Alexander Worms
· 03.04.2023
London ist immer eine Reise wert. Auf eigenem Kiel dorthin zu segeln ist vor allem für Eigner mit Liegeplatz in den Niederlanden gut machbar. Wir zeigen, wie es am besten geht
In diesem Artikel:
Eine Großstadt vom Wasser aus zu erreichen ist oft etwas ganz Besonderes. Beispielsweise Amsterdam, Hamburg, Kopenhagen, Lissabon, Stockholm oder: London. Die britische Neun-Millionen-Metropole ist gewaltig groß und hat für Besucher entsprechend viel zu bieten. Von den Niederlanden ist es auf den ersten Blick auch gar nicht so weit. Gut 120 Seemeilen Luftlinie sind es von Cadzand, dem südwestlichsten Hafen des Nachbarlandes, bis zur berühmten Tower Bridge. Für eine mittelgroße Yacht also gerade mal ein Etmal. Allerdings eines, das es in sich hat.
Zwischen den Niederlanden und der britischen Insel liegt der Ausgang des Ärmelkanals. Dort herrscht Hochbetrieb. Jede Menge Frachter, Verkehrstrennungsgebiete, Windparks und Ankerfelder. Volle Aufmerksamkeit ist gefragt. Wem das alles auf einmal zu viel ist, kein Problem, die Strecke lässt sich in handliche Etappen unterteilen. Zunächst führt der Kurs entlang der belgischen Küste bis Dünkirchen und von dort dann nach Ramsgate. Danach um die Ecke nach Queenborough und von hier direkt bis nach London. Mit etwas Glück erwischt man zudem eine Tide, die die Crew nicht allzu früh aus der Koje treibt. Wer sich hingegen aus dem Norden der Niederlande auf direktem Weg gen England aufmacht, für den ist eine Nachtfahrt unumgänglich. Von IJmuiden bis Harwich sind es etwa 120 Seemeilen, auch ein Etmal. Von dort geht es ebenfalls via Queenborough zur Stadt an der Themse.
Wer die Strecke im Süden wählt, wird in Roompot oder Vlissingen auf die Nordsee segeln. Dann gilt es, die Westerschelde zu kreuzen. Um vor der belgischen Küste Ruhe vor der Großschifffahrt zu haben, empfiehlt es sich, in Richtung des Hafens von Seebrügge zu fahren. Hier kann man bereits übernachten. Wer auch noch ein wenig die Gegend erkunden möchte, sollte per Tram ins nahegelegene Brügge fahren. Die Stadt ist wunderschön und allemal einen Besuch wert. Alternativ biegt man vor der Hafeneinfahrt nach Steuerbord ab und gelangt in ein Fahrwasser entlang der Küste. Dort liegt dann zunächst Blankenberge. Auch in diesem ehemals mondänen Badeort lässt sich die Fahrt unterbrechen. Allerdings versandet die Einfahrt gern, besonders zwischen Oktober und Mai sollte sich der Skipper zuvor auf UKW-Kanal 10 über den Zustand der Zufahrt erkundigen.
Weiter entlang der eher wenig sehenswerten Küste folgen Ostende und Nieuwpoort. Beide Häfen eignen sich als Etappenziel. In Nieuwpoort gibt es jedoch eine Barre von 1,50 Meter bei Niedrigwasser. Und: Im Anlauf zum Hafen stehen in der schmalen Durchfahrt zu den Yachthäfen bis zu drei Knoten Strom.
Ideal zur Überfahrt nach Ramsgate ist jedoch Dünkirchen. Das liegt hinter dem sogenannten Zuydcoote Pass, einer schmalen Durchfahrt zwischen zwei Sandbänken, die gut betonnt ist. Von Dünkirchen aus werden die meisten Crews die Passage des Englischen Kanals aufgrund des starken Verkehrsaufkommens bei Tageslicht absolvieren wollen. Zugleich sollte man die Tide möglichst für sich nutzen. Wer sechs Stunden nach Hochwasser Dover startet, der hat bei etwa fünf Knoten Fahrt durchs Wasser den Strom bis zur anderen Seite des Kanals auf seiner Seite. An der Kardinaltonne Godwin jedoch ändert sich der Kurs nach Norden. Spätestens dann möchte man die Strömung gekentert wissen, hilft sie doch auf dem Weg nach Ramsgate.
