Commodore CupHochsee-Nachwuchs sammelt Regatta-Erfahrung

Nils Leiterholt

 · 12.11.2023

Auf Gennakerkurs an Grinder und Winschen. Das Handling der 17,20 Meter langen „Haspa“ ist den jungen Crewmitgliedern wohl vertraut
Foto: YACHT/Lars Jacobsen
Beim Commodore Cup segeln Jugendliche auf Hochseeyachten um die Wette. Eigenverantwortlich und selbst organisiert. Reportage von Bord der „Haspa Hamburg“

“Trimm!“ donnert es durchs Cockpit. Das Boot fängt gerade an zu geigen. Hektisch beginnt eines der jugendlichen Crewmitglieder am Grinder zu kurbeln. Die Winsch knarzt gewaltig unter der Last der Gennakerschot, die nun wieder dichtgeholt wird, nachdem sie eben erst von einem anderen Teammitglied gefiert wurde. Das steht vor dem Cockpit, blickt in das Segel und beginnt nun wieder zu fieren. Und so wiederholt sich der Vorgang unaufhörlich. Mal dauert es länger, mal geht es schneller, bis es wieder donnert: „Trimm!“

Die Szene spielt an Bord der „Haspa Hamburg“, die heute den Commodore Cup mitsegelt. Bereits zum zehnten Mal findet diese Nachwuchsregatta von Kiel nach Travemünde statt, deren einzigartiges Konzept darin besteht, Junioren die Chance zu geben, ihr Können unter Beweis zu stellen.

Ein Nachwuchsskipper macht, ein Profi-Coach berät

Erstmals 2014 unter dem Namen Offshore Youngsters NachwuchsregattaKiel-Travemünde ausgetragen, wird der Event gemeinsam von vier Segelvereinen durchgeführt, die sich dem Seesegeln verbunden fühlen. Der Hamburgische Verein Seefahrt (HVS) übernimmt dabei die Schirmherrschaft, das Team um Wettfahrtleiter Alexander Beilken von der Segelkameradschaft Das Wappen von Bremen (SKWB) ist für den regattasportlichen Teil zuständig. Der Kieler Yacht-Club (KYC) verantwortet die Startorganisation, während der Lübecker Yacht-Club (LYC) mit der Zielorganisation beauftragt ist.

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Die Idee hinter der Regatta ist so einfach wie genial: Pro Boot gibt es einen Nachwuchsskipper und einen Coach. Der Nachwuchsskipper muss dabei die zur Schiffsführung erforderlichen Kriterien noch gar nicht erfüllen, trifft aber alle relevanten Entscheidungen und kümmert sich um die gesamte Organisation. Der Coach ist zum Führen des jeweiligen Bootes zwar berechtigt und steht auch fortwährend mit Rat zur Seite, greift während der Wettfahrt aber nicht in die Schiffsführung ein. Was mit acht Schiffen an der Startlinie begann, bringt in diesem Jahr mehr als 200 Crewmitglieder auf 22 Yachten aufs Wasser.

Brötchen schmieren und Route festlegen vor dem Start

Geblieben ist der Termin am Ende der Saison. Der Spätsommer ist schon zum Herbst geworden. Als am Samstagmorgen vor dem Auslaufen zum Start der erste Blick aus dem Niedergang über das Deck geht, ist noch alles ein bisschen klamm vom Tau.

Zur Sicherheitseinweisung geht es trotzdem raus. Die zwölfköpfige Crew findet sich auf dem Vorschiff ein und bildet einen Halbkreis um die 21-jährige Gesine Wutzler. Sie ist als Nachwuchsskipperin heute die Chefin an Bord, und alle hören ihr – die Hände tief in den Taschen vergraben, denn es ist noch ziemlich frisch – gespannt zu, was es zu beachten gibt.

Unter Deck erörtert sie anschließend mit dem Navigator Mats, der schon über der Seekarte brütet, das Routing für die Wettfahrt. Unter Gennaker soll es losgehen in Richtung Fehmarn. „Platt vorm Laken“, sagt Gesine: „der Wind steht nicht so gut für uns, wir werden oft halsen müssen.“

Ganz wichtig ist die Brötchenschmierstation. Unter Deck riecht es nach der frisch aufgebackenen Verpflegung und einer Note von Knoblauch. Die fertigen Brötchen kommen in einen riesigen Kochtopf. Der steht griffbereit, um über den Tag die gesamte Mannschaft zu versorgen.

