Ocean Globe RaceEine Hamburgerin sucht das ganz große Abenteuer

Morten Strauch

 · 10.09.2023

Die 43-jährige Hamburgerin fährt als Amateurin im Renn-Modus um die Welt
Foto: Dr Gerrit Louw/ Allspice Yachting
Am Sonntag, dem 10. September 2023, startet das Ocean Globe Race im britischen Southampton zu einem rund 27.000 Meilen langen Sprint durch die Weltmeere. Die Flotte ist in drei Klassen unterteilt und umfasst insgesamt 14 teilnehmende Yachten. Zu den Zwischenstationen gehören Kapstadt in Südafrika, Auckland in Neuseeland und Punta del Este in Uruguay, bevor das Rennen im April 2024 wieder in Großbritannien endet. In Anlehnung an die erste Team-Regatta um den Globus vor 50 Jahren, das Whitbread Round the World Race 1973–74, findet das Ocean Globe Race im Retro-Modus statt. Ohne Millionenbudgets und moderne Technik ausgestattet, werden die Yachten zudem größtenteils von Amateuren gesegelt. Als einzige Deutsche, die alle Etappen mitsegeln wird, wagt sich die Hamburgerin Ebru Yaral an das große Abenteuer. Wir haben mit der Airbus-Managerin kurz vor dem Start gesprochen.

Ebru, was genau reizt dich an dieser Retro-Regatta um die Welt?

Ebru Yaral: Seit meiner Kindheit träume ich schon davon, einmal um die Welt zu segeln. Die letzten Vendée Globes und auch das diesjährige Ocean Race habe ich begeistert verfolgt, wohl wissend, dass ich mit meinen 43 Jahren keine Profiseglerin mehr werde. Als ich die Ausschreibung für das Ocean Globe Race gelesen habe, bei dem 70 Prozent der Crews aus Amateuren bestehen sollen, wusste ich, dass dies meine einzige Chance sein würde, dieses fantastische Abenteuer anzugehen.

Wie hast du den Sprung ins Team von Allspice Yachting geschafft?

Unser südafrikanisches Boot ist eher der Underdog, ohne Sponsoren, und daher müssen wir alle anfallenden Kosten selbst finanzieren. Ich glaube, was sie gesucht haben, waren Personen, die zum einen das Geld dafür aufbringen konnten, und zum anderen vom Mindset und vom Charakter her zueinander passen. Bei uns ist keiner an Bord, der besessen ist von dem Gedanken, unbedingt diese Regatta gewinnen zu müssen. Unser gemeinsames Ziel ist es vielmehr, einmal komplett “rum zu kommen” und das Rennen im Zielhafen zu beenden. Und falls wir eine Woche in den Doldrums hängen bleiben sollten, dann werden wir uns nicht gleich an die Gurgel gehen. (Lacht)

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Aber ganz so einfach war es dann doch nicht, oder?

Ich habe seit zwei Jahren versucht auf irgendein Boot zu kommen. Dieses hier war sozusagen mein letzter Schuss. Im September 2022 las ich, dass dieses Boot noch Crew sucht, und habe dann einfach eine Mail geschrieben. Darauf bekam ich ein Google-Formular mit Fragen wie „Was ist dein Ziel mit dieser Regatta?” oder „Was ist eine erfolgreiche Kampagne für dich?” Ich war selbst verwundert darüber, dass kein seglerischer Lebenslauf gefragt war. Es folgten Video-Calls, und ich landete auf der Warteliste ohne eine konkrete Zusage.

Und wann kam diese?

Die kam tatsächlich erst im März dieses Jahres, wobei wir die ganze Zeit in Kontakt waren und ich auch bei den Online-Teammeetings immer mit eingeladen war. Das war schon ziemlich kurzfristig. Im Juni haben wir den ersten gemeinsamen Schlag von den Azoren bis in die Bretagne gemacht, wobei ich mich dann auch in der Praxis für das Ocean Globe Race bewähren konnte.

Aber Segelerfahrung hattest du vorher trotzdem?

Klar, auch wenn ich erst während des Studiums meinen ersten Jollen-Kurs auf der Hamburger Alster absolviert habe. Seit einigen Jahren bin ich fast jedes Wochenende mit einem Freund auf einer Sunfast 3200 vor Fehmarn unterwegs. Wir trainieren ordentlich und fahren so viele Regatten mit wie möglich. Auch ein paar Hand-gegen-Koje-Törns habe ich mitgesegelt.

Wie hat dein Arbeitgeber reagiert auf deinen Wusch zur Abenteuer-Auszeit?

