Tatjana Pokorny
· 09.05.2023
Kein Team hat so viele brutale Rückschläge im Ocean Race einstecken müssen wie das Guyot Environnement – Team Europe. Nun hat der Mastbruch im Nordatlantik den Traum von der Weltumseglung endgültig zum Albtraum gemacht.
Das Leiden im Guyot Environnement – Team Europe nimmt bei dieser 14. Auflage des Ocean Race kein Ende. Nach einer Serie von technischen Problemen und der mit Rumpfschaden aufgegebenen Königsetappe hat die Crew um Skipper Ben Dutreux und Co-Skipper Robert Stanjek aus Berlin nun ihr Rigg verloren. Der Mast brach am frühen Morgen des 9. Mai in einem hässlichen Nordatlantik-Sturm in mehr als 30 Knoten Wind. Etwa 600 Seemeilen östlich von Newport war damit das zweite Etappen-Aus in Folge für Team Guyot besiegelt.
Die gute Nachricht: Das Team an Bord blieb dabei unverletzt. Ihr gegenüber stehen jedoch eine ganze Reihe schlechter Nachrichten für das schwer geprüfte Ocean-Race-Team. Die Hoffnung auf ein starkes Comeback im 14. Ocean Race ist mit dem Rigg erneut und möglicherweise final geplatzt. Das Team muss nun um die Fortsetzung des Rennens bangen. Der Traum von der Weltumseglung ist zum Albtraum geworden.
Der Ersatzmast der Imoca-Klasse ist bereits für Team Holcim-PRB aus Lorient unterwegs nach Newport. Der Mast der gesamtführenden „Holcim-PRB“ war am 27. April ebenfalls auf der vierten Etappe von Itajaí in Brasilien in den US-Hafen Newport gebrochen. Was Team Guyot sehr theoretisch bliebe, wäre die Hoffnung, sich einen Ersatzmast von einem nicht am Rennen teilnehmenden Team zu leihen. Doch dagegen sprechen nicht nur die damit verbundenen Kosten und Risiken, sondern auch die knappe Zeit bis zum Start von Etappe fünf, die das Ocean-Race-Feld ab 21. Mai über den Atlantik ins dänische Aarhus führt.
Das Guyot Environnement – Team Europe war nach dem Schockereignis am Dienstag sowohl an Bord als auch an Land umgehend in den Krisenmodus übergegangen. Robert Stanjek vermeldete zunächst von Bord, dass die Crew nun etwa etwa fünf bis sieben Tage nach Newport brauche, den US-Hafen also nicht vor dem Wochenende erreichen wird. In ersten Einschätzungen für YACHT online berichtet Co-Skipper Robert Stanjek von Bord der mastlosen “Guyot” über die Ereignisse und die möglichen Konsequenzen.
“Wir waren hier oben in dem kleinen, aber heftigen Tiefdruckgebiet unterwegs. Wir waren tatsächlich nur unter Großsegel im dritten Reff unterwegs. Raumschotskurs. Wir haben so 15, 16 Knoten Fahrt gemacht