Übrigens: Westsetzender Strom ermöglicht bei westlichen Winden einen etwas tieferen Kurs zum Wind, da der Stromversatz dies ausgleicht. Allerdings herrscht dann eine Wind-gegen-Strom-Situation, die für eine etwas unruhigere See sorgt. Darauf sollte man eingestellt sein.
Nach gut 40 Seemeilen ist schließlich die Einfahrt von Ramsgate erreicht. Yachten sollen den „Recommended Yacht Track“ südlich des betonnten Fahrwassers nutzen und sich auf UKW-Kanal 14 anmelden – und nötigenfalls südlich der Einfahrt warten, falls Frachter ein- oder auslaufen. Entlang des Kanals zum Hafen setzt starke Querströmung. Bei der Ansteuerung entsprechend gegenhalten.
Als Nächstes stehen etwa 38 Meilen bis Queenborough an, wenn man Margate Sand und Pan Sand nördlich umfährt – was revierkundige Segler dringend empfehlen. Die Sände ändern sich andauernd, und die Tiefwasserrinnen der Großschifffahrt sind gut kartiert und betonnt. Ein gutes Startfenster öffnet sich etwa zwei Stunden vor Hochwasser in Dover. Dann hilft der Strom die meiste Zeit mit. Und wenn er kentert, kommt er nur mäßig aus der Themse heraus. Ist Pan Sand passiert, gibt es zwei Möglichkeiten, um nach Queenborough zu gelangen. Die einfache ist der Anlauf über den River Medway, die schwierigere die über den Swale. Da man durch dieses 14 Meilen lange, schmale Fahrwasser besser mit auflaufendem Wasser fährt, verschiebt sich der Startzeitpunkt aus Ramsgate: Fünf Stunden vor Hochwasser Dover sollte man frühestens die Fahrt in den Swale beginnen. Die Kingsferry Bridge lässt sich auf 29 Meter über mittlerem Hochwasser öffnen.
In Queenborough macht die Yacht am Steg fest oder an einer Muringtonne. In diesem Fall kann die Crew ein Wassertaxi nutzen, um an Land zu gelangen. Nicht wundern: An einer Tonne liegen schon mal bis zu sechs Boote gleichzeitig.
Wer im Norden der Niederlande startet, segelt ab IJmuiden einmal quer über die Nordsee. Harwich bietet sich dann als Zwischenstopp an, genauer die Shotley Marina, die ideal liegt – auch für einen Ausflug in den legendären „Pin Mill Pub“. Von dort sind es danach 58 Meilen bis Queenborough. Dafür benötigt man in der Regel so lange, dass die Tide beinahe keine Rolle spielt. Während der rund zwölfstündigen Fahrzeit hebt sie sich in Summe auf.
Es folgt die Königsetappe. Das Ziel ist St. Katharine Docks. Obwohl es andere Marinas in London gibt, möchte man einfach in diesem Kleinod mitten in der Stadt direkt neben der Tower Bridge liegen. Selbst wenn das nicht günstig ist: Für ein Zehn-Meter-Boot sind 93 britische Pfund pro Nacht fällig. Dennoch: Besser liegt man nirgends. Aber: unbedingt reservieren! Und zwar auf der Website des Hafens: www.skdocks.co.uk.
Die 40 Seemeilen vom River Medway bis nach London vergehen wie im Flug. Um die Tide optimal zu nutzen, bei Niedrigwasser in Queenborough starten. An den Ufern gibt es viel zu sehen. Vor allem aber passiert man die Thames Flood Barriers – neun Öffnungen mit Drehschiebern sollen die Stadt vor Hochwasser schützen. Segler melden sich per Funk auf Kanal 14 an. Grüne Lichter zeigen, welche Durchfahrt geöffnet ist. Keinesfalls eine andere Öffnung wählen, da die Schieber auch nur teilweise versenkt sein könnten.
In Greenwich wartet dann der Nullmeridian. Ab dort werden die Zahlen auf dem GPS wieder größer, und es steht ein „W“ dahinter. Wenig später erreicht man schließlich die Tower Bridge.
Direkt vor dem imposanten Bauwerk gibt es einige Murings, an denen Yachten auf die Öffnung der Schleuse zu den St. Katharine Docks warten können. Die Tore gehen zwei Stunden vor bis anderthalb Stunden nach Hochwasser auf. Der Schleusenwärter, der zugleich der Hafenmeister der Docks ist, ist auf Kanal 80 erreichbar. Beim Warten vor der Schleuse nicht das obligatorische Foto vor der Brücke vergessen!