Endlich heißt es „Ablegen!“. Aus dem alten Olympiahafen in der Kieler Innenförde geht es zunächst nach Strande, wo der Känguru-Start stattfindet, bei dem jede teilnehmende Yacht, ausgehend von der Zeit, die sie für das Rennen voraussichtlich benötigt, ihre eigene Startzeit erhält.

Die “Haspa Hamburg” ist ein Renn-Cruiser mit Reserven

In diesem Jahr hat die Wettfahrtleitung eine Modifikation des Verfahrens vorgesehen und mehrere Startgruppen gebildet. Die „Haspa Hamburg“ zählt als eins der schnelleren Schiffe zusammen mit der „Broader View Hamburg“ und der „Halbtrocken 4.5“ zur letzten Gruppe und soll um 9.45 Uhr über die Linie gehen.

Die “Haspa Hamburg” beim Zieleinlauf in TravemündeFoto: Dr. Udo Ott/Commodore Cup 2023Die “Haspa Hamburg” beim Zieleinlauf in Travemünde

Die „Haspa Hamburg“ gehört dem HVS seit ihrem Stapellauf im Jahr 2009. Sie ist ein an einer TP52 orientierter „Long Distance Cruiser/Racer“, sportlich und ohne jeden Luxus. „Aber das Boot ist an einigen Stellen etwas stabiler und sicherer gebaut als das Vorbild der TP52“, sagt Davina Zahn, Coach an Bord der „Haspa“. Es solle nämlich auch von kleinen Crews sicher und ohne großes Risiko überführt werden können. In den Rohrkojen an Bord finden zwischen zehn und zwölf Personen Platz.

Konstruiert wurde die „Haspa Hamburg“ bei Judel/Vrolijk & Co in Bremerhaven, mit dem Bau beauftragt war Hakes Marine Limited in Neuseeland. Die Hochseeyacht ist 17,2 Meter lang, 4,8 Meter breit und verdrängt 12,8 Tonnen, wovon sich 4,5 Tonnen als Ballast in der Kielbombe befinden. Das Großsegel misst 97, das 100-Prozent-Vorsegel 70 und der Gennaker 250 Quadratmeter.

Die Skipper sollen sich entwickeln mit Raum für Fehler

Der Start verläuft routiniert und unspektakulär. Bald danach werden wir von Fehmarnbelt Traffic angefunkt: „Seid ihr auch Teil der Regatta? Sind euch die Sperrgebiete bekannt?“ Nach knappem „Ja!“ wünscht man uns eine gute Weiterfahrt, und wir wechseln zurück auf Kanal 16.

Die lediglich per AIS-Tonnen bezeichneten Gebiete wurden für die Tunnelbauarbeiten zwischen Puttgarden und Rødby eingerichtet, und eins davon liegt genau auf der Regattaroute. Sie zu umfahren erfordert Geschick von Navigator und Rudergänger. Und so vergewissert sich Skipperin Gesine, die am Steuerrad steht, bei Mats, dem 18-jährigen Navigator, der unter Deck am Navigations-Laptop sitzt, dass wir auf dem richtigen Kurs sind. „Alles okay, wir lassen die Tonne gleich an Steuerbord liegen und biegen dann ab“, kommt die Antwort aus der geöffneten Luke in der Mitte des Cockpits. Der Platz des Navigators ist genau darunter.

“Mit jungen Crews die Welt ersegeln“ – so lautet das Motto des HVS. Seit 1903 kümmert sich der Verein um die Ausbildung junger Segler auf modernen Hochseeyachten und ist dabei offen für alle, die daran Freude entwickeln. Und das ist wörtlich gemeint. Laut HVS bedeutet „entwickeln“, dass die aktiven Mitglieder des Vereins – meist sind es junge Erwachsene – die Möglichkeit bekommen, ihre Fähigkeiten auszubauen. Mit Raum für Fehler.

Angesprochen werden dabei Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 16 bis 25 Jahren. Der Verein hat zwischen 15 und 20 aktive Skipper, die sich alle acht Wochen zum Austausch treffen. Skipper kann werden, wer den Sportseeschifferschein, die entsprechenden Funkzeugnisse und den Fachkundenachweis für Seenotsignale, den sogenannten Pyroschein, hat. Außerdem benötigt der Bewerber zwei Skipper, die dafür bürgen, dass der Aspirant dazu geeignet ist, die Schiffe in verantwortlicher Position zu führen. Stimmt die Skipperrunde einstimmig dafür, dann darf der Betreffende fortan die drei Vereinsschiffe „Haspa Hamburg“, „Störtebeker“ und „Broader View Hamburg“ führen.

