Alle vier Jahre, immer nach den Olympischen Spielen, wird das Regelwerk für Regatten, die Racing Rules of Sailing, vom Welt-Seglerverband (Worldsailing) überarbeitet. Dieses Regelwerk wird von so gut wie allen Regattaveranstaltern genutzt, teilweise auf besondere Anforderungen angepasst. Es gehört so zur Grundausstattung und zum Grundwissen für jeden, der an Regatten teilnehmen möchte.
Gerade ist dieses Regelwerk zur den Zyklus 2025 bis 2028 erschienen. Es gibt nur wenige Änderungen zur bisherigen Version, allerdings wurden solche Paragrafen verschärft oder angepasst, die der Vermeidung von Kollisionen dienen, also so genannte Wegerechtsregeln. Dieser Abschnitt ist auch der wichtigste für Regattasegler, da Unkenntnis über den Inhalt der Vorfahrtsregeln schnell zu Disqualifikationen oder eben Kollisionen führen kann.
Hier die wichtigsten Änderungen, zusammengefasst von Bryan Willis in seinem Buch „Die Wettfahrtregeln Segeln“:
Regel 14 (Vermeiden von Berührungen) wurde dahingehend erweitert, dass nicht nur die Berührung mit einem anderen Boot zu vermeiden ist, sondern auch die Berührung zwischen zwei anderen Booten oder zwischen einem Boot und einem Gegenstand nicht zu verursachen ist.
Die Regel beginnt nach wie vor mit „Wenn vernünftigerweise möglich...“, so dass das Wegerechtsboot entlastet wird, wenn es zwar zu einer Berührung, aber nicht zu Schäden oder Verletzungen kommt.
Wenn sich ein Boot, das hoch am Wind (oder darüber) segelt, einem Hindernis nähert (z. B. einem Ufer oder einer Untiefe) und wenden muss, aber nicht wenden kann, ohne ein anderes Boot zu behindern, in der Regel eines, das sich auf der Luvseite befindet, kann es Raum zum Wenden verlangen. Das angerufene Boot muss daraufhin entweder Raum geben, oder sofort wenden (oder ein drittes Boot um Raum zum Wenden verlangen). Dies ist eine der wenigen Situationen, in denen ein Boot gezwungen ist, auf einen Ruf hin etwas zu tun.
Nach den neuen Regeln muss das rufende Boot die Worte „Raum zum Wenden“ verwenden. Das ist eine Regeländerung. Das angerufene Boot muss, wenn es sich dafür entscheidet nicht zu wenden, die Worte „Wenden Sie“ verwenden.
Die Vorschrift, dass das angerufene Boot, wenn es sich entscheidet nicht zu wenden, die Worte „Wenden Sie“ rufen muss, bleibt unverändert, aber die Vorschrift, dass das anrufende Boot, das den Raum benötigt, die Worte „Raum zum Wenden“ verwenden muss, ist neu.
Früher galt, dass ein Boot die Ziellinie von der Kursseite kommend überqueren musste, auch wenn die Segelanweisungen vorschrieben, dass die Boote in der anderen Richtung ins Ziel kommen mussten (weil „ins Ziel kommen“ ein definierter Begriff war und die Segelanweisungen die Definitionen nicht ändern durften). Nach den neuen Regeln kann in den Segelanweisungen festgelegt werden, aus welcher Richtung die Boote ins Ziel segeln müssen. Wahrscheinlich ist das für Jollensegler auf ihren Up-and-Down Kursen wenig interessant, aber jetzt kann man sich an die Segelanweisungen halten, ohne dass irgendein Schlauberger, der aus einer anderen Richtung als alle anderen ins Ziel kommt, behauptet, die einzig legitime Art, ins Ziel zu kommen, sei die Richtung von der letzten Bahnmarke, egal was die Segelanweisungen sagen. Bei Hochseeregatten kann man, nachdem man eine Landzunge umrundet hat, die Linie getrost aus der in den Segelanweisungen angegebenen Richtung überqueren.
Die neue Definition bringt die Reihenfolge der Anforderungen in die chronologische Reihenfolge, in welcher sie an der Bahnmarke auftreten: Zuerst segelt das Boot „nahe zur Bahnmarke“ (wenn das sein richtiger Kurs ist), dann rundet oder passiert es die Bahnmarke an der richtigen Seite und schließlich lässt das Boot die Bahnmarke achteraus, nachdem es sie gerundet oder passiert hat. Es wird klargestellt, dass dem Boot, das alle drei Dinge in dieser Reihenfolge ohne Beeinträchtigung getan hat, „Bahnmarkenraum“ gegeben wurde.
Und wenn ein Boot die Bahnmarke achteraus lässt, bevor es sie gerundet oder passiert hat, weil es für das Segeln des Kurses erforderlich ist, hat es trotzdem Anspruch auf Bahnmarkenraum. Dies kann etwa passieren, wenn eine starke Gegenströmung herrscht und das Boot, das Anspruch auf Bahnmarkenraum hat, weit an der Bahnmarke vorbeisegeln muss, bevor es diese durch Halsen runden kann. Das Boot hat während dieses Manövers Anspruch auf Bahnmarkenraum.
Den „Kurs absegeln“ bedeutet, zu starten, den Kurs zu segeln und durchs Ziel zu gehen.
Daraus folgt, dass ein Boot, das sich beim Start auf der Kursseite der Startlinie befindet, aber trotzdem weitersegelt und ins Ziel kommt, den Kurs nicht gesegelt hat.
Hindernisse haben eine Seite, selbst ein rundes Hindernis wie eine Boje, die den Rand einer ausgebaggerten Fahrrinne markiert. Eine solche Boje hat eine Kanalseite und eine Landseite. Im alten Wortlaut von Regel 19.2(a) war nicht klar, ob sich das Wort „Seite“ auf die Seite des Wegerechtsbootes oder auf die Seite des Hindernisses bezieht. Durch die Änderung des ersten Satzes von Regel 19.2(a) wird klargestellt, dass sich der Begriff „Seite“ in Regel 19.2 auf die Seite eines Bootes und nicht auf die Seite des Hindernisses bezieht.
Durch den neuen zweiten Satz von Regel 19.2(a) wird klargestellt, dass ein Wegerechtsboot zwar wählen kann, auf welcher Seite es ein Hindernis passieren will, dass es aber die Entscheidung und die Kursänderung so treffen muss, dass das andere Boot Raum hat, um sich freizuhalten.
Mit dieser Änderung wird die gängige Auslegung von Regel 19 formalisiert und die Situation vermieden, in der beide Boote nach Regel 43 entlastet werden können. Vor der Änderung war, wenn ein Wegerechtsboot wählte an welcher Seite es ein Hindernis passieren wollte und den ihm zustehenden Raum nahm, nach Regel 43.1(b) entlastet, wenn es dadurch gegen Regel 16 verstieß. Gleichzeitig konnte das Boot, das sich freihalten musste, entlastet werden, wenn ihm die plötzliche und schnelle Kursänderung des Wegerechtsbootes nicht erlaubte, sich freizuhalten.
Die Änderung beseitigt die Möglichkeit, das Wegerechtsboot zu entlasten, da ein Verstoß gegen Regel 19.2(a) nicht in Regel 43.1(b) aufgeführt ist.
Signale, die vom Wettfahrtkomitee verwendet werden: Es wird nun klargestellt, dass die Flagge „N“ (allein oder zusammen mit „H“ oder „A“) sich nur auf laufende Wettfahrten bezieht und nicht auf beendete Wettfahrten. Das Wettfahrtkomitee kann beendete Wettfahrten aufgeben, aber dies geschieht durch eine separate Aktion, die kein Signal auf dem Wasser erfordert.