Ist man schließlich im Hafen, wähnt man sich beinahe in einer anderen Welt. Alte Gebäude umgeben das Becken, schmiedeeiserne Gitter und Geländer zieren Wege und Treppen. Von der pulsierenden Metropole, deren Zentrum in nur wenigen Minuten zu Fuß erreicht ist, spürt man hier noch wenig. Zum Ankommen nach der vielleicht anstrengenden Anreise ist das nicht das Schlechteste. Nach kurzer Verschnaufpause lockt dann aber doch die Stadt.
Ob Buckingham Palace, die Saint Paul’s Cathedral, der Tower of London oder der Hyde Park – zu London und seinen unzähligen Sehenswürdigkeiten steht im Grunde alles irgendwo geschrieben, ob im Internet oder in gedruckten Reiseführern. Unvergleichlich hingegen ist das Gefühl, nach einem langen Tag kreuz und quer durch die quirlige Stadt aufs eigene Boot zurückzukehren, die Ruhe im Hafen zu genießen – und Sightseeing-Pläne für den nächsten Tag zu schmieden. Probieren Sie es aus!
Geschützte Binnenwasserwege führen bis in den Süden der Niederlande. Mit Erreichen der Westerschelde wartet dann aber die Nordsee beziehungsweise der Ausgang des Englischen Kanals. Wer den nicht sogleich überqueren möchte, kann sich etappenweise im Schutz der Küste vorarbeiten. Seebrügge, Blankenberge, Nieuwpoort und Dünkirchen bieten sich als Zwischenhalte an.
Zwischen Calais und Dover ist der Kanal zwar am schmalsten. Idealer Absprungort, um hinüber zur britischen Insel zu segeln, ist jedoch Dünkirchen. Gegenüber bietet sich dann Ramsgate als erstes Etappenziel an. Über Queenborough geht es schließlich in die Mündung der Themse nach London. Dort stehen mehrere Yachthäfen zur Auswahl.
Den Abschnitt von Colijnsplaat nach Ramsgate wollten wir in einem Rutsch erledigen: 95 Seemeilen! Dann aber blies der Wind während der Überfahrt schwächer als vorhergesagt. So ging die Zeit dahin, die Etappe zog sich wie Kaugummi. Erst tief in der Nacht kam der Hafen von Ramsgate in Sicht. Zudem strömte es mit satten drei Knoten von der Seite, und nach der schon über 20 Stunden dauernden Anreise waren die Augen müde. Die Nacht spielt einem zudem Streiche, die Lampen am Ufer verschwimmen, 40 Grad Vorhaltewinkel helfen da auch nicht gerade. Dafür gibt es Meeresleuchten, Sternschnuppen und einen beeindruckenden Himmel. Dennoch: Die Ansteuerung nach Ramsgate in der Nacht ist kernig. Aber sie gelingt, der Liegeplatz gleich vornan im Hafen ist schnell bezogen. Anlegerbier. Koje. Ausschlafen. Weiter nach London ist danach fast nur noch Formsache, doch natürlich auch beeindruckend und faszinierend. Unser persönlicher Höhepunkt aber war die Anreise.
Sehnsuchtsziele brauchen Zeit und Geduld. London liegt nur scheinbar mal eben um die Ecke. Themse rauf, Tee trinken mit der damals noch lebenden Queen, Themse wieder runter. Die Realität hingegen zeichnet ein anderes Bild. Eine Woche sollte man für den Törn einplanen – ab Ramsgate! Allein drei Tage vor Ort in London sind ein Muss angesichts der langen Anreise. Die führt ab Ramsgate nach Queenborough, vorbei an den Margate-Forts, die einer „Waterworld“-Kulisse entstammen könnten. Am nächsten Morgen geht es voll Spannung und Vorfreude früh los. Erst einmal in die große Themsemündung und vorbei an einem Containerhafen, weiter um die erste Ecke. Von denen gibt es viele, und hinter jeder Flussbiegung vermutet man endlich das Sehnsuchtsziel. Doch es dauert, bis man da ist, 43,6 Seemeilen lang.
