Die letzte Etappe des The Ocean Race von Den Haag nach Genua führt nah an der neuen Risikozone für Orca-Interaktionen vorbei. Noch ist nicht ganz klar, ob die Crews einer Gefährdung entgegensegeln. Boris Herrmann sagt: „Der Wettfahrtleitung ist sich des Problems bewusst und hat eine Ausschluss-Zone eingerichtet.“ Ob diese reichen wird, ist fraglich.
Die spanischen Behörden haben die noch Anfang Juni geltende Orca-Risikozone deutlich ausgeweitet. Neben den bisherigen Hotspots unmittelbar vor dem Fischerort Barbate und vor Tanger gibt es nun einen weiteren etwa 15 Seemeilen westlich. Der rot umrandete Bereich markiert die Zone mit erhöhtem Risiko, Orcas zu begegnen. Die roten Flächen markieren jene Bereiche, in denen sich am 12. Juni verstärkt mit Satellitensendern markierte Orcas aufhielten und eine Begegnung mit „maximaler Wahrscheinlichkeit“ zu erwarten war. Seit zwei Monaten sind Meeresbiologen um den Walforscher Renaud de Stephanis dabei, Tiere mit Satellitensendern zu taggen, um so jederzeit ihren Standort darzustellen zu können. Aufgrund der neuesten Orca-Risikozone empfiehlt Renaud de Stephanis:
Fahren Sie dicht unter Land! Dort sind Sie sicher!“
Bereits im Mai hatte das Spanische Ministerium für Transport (Ministerio de Transportes, Movilidad y Agenda Urbana) in Madrid seine offiziellen Richtlinien für Skipper und Kapitäne im Fall einer Ruderattacke durch Orcas geändert. Mit ihren jüngsten Empfehlungen vollziehen die Behörden eine Kehrtwende. Seit 2020 galt für den Fall einer Interaktion von Schwertwalen die Empfehlung, die Yacht zu stoppen, Maschine und sämtliche Geräte abzustellen, um sich dadurch für die Tiere so uninteressant wie möglich zu machen. Seit Sommer 2020 wurden vor der Iberischen Halbinsel nach offizieller Schätzung mehrere Hundert Yachtruder als durch Schwertwale zerstört und drei Yachten als “gesunken infolge Orca-Interaktion” gemeldet. Inoffizielle Schätzungen gehen in beiden Fällen von weit höheren Zahlen aus.
Statt Stillhalten empfehlen die Behörden nun jeder Yacht im Fall einer Orca-Interaktion, die Segel zu bergen, die Maschine zu starten und so schnell es geht möglichst flache Gewässer anzulaufen, “bis die Orcas das Interesse verlieren“.
Zugleich veröffentlicht das Ministerium die obige Karte des aktuellen Hotspots der Orca-Ruder-Attacken vor Barbate und rät in seinen Empfehlungen dringend, vor den dort aktiven Schwertwalen bei Passagen die unmittelbare Küstennähe und Flachwasser zu suchen, soweit dies Bauart sowie Wind- und Seebedingungen erlauben.
Darüber hinaus wird darauf hingewiesen, dass an Interaktionen beteiligte Orcas zu fotografieren sind und für jeden Skipper die Pflicht zur Meldung von Orca-Interaktionen besteht.
Alle weiteren Punkte der Richtlinien finden Sie auf der Webseite des Ministeriums sowie im Originalwortlaut in deutscher Übersetzung des ministeriellen Erlasses am Ende dieses Artikels.
Die Debatte über die Zuverlässigkeit von Sand als Mittel zur Vergrämung von Orcas hält weiter an. Der spanische Orca- und Cetaceen-Forscher Renaud de Stephanis beurteilt die Wirkung von Sand unverändert skeptisch. Orcas hätten als intelligente Tiere längst herausgefunden, wie sie der Wirkung des Sandes auf ihre empfindliche Sonarortung aus dem Weg gehen.
Davon abgesehen, zeigt die Beobachtung von attackierten Seglern, die Sand einsetzten, in vielen Videos deutliche Anwendungsfehler. Sand in voller Fahrt abzuwerfen ist sinnlos, weil er bei fünf Knoten Fahrt durchs Wasser sofort vertreibt wie jede andere ausgebrachte Substanz. Sand sollte nur stillliegend ausgebracht werden. Manche Videos zeigen auch viel zu geringe Mengen Sand, die von Seglern aus kleinen Beuteln ausgebracht werden. Fischer führen Sand in größeren Mengen mit sich und bringen ihn von ihren stillliegenden Booten säckeweise ins Wasser aus, um die Wahrnehmung der Sonarjäger zu verwirren.
Über die Wirkung von Knallkörpern, sogenannten Robben-Bomben, die Fischer zur Abwehr von Robben von ihren Netzen einsetzen, hat jüngst Ex-Trans-Ocean-Vorstand Martin Birkhoff auf seiner Website berichtet. Er erlebte zwei kurze, heftige Orca-Attacken und setzte als letztes Mittel nach dem Ablaufen sogenannte Fire-Cracker ein, was die Interaktionen beendete.
Wenn Sie auf See sind und auf Schwertwale oder andere Wale treffen und diese mit dem Schiff interagieren, muss der Schiffsführer/Kapitän des Schiffes, soweit möglich und sofern die Orcas keine größere Gefahr darstellen, die folgenden Maßnahmen ergreifen: