Route du RhumDie Skipper über die unmenschlichen Härten des Rennens

Andreas Fritsch

 · 23.11.2022

Isabelle Joschkes "Macsf" im Ziel vor Guadeloupe
Foto: Alexis Courcoux RDR 2022
Isabelle Joschkes "Macsf" im Ziel vor Guadeloupe

Im Ziel sind sich viele einig: Die diesmalige “Rhum” war eine Tortur. Mensch und Material gingen an ihre Grenzen - und darüber

Die wohl bitterste Pille musste die Britin Pip Hare schlucken, die gestern noch wie die sichere Zehntplatzierte aussah und auf dieser Position auch die Nordwestspitze Guadeloupes passierte. Doch dann schlug die für notorische Windlöcher bekannte Insel gnadenlos zu und bescherte Hare einen der härtesten Segeltage ihres Lebens. Nach der Ankunft sprudelte es nur so aus ihr heraus:

Es war ein verrücktes Rennen, wirklich intensiv, und am Ende wurde ich echt durch die Mangel gedreht. Aber ich bin so glücklich, hier zu sein.”

Hare weiter: “Die (vom Veranstalter vorgeschriebene; d. Red.) Runde um die Insel ist einfach brutal, warum tun die uns so etwas an? Realisieren sie nicht, dass wir gerade alleine über den Atlantik gesegelt sind? Was für ein Weg, ein Rennen zu beenden. Ich bin total zerschlagen. Ich kam zur Landspitze und wusste, wie dicht die beiden Jungs (Romain Attanasio und Sebastien Marsset) hinter mir waren, und hatte sie im Auge. Und ich habe heute Morgen einige Halsen gefahren, um sie zu decken. Und ich dachte: Das ist gut, ich habe gute sechs Meilen Vorsprung. Ich könnte in ein Loch fahren, aber sie würden dann auch hineinfahren, und ich würde eben als Erste wieder herauskommen. Aber nein. Romain segelte um mich herum. Und dann wurde ich richtig müde. Als ich an der Tonne Basse Terre ankam, hatte ich einfach nichts mehr im Tank, meine Arme zerliefen einfach. Ich war so müde. Ich hätte fast ein Segel ins Wasser fallen lassen. Ich war am Boden. Was gut war, ist, dass Seb dann mit mir Wendeduelle fuhr. Ich war so müde und sagte mir nur: ‘Du hast gerade einen zehnten Platz weggeworfen.’ Und dann sah ich eine Möglichkeit zurückzukommen, und es war wirklich gut. Ich war am Ende so dicht an ihm dran, es hat mich wieder aufgerichtet, bis zum Ende kämpfen zu können. Wäre das Ziel eine Meile später gekommen, hätte ich ihn überholt!”

Wegen eines Risses im Großsegel konnte Hare nur mit erstem Reff segeln, was sie letztlich auf Platz zwölf zurückwarf. Dennoch war sie froh, im Ziel zu sein, eine starke Leistung.

Es war meine beste Platzierung in einem Imoca-Rennen, und für ein Boot mit kleinen Foils bin ich auf meine Leistung stolz.”

Zuvor war Isabelle Joschke als Neunte und damit zweitbeste Frau über die Linie gegangen. Die zierliche Deutsch-Französin hatte vor dem Start in St.-Malo in einem Interview mit der YACHT noch gesagt, dass sie ohne Ausfälle der neuen Boote mit einem Platz unter den Top 15 rechnete. Doch die meisten neuen Boote kamen durch, und umso höher ist ihr neunter Platz nun einzuschätzen, denn sie segelt ein mittlerweile zwei Foil-Generationen zurückliegendes Boot. Sie segelte ein beeindruckendes, sehr konstantes Rennen, positionierte sich im Nordwesten des Feldes und war eigentlich immer unter den Top Ten.

Ich habe vom Start bis ins Ziel hart gekämpft. Ich habe es genossen. Ich hatte nicht geglaubt, dass ich es unter die Top Ten schaffen könnte, aber mit etwas Glück und viel harter Arbeit hat es geklappt. Ich bin sehr zufrieden. Das ist ein Erfolg für mich.”

Im Reigen der gut ein Dutzend Imocas, die Schlag auf Schlag ins Ziel kamen, war auch Vendée-Globe-Gewinner Yannick Bestaven mit seiner brandneuen “Maître Coq”, mit der er offenbar Unmengen technischer Probleme hatte.

Ich fand diese Route du Rhum härter als die Vendée. Das Boot ist neu, und es gab eine Menge Lecks. Ich musste viele Reparaturen erledigen, um im Rennen zu bleiben.”

Bestaven weiter: “Ich hätte beinahe auf den Azoren gestoppt, aber am Ende konnte ich die Reparaturen im Schwachwind des Hochdrucks erledigen. Die Dichtung vom Schwenkkiel ging ab, und das führte zu einem massiven Wassereinbruch. In der Kabine stand das Wasser kniehoch. Ich musste dabei immer an Fabrice denken, denn genau da waren auch meine Batterien. (Amedeos Batterien waren nach Wassereinbruch in Brand geraten und explodiert, das Schiff gesunken; d. Red.) Ich habe mehr Zeit damit verbracht zu reparieren, als meine Strategie auszuarbeiten. Es war anstrengend, und ich bin total fertig. Diese Imocas mit großen Foils sind einfach verrückt. Das kleinste technische Problem kostet dich so viel. Ich hatte keine bestimmte Platzierung im Auge beim Start. Ich war nach der ersten Woche unter den Top Ten, aber dann wurde es wirklich kompliziert. Ich habe nicht ein einziges Mal Spaß oder smoothes Segeln erlebt in diesem Rennen. Wir haben jetzt noch zwei Jahre, uns für die Vendée Globe vorzubereiten, und dafür war das ein guter Schritt.”

Nur noch wenige Meilen bis ins Ziel hat auch der führende der Class 40s, der Franzose und Favorit Yoann Richomme mit seiner “Arkea Paprec”. Er wird vermutlich gegen 19:30 bis 20 Uhr über die Ziellinie gehen. Er hat dann 13 Imocas in seinem Kielwasser gelassen, unter anderem auch den Deutschen Boris Herrmann, der noch 120 Meilen bis ins Ziel hatte. Herrmann segelt seine “Malizia – Seaexplorer” ohne Foils, nachdem sich deren obere Führung gelockert hat und abzureißen droht.


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