Teils säumen schöne Abschnitte mit viel Grün und typisch englischen Häusern den Fahrweg, dann wieder Industrie. Irgendwann steigt einem schließlich der Stadtgeruch in die Nase, Hochhäuser kommen in Sicht, ausgedehnte Wohngebiete. Nicht zuletzt dank vieler Schnellfähren und Touristen- Boote kommt Bewegung auf die Themse.
Dann die letzte Kurve, dahinter die Tower Bridge. Wahrlich imposant zaubert sie uns ein Lächeln ins Gesicht. Wir fallen uns in die Arme, und das obligatorische Selfie mit dem eigenen Schiff vor der Brücke muss natürlich auch sein. Geschafft, wir sind in London! Eine der Muringbojen vor der Schleuse in die St. Katharine Docks Marina lädt zum Festmachen ein. Ein guter Moment, um das Treiben und die Aussicht zu genießen.
Nach einer halben Stunde bittet der Hafenmeister zur Schleusung. Den Liegeplatz sollte man in der Hochsaison zwei bis drei Tage im Voraus reservieren. Die Schleuse ist klein und füllt sich mit Gleichgesinnten. Man spürt die allgemeine Erleichterung der Leute, Vorfreude ist in den Gesichtern zu erkennen, und ein kurzer Erfahrungsaustausch zur Themse-Fahrt ist auch drin. Dann geht die Brücke hoch, das Schleusentor fährt runter, dahinter tut sich ein wunderschöner Hafen mit glasklarem Wasser auf. Ein erster Kaffee wird in einem der umliegenden Restaurants getrunken.
Viele verbringen einen halben Tag im Hafen, weil der einfach so schön ist. Dann aber geht es auf dem Landweg auf die Tower Bridge mit Blick auf die Themse flussabwärts. Gänsehaut!
Der Törn muss angemeldet werden. Das ermöglicht den Grenzübertritt und erspart im günstigsten Fall eine Quarantäne. Dennoch muss die gelbe „Q“-Flagge bei Eintritt in die Zwölf-Seemeilen-Zone gefahren werden. Des Weiteren dürfen Alkohol und Tabak nicht in unbegrenzter Menge eingeführt werden (s. u.). Bei Überschreitung fallen Importzölle und Steuern an.
Die Törn-Anmeldung kann auf drei Wegen erfolgen:
Zum Ausfüllen der Dokumente werden Angaben zum Schiff, zur Crew sowie zum genauen Reiseplan benötigt. Es empfiehlt sich daher, die Angaben zwar so früh wie möglich abzugeben, aber eben auch erst dann, wenn man den Törnplan definitiv überblicken kann.
Es dürfen 200 Zigaretten, 4 Liter Schnaps oder 9 Liter Schaumwein und zusätzlich 42 Liter Bier und 18 Liter Wein mitgebracht werden. Bei der Einfuhr von Schweinefleisch gilt eine Obergrenze von 2 Kilogramm, außer es ist verpackt und stammt aus der EU. Dann darf auch mehr eingeführt werden. Andere Güter, die nicht zum Schiff gehören und die einen Wert von 270 britischen Pfund übersteigen, müssen hingegen versteuert werden.
Handys, Kameras und Laptops sind sogenannte Personal Effects. Sie können bei der Einreise, wenn jemand fragt, mündlich deklariert werden.
Die Einreise von Haustieren auf der Yacht ist nahezu unmöglich, da dies keine „approved route“ ist. Somit fallen vier Wochen Quarantäne an. Einfacher ist es, wenn ein Crewmitglied mit dem Tier mit der Fähre auf einer zugelassenen Route einreist. Das Tier muss gechippt und gegen Tollwut geimpft sein, einen Tierpass oder ein Gesundheitszertifikat haben.
Leider versuchen bis heute viele Menschen, illegal ins Vereinigte Königreich zu gelangen. Das geschieht meist zwischen Calais und Dover per Schlauchboot. Was Segler tun sollten, wenn sie auf ein solches Flüchtlingsboot treffen, fasst die Royal Yachting Association wie folgt zusammen:
Das Thema ist sehr unschön, muss aber ernst genommen werden. Begegnungen zwischen Yachten und Flüchtlingen sind durchaus häufig, es ist daher gut, wenn Crews vorbereitet sind. Helfen ja, sich selbst in Gefahr bringen nein.
Das sieht auch die derzeitige Auslegung des Solas-Abkommens so: Yachtcrews müssen nicht direkt eingreifen. Es genügt, wenn sie die Behörden informieren und mit einigem Abstand in der Nähe bleiben.