Regattafieber kurz vor dem Ziel

Auch viele der anderen Yachten im Feld gehören Vereinen, die einen ähnlichen Zweck verfolgen wie der HVS. Aber auch einige private Eigner beteiligen sich an der Nachwuchsregatta und stellen ihre Yachten für eine junge Crew zur Verfügung.

Gesegelt wird auf vereinseigenen Yachten, doch auch einige Eigner stellen ihre Schiffe für die Nachwuchsregatta zur Verfügung”

Das Wetter meint es gut. Gegen Mittag hat die Sonne noch spürbar Kraft, hier und da wird sogar das Ölzeug abgelegt. An Bord wird erzählt – vom Studium, von zurückliegenden Regatten und gemeinsamen Segelerlebnissen. Jonas etwa ist im Sommer beim Fastnet Race mitgesegelt, auf der „Germania VI“ der Krupp-Stiftung. Es sei sehr turbulent gewesen. „Wir hatten durchgehend die Funke besetzt.“ Wie sinnvoll das war, erfuhren sie, als die Rettungsinsel mit der Crew eines gesunkenen Konkurrenten in Sicht kam. Der Funker konnte sofort als Relais-Station helfen. „In der schweren See war es zwar nicht möglich, mit einer Yacht selbst das Rettungsmanöver durchzuführen, aber wir konnten Hilfe verständigen.“

Jonas Schreiber fuhr im Sommer auf „Germania VI“ das Fastnet Rennen mit und kämpft heute um den Commodore CupFoto: YACHT/Lars JacobsenJonas Schreiber fuhr im Sommer auf „Germania VI“ das Fastnet Rennen mit und kämpft heute um den Commodore Cup

Am Ende des Segeltages wird es noch mal spannend. Kurz vor dem Ziel kommt das Feld wieder dicht zusammen. Die Crew wird vom Regattafieber befallen und schafft es tatsächlich, bis zum Ziel noch manch einen Konkurrenten zu überholen.

Am Abend werden die Regattateilnehmer von einer Würstchenbude und einem Bierwagen verpflegt. Die jugendlichen Hochseesegler haben sich viel zu erzählen, bis zu späterer Stunde mit dem „Störti Pop“, der inoffiziellen Hymne des HVS, der lockere Teil des Abends im Clubhaus des LYC eingeläutet wird.

“Halbtrocken 4.5” holt den Sieg beim Commodore Cup 2023

Am Sonntagmorgen findet die Siegerehrung statt. Den Commodore Cup gewinnt die „Halbtrocken 4.5“ von Michael Berghorn aus dem Kieler Yacht-Club. Das Team um Steuermann Linus Döpp und 470er-Mixed-Vizeeuropameisterin Theres Dahnke erhält ein von der Stiftung Hochseesegeln zur Verfügung gestelltes Preisgeld in Höhe von 3.000 Euro. Der zweite Preis, mit 2.000 Euro dotiert, geht an die Crew um Steuermann Felix Schießer auf „Matchbox“ von Eigner Eike Claas Carmincke aus dem Akademischen Segelverein Wismar. Mit den zweckgebundenen Geldpreisen soll in die Jugendarbeit im Hochseesegeln investiert werden.

Die wurde in diesem Jahr auch vom Deutschen Segler-Verband unterstützt, der mit einer Jugendcrew am Start war, die den 16. Platz auf der Ergebnisliste belegt. Bewerben konnten sich Segler zwischen 16 und 28 Jahren. Insgesamt gab es acht Plätze auf der „Morningstar“ von Eigner Jussi Rissannen. Der Verband stellte Startgeld und Verpflegungsbudget zur Verfügung, die Junioren mussten lediglich ihre Anreise nach Kiel organisieren.

Gebt den jungen Leuten eure Schiffe, und ihr werdet nicht enttäuscht!“

DSV-Jugendobmann Jonathan Koch ist mit dem Ergebnis zufrieden: „Die meisten saßen ja bisher nur in Jugendbootklassen.“ Er lobt vor allem die Zusammenarbeit der drei Fachbereiche Jugend-, Wett-und Fahrtensegeln des Verbandes.

