SeemannschaftBöen meistern – Tipps für mehr Sicherheit und Komfort

Lars Bolle

 · 22.08.2025

Brettflach getrimmte Segel wie bei dieser Winner 9 sind eine gute Vorbereitung auf ein hohes Böenpotenzial
Foto: YACHT/Nils Günter
Böen lassen die Herzen vieler Segler höherschlagen. Besonders bei leichtem bis mittlerem Wind wird die Yacht lebendig und nimmt Fahrt auf. Aber was tun, wenn die Böen zu stark werden? Wie reagiert man dann richtig? Über den optimalen Grundtrimm und den gekonnten Umgang mit den Segeln

Ein Segeltag bei starkem Wind kann schwierig sein. Besonders im Frühjahr, wenn die Temperaturunterschiede zwischen Luft und Wasser groß sind, ist das Böenpotenzial oft hoch. Böen, die doppelt so stark wie die durchschnittliche Windgeschwindigkeit sind, kommen häufig vor. In letzter Zeit hat dieses Phänomen zugenommen, wahrscheinlich als Folge des Klimawandels.

Was sind Böen?

Als Böen werden kurzzeitige Windstöße bezeichnet, deren Geschwindigkeit erheblich über der mittleren Windgeschwindigkeit liegt. Der Deutsche Wetterdienst definiert sie mit einer Mindestdauer von drei Sekunden und dem Überschreiten des Mittelwindes um mindestens zehn Knoten.

Die Ursache von Böen sind turbulente Luftströmungen, die auf unterschiedliche Weise entstehen können:

Dynamische Turbulenzen

Land mit Hügeln oder Bergen in Luv. Sobald der Wind auf den Untergrund und auf Hindernisse trifft, schwächt er sich ab und es entstehen Turbulenzen – eine Art Stop-and-go im Luftstrom, verbunden mit raschen Richtungsschwankungen.

Thermische Turbulenzen

Große Temperaturunterschiede zwischen boden- oder wassernahen Luftschichten und der höheren Atmosphäre. Überschreitet der Temperaturunterschied ein bestimmtes Maß, wird die Luftschichtung labil: Die wärmere Luft strudelt in Aufwindschloten nach oben, im Gegenzug sinkt kühle Höhenluft hinab. Aus diesem Auf und Ab im Luftstrom resultiert böiger Wind.

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Böen erkennen

  • Wolken: Weiße verteilte Häufchenwolken deuten auf einen eher böigen Tag hin, eine graue Wolkenmasse auf einen eher stabilen. Wie böig es aber genau wird, lässt sich daran kaum erkennen
  • Dunkle Flecken auf dem Wasser bis hin zu Schaumkämmen je nach Windstärke
  • Voraussegelnde Yachten und Jollen, die sich plötzlich stark auf die Seite legen
  • Flaggen in Luv voraus, etwa an Fischernetzen, welche plötzlich stark zu flattern beginnen

Achtung beim Einfallen einer Bö

Je nach Bootstyp und Revier kann so ein Windstoß fatale Folgen haben. Normalerweise trifft eine Bö etwas raumer auf das Boot als der mittlere Wind. Das muss jedoch nicht so sein. Je nach Wetterlage oder etwa räumlichen Gegebenheiten, wie Landnähe mit hohen Abdeckungsbereichen wegen Bäumen oder Bebauung, kann eine Bö auch vorlicher einfallen bis zum Umschlagen der Segel. Die Crew sollte also auf alles gefasst sein.

Je größer und steifer die Yacht ist, je höher ihr Ballastanteil, desto leichter steckt sie in der Regel Böen weg. Auf eher sportlichen Booten kann es dagegen deutlich schneller zu so starker Krängung kommen, dass diese gefährlich wird. Relativ unproblematisch ist es wiederum, wenn sich die Yacht in freiem Seeraum befindet. Dann ist die Richtungsänderung meist nicht so stark wie in Landnähe, und auch ein unkontrollierter Sonnenschuss macht nicht allzuviel aus. In engen Fahrwassern jedoch, in Ufernähe oder in geringer Distanz zu anderen Yachten oder Tonnen kann ein Kontrollverlust verheerend sein.

Auch deshalb sollte sich jeder Skipper schon vor Verlassen des Hafens bewusst sein, welche Bedingungen vorherrschen werden, und die Yacht entsprechend vorbereiten. Dazu gehört das Verstauen von Ausrüstungsgegenständen für den Fall von sehr viel Krängung wie auch eine entsprechende Einweisung der Crew und deren Sicherung. Denn Böen können sehr plötzlich sehr hart einfallen. Da bleibt manchmal kaum Reaktionszeit. Wenn sich aber die Yacht dann stark auf die Seite legt, kann das überraschend für Crewmitglieder sein. Herumpurzelnde Ausrüstung ist in dem Fall auch nicht gerade hilfreich. Man muss sich im Prinzip auf zwei Windsysteme einstellen, den mittleren Windbereich sowie den des Böenpotenzials, und zwischen beiden etwas jonglieren, welchem letztlich die größere Gewichtung gelten soll.

