher mit dieser Eigenheit seines Schiffes beschäftigen, um sie richtig in die Planung seiner Manöver einzubeziehen.
Dazu bietet es sich an, in einem freien Hafenbereich oder bei ruhigem Wetter vorm Hafen mit einem Fender als Referenzobjekt Übungen zu fahren: Beschleunigen aus dem Stand achteraus, Vollkreise vorwärts und rückwärts sowie Aufstoppen genügen völlig.
Beim Drehen über die richtige Seite hilft der Effekt