Airbus hat glücklicherweise ein tolles Sabbatical-Programm. Ich habe zehn Monate Auszeit genommen und bekomme währenddessen 75 Prozent meines Gehaltes weiter ausgezahlt. “Back to work” bekomme ich dann dreimal so lange weiterhin das reduzierte Gehalt und kann das so im Nachhinein abarbeiten. Das lief sehr unkompliziert, und meine Chefin hat mich trotz der langen Ungewissheit, ob ich denn überhaupt mitfahren kann, voll unterstützt.

Wie groß ist die Crew, und wer sind die Personen, mit denen du acht Monate auf See unterwegs sein wirst?

Wir sind vier Frauen und vier Männer an Bord, was das Leben sehr entspannt macht. Drei Südafrikaner, darunter Eigner und Co-Skipperin, zwei US-Amerikaner, zwei Engländer und ich als Deutsch-Türkin aus Hamburg. Auf der dritten Etappe kommt dann noch ein Chinese dazu. Das jüngste Teammitglied ist 23, der älteste Mitsegler ist 57 Jahre alt.

Wie verbringst du die letzten Tage vor dem Start?

Unsere Swan 53 war das erste Boot in der Ocean Village Marina in Southampton, und wir schlafen alle an Bord, um jederzeit am Boot arbeiten zu können oder auch mal ein Bier mit der Nachbarcrew trinken zu können. Man trifft hier so viele Gleichgesinnte und redet viel mit den anderen Teilnehmern. Auch wenn eine gewisse Grundaufregung zu spüren ist, sind alle hier sehr positiv und gemeinschaftlich – alle helfen sich untereinander und geben Tipps.

Viele Ozeansegler fürchten die Flaute mehr als Stürme wie sieht es bei dir aus?

Also ich fürchte mich definitiv mehr vor den Stürmen, besonders im Südpolarmeer mit der Kälte und der Nässe. Während der Flaute kann ich mich, so glaube ich zumindest, ganz gut beschäftigen. (Lacht)

Hast du sonst vor irgendetwas Angst?

Ganz klar vor dem Überbordfallen. Mit diesem Thema muss man sich vorab ausgiebig auseinandersetzen, einschließlich aller Konsequenzen.

Wie kann man sich darauf vorbereiten?

Wir reden sehr viel darüber im Team. Ein Teil des Krisenmanagements seitens der Wettkampfleitung ist auch, dass man sich und auch die Familie darauf vorbereiten muss, dass der schlimmste Fall in diesem Rennen auch eintreten kann. Das Vermeiden solch einer Situation hat allerhöchste Priorität an Bord, weshalb wir uns immer einklinken müssen. Darüber hinaus haben wir speziell für unser Boot verschiedene Bergeszenarien erarbeitet, falls doch jemand über Bord gehen sollte.

Was ist deine Aufgabe an Bord?

Prinzipiell macht jeder alles an Bord und steht mal am Ruder, verantwortet den Segeltrimm oder verausgabt sich in der Kombüse. Aber es gibt einen Hauptverantwortlichen für alle medizinische Belange, wir haben einen Kameramann, und ich bin verantwortlich für die MOB-Systeme. Auch wenn wir im Ocean Globe Race kein GPS nutzen dürfen, befindet es sich für Notfälle an Bord. Jeden Tag muss sichergestellt werden, dass diese Systeme funktionieren, und dafür bin ich verantwortlich.

Hast du auch persönliche Gegenstände im Gepäck?

Ja, meinen Walkman! Den habe ich bei meiner Mama wiedergefunden, und er funktioniert noch. Dazu diverse Musikkassetten. Da wir keine digitale Musik benutzen dürfen, ist das natürlich genial. So kann ich mich auch mal zurückziehen und meine Musik hören. Jeder darf zudem maximal drei Bücher in Englisch mitnehmen – so können diese auch untereinander ausgetauscht werden. Und von meiner Familie habe ich ein Kissen mit bedruckten Bildern bekommen, bissel kitschig, aber so habe ich sie immer dabei.

Und was sagt sie zu deinem Extrem-Törn?

Meine Schwester kann nicht wirklich verstehen, warum ich das unbedingt machen muss, und meine Mama hat insgeheim bis zum Ende gehofft, dass es irgendwie doch nicht klappen wird. Aber sie unterstützen mich alle!

Hast du ein Segel-Idol?

Boris Herrmann zuzuhören war immer sehr angenehm, besonders während der Vendée Globe. Sam Davies und Pip Hare fand ich auch immer stark, und Kirsten Neuschäfer hat mich mit ihrer entspannten, bodenständigen Art während des Golden Globe Race beeindruckt. Für das, was sie erreicht hat, ist sie auf jeden Fall auch ein Vorbild für mich.

Was wirst du vermissen?

Meine Familie, insbesondere meinen Neffen und meine Nichte, die eineinhalb und dreieinhalb Jahre alt sind, werde ich sehr stark vermissen. Und als Deutsch-Türkin natürlich das türkische Frühstück!

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