Den Trimm auf die Böen anpassen

Das gilt auch bei der Vorbereitung auf Böen für den Grundtrimm der Yacht. Normalerweise sollte dieser optimal für die mittlere Windgeschwindigkeit eingestellt sein. Sind die Böen dann jedoch sehr stark, kann zu viel Profil in den Segeln schnell zur Unbeherrschbarkeit des Bootes führen. Deshalb lieber die Segel zunächst zu flach trimmen, für einen höheren Windbereich als die mittlere Windgeschwindigkeit, oder sogar vorsorglich reffen. Späteres Ausreffen oder Lösen von Trimmeinrichtungen ist immer noch besser, als in eine brenzlige Situation zu geraten.

Diese Trimmmaßnahmen stehen in Böen zur Verfügung

Großsegel trimmen

Das Großsegel sollte bei hohem Böenpotenzial so flach wie möglich getrimmt werden. Weniger Profil bedeutet weniger Druck und weniger Krängung, wenn der Wind zunimmt. Auch der Reffpunkt lässt sich so meist deutlich in einen höheren Windbereich verschieben. Dazu sollte das Großfall maximal durchgesetzt werden und ebenso, falls vorhanden, der Vorliekstrecker, auch Cunningham genannt. Damit wird das Segelprofil in Richtung Mast verlagert. Genauso das Unterliek voll durchsetzen, das trimmt den unteren Segelbereich flacher. Das Achterstag durchsetzen; je nach Riggart biegt dabei der Mast, und das Profil wird flach getrimmt. Auch der Durchhang des Vorstages wird dadurch verringert.

Böenhandling, SeemannschaftFoto: YACHT/Nils Günter

Genua trimmen

Dasselbe wie für das Großsegel gilt auch für das Vorsegel. Zunächst das Fall durchsetzen, um das Profil Richtung Vorstag und etwas flacher zu bekommen. Dabei schließt jedoch auch das Achterliek, dies umso mehr, je gestreckter das Seitenverhältnis von Vorliek und Unterliek ist – bei großen Genuas also weniger als bei moderneren, eher Fock-artigen Vorsegeln. Aus diesem Grund kann es auch umgekehrt richtig sein, das Fall etwas zu entlasten, um das Achterliek zu öffnen. Das muss man ausprobieren. Auf jeden Fall aber den Holepunkt deutlich nach achtern verlagern. Der Zug auf das Unterliek wird erhöht und es wird flach, der auf das Achterliek verringert, sodass es öffnen kann.

Genua trimmenFoto: YACHT/P.Szamer

Reffen

Das ist die effektivste Art, Segeldruck zu verringern. Jedoch fehlt die weggereffte Segelfläche dann zwischen den Böen. In welcher Reihenfolge gerefft wird, richtet sich nach der Riggart und der Art der Segel. Da so gut wie alle Rollreffgenuas im gerefften Zustand einen Großteil ihres Profils und damit ihrer Funktion verlieren, gelten folgende Fastregeln. Kann das Vorsegel gewechselt werden, zuerst ein kleineres Vorsegel anschlagen, dann das Großsegel reffen. Bei Rollreffgenuas zuerst das Groß reffen, dann die Genua, um deren besten Stand so lange wie möglich zu erhalten. Das kann so weit gehen, dass das Groß bereits zweimal gerefft ist, die Genua noch gar nicht. Auch hier gilt: ausprobieren.

Segel setzen und bergen, SeemanschaftFoto: YACHT/Nils Günter

Reaktionsmöglichkeiten auf dem Amwind-Kurs

Auch noch so gute Vorbereitung wird die Crew nicht der Aufgabe entheben, auf starke Böen während des Törns reagieren zu müssen. Welche Reaktionsmöglichkeiten es gibt, zeigen wir hier. Dabei beschränken wir uns auf den Amwind-Kurs, da dort Böen am meisten Wirkung zeigen. Für tiefe Kurse wie raumschots gilt generell: Mit der Bö abfallen, mit ihr mitsegeln, möglichst nicht anluven, das erhöht die Gefahr eines Sonnenschusses. Wenn dabei die Yacht schwer oder nicht mehr kontrollierbar wird, unbedingt reffen.

Anluven

Das ist die einfachste Reaktion, aber nicht unbedingt die beste. Es müssen keine Schoten oder Sonstiges bedient werden, einzig die Person am Steuer ist involviert. Die Yacht kurz vor dem Eintreffen der Bö etwas höher an den Wind zu bringen minimiert schon einmal den Effekt des in einer Bö raumer einfallenden Windes. Wird noch weiter angeluvt, sodass die Segel im vorderen Drittel zu killen beginnen, kann sogar die sonst auftretende verstärkte Krängung weggeluvt werden.