In seiner Abschlussansprache zollt Joachim Brünner, stellvertretender Vorsitzender des Hamburgischen Vereins Seefahrt, der Stiftung Hochseesegeln Anerkennung für ihre großzügige Förderung des Nachwuchses. Beeindruckt zeigt er sich von der großen Meldezahl der diesjährigen Auflage des Events: „Gebt den jungen Leuten eure Schiffe, und ihr werdet nicht enttäuscht!“ Auch Kai Rasch, stellvertretender Vorsitzender des LYC, ist begeistert von den Teilnehmern: „Wie ich sehe, ist das Offshore-Segeln deutlich jünger, als ich dachte – und weiblicher!“ Wettfahrtleiter Alexander Beilken von der SKWB zeigt sich ehrgeizig: „Nächstes Jahr möchte ich hier den Hafen vollmachen.“ Und mit einem Augenzwinkern ergänzt er, dass es gegenüber notfalls auch noch ein paar Liegeplätze gebe. Denn auch gegen Ende der kommenden Saison, so viel ist sicher, soll es den Känguru-Start vor Strande wieder geben, dann zur elften Auflage des Commodore Cup.


Der Commodore Cup 2023

Gewertet werden Crews, deren Mitglieder 16 bis 28 Jahre alt sein dürfen. In diesem Jahr gewann den Cup die „Halbtrocken 4.5“. In einer zweiten Wertung kämpften zwei Mannschaften, die zu alt für den Commodore Cup sind, um die Burmester-Schale. Sie ging an die „X-Wings“ vom Lufthansa Sportverein. Der Commodore Cup ist von der Stiftung Hochseesegeln mit 5.000 Euro für die Jugendarbeit dotiert, 3.000 Euro für den 1. und 2.000 Euro für den 2. Platz.

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“Vor zehn Jahren bescheiden gestartet!“

yacht/commodore-cup-2023-hvs-ger-pr-tt14526_102f93e67146176faa08270046e05cf9Foto: Dr. Udo Ott/Commodore Cup 2023

Joachim Brünner vom Hamburgischen Verein Seefahrt über die rasante Entwicklung der Nachwuchsregatta Commodore Cup

Was sind die Ziele des Commodore Cup?

Vor zehn Jahren sind wir voller Ambitionen und bescheiden gestartet. Tatsächlich hat sich das Format ganz toll entwickelt. Eine Öffnung für weitere Schiffe ist das richtige Signal. Je mehr Schiffe, desto besser für die Jugend, je mehr Jugend, desto besser für den Segelsport.

Gibt es Ambitionen, das Format oder die Strecke der Regatta zu ändern?

Die Strecke hat Tradition. Die etwa 80 Seemeilen sind eine lange, durchaus ambitionierte Distanz. Optimal, um das Hochsee­segeln kennenzulernen, ohne durch anspruchsvolle Nachtfahrten abgeschreckt zu werden. Unsere Heraus­forderung war und ist, junge Menschen dazu zu animieren, als Skipperin oder Skipper zu segeln. Wir brauchen diejenigen, die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen und die Tradition des Hochsee­segelns an die nächste Generation weiterzugeben.

Erstmalig war der DSV mit einer Jugendcrew dabei. Will der Verband die Veranstaltung auch sonst weiter unterstützen?

Also das war wirklich klasse. Der DSV hat extra ein Schiff gechartert. Das hat uns eine Menge zusätzliche Aufmerksamkeit gebracht, so eine Reichweite hatten wir ohne den DSV bisher nicht. Von Mona Küppers als Präsidentin und Jonathan Koch als Vizepräsident Jugend im DSV haben wir über die große Begeisterung der jungen Seglerinnen und Segler erfahren, die dieses Engagement des Verbandes ausgelöst hat. Wenn wir uns etwas wünschen dürften, wäre das, dass der DSV auch im kommenden Jahr wieder mit einer Crew teilnimmt.

Der Hamburgische Verein Seefahrt bereedert mit der „Störtebeker“, der „Haspa“ und der „Broader View“ drei Hochseeyachten. Wie werden die im Einzelnen eingesetzt?

Für alle drei Schiffe gibt es eine vorausschauende Reiseplanung für die nächste und übernächste Saison. Etwa alle zwei Jahre nehmen wir an internationalen Segelereignissen, wie zum Beispiel am Kap­stadt-Rio-Race, Sydney Hobart oder diversen Transatlantik-Regatten, teil.

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