Böenhandling, SeemannschaftFoto: YACHT/Nils Günter

Traveller fieren

Ein gut erreichbarer, leicht laufender und möglichst breiter Traveller ist eines der besten Werkzeuge gegen einfallende Böen. Kommt der Druck, den Wagen beherzt nach Lee wegfieren. Das Segelprofil ändert sich dabei nicht, nur der Anstellwinkel des Großsegels zum Wind. Das kann so weit gehen, dass dieses killt. So wird Krängung vermieden; nach der Bö lässt sich der Traveller relativ leicht wieder dichtholen.

Böenhandling, SeemannschaftFoto: YACHT/Nils Günter

Großschot fieren

Je nach Böenstärke kann die Großsegelbedienung ein Fieren oder ein komplettes Loswerfen der Großschot sein. Dies kann zwei Effekte haben: Verbunden mit einem starken, durchgesetzten Baumniederholer bewirkt das Auffieren dasselbe wie beim Traveller – eine Änderung des Anstellwinkels, nicht des Profils. Ist der Niederholer lose, steigt mit dem Fieren auch der Baum, und es öffnet sich das Profil des Großsegels achtern, das Segel twistet mehr, dreht oben auf und entlässt den Druck. Das kann vor allem bei sogenannten Squarehead-Großsegeln effektiv sein, also solchen mit sehr breitem Segelkopf. Allerdings ist das Dichtholen nach der Bö normalerweise mühsam, da nicht nur der Baum wieder auf seinen optimalen Anstellwinkel gebracht, sondern auch nach unten gezogen werden muss, um die Achterlieksspannung zu erhöhen. Das kann sehr kräfteraubend sein.

Böenhandling, SeemannschaftFoto: YACHT/Nils Günter

Achterstag durchsetzen

Ein leicht trimmbares Achterstag ist ebenfalls eine Reaktionsmöglichkeit auf Böen. Besonders auf Sportbooten wird es intensiv benutzt. Das Durchsetzen bewirkt stärkere Mastbiegung und ein flacheres Groß, vor allem aber weniger Druck auf dem Achterliek und damit dessen Aufdrehen und Auswehen. Es lässt den Druck heraus. Dafür muss das Stag jedoch ergonomisch und kräftesparend bedienbar sein.

Böenhandling, SeemannschaftFoto: YACHT/Nils Günter

Weitere Tipps zum Böenhandling

Auf dem Amwind-Kurs bringt es weniger, Böen mit viel Lage auszusteuern, als die Yacht mit geöffneten Segeln aufrecht hindurchzusteuern. Viel Lage bedeutet neben dem möglichen Kontrollverlust oft einen Angstfaktor für ungeübtere Crewmitglieder. Außerdem kann das Boot beim Aussteuern einer Bö in der meist kurzen Einwirkzeit den stärkeren Wind kaum in zusätz­liche Fahrt umwandeln, wenn es nicht sowieso schon an der Rumpfgeschwindigkeit segelt. Man verliert eher Fahrt, da die Segel killen und das angestellte Ruder bremst, außerdem Höhe wegen größerer Abdrift durch Krängung. Deshalb möglichst aufrecht unter Beibehaltung des Kurses durch Böen segeln. Das erfordert jedoch eine aktive Bedienung des Großsegels. Die Genua sollte so gut wie nie aufgefiert werden. Sie ist meist nur schwer wieder dichtzuholen.


Böen verstehen

Warum die Krängung in der Bö zunimmt

Eine Yacht segelt mit dem scheinbaren Wind. Eine Zunahme des wahren Windes, wie in einer Bö, bedeutet nicht nur zugleich eine Zunahme des scheinbaren Windes, sondern auch dessen Richtungsänderung. In der Grafik nimmt der Wind von der linken Zeichnung zur rechten um fünf Knoten zu. Bei gleichbleibender Geschwindigkeit der Yacht nimmt auch der scheinbare Wind um fünf Knoten zu, raumt aber gleichzeitig um sieben Grad. Es addieren sich somit zwei krängungsfördernde Effekte.

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Warum die Yacht luvgierig wird

Drückt eine Bö in die Segel, kommt es zu dem links beschriebenen Effekt. Der Druck wird zu groß, die Yacht krängt. Waren zuvor Segeldruckpunkt (SDP) und Lateralschwerpunkt (LSP) annähernd im Gleichgewicht, verlagert sich bei mehr Schräglage der Segeldruckpunkt nach Lee, weiter weg vom Boot. Da die Segel voran ziehen, der Rumpf aber bremst, wird das gesamte System nun um den Lateralschwerpunkt herumgehebelt, die Yacht wird luvgierig bis hin zum Kontrollverlust.

yacht/sdp-kopie_90805a21835adb8c8fa0cabe87aaffc1Foto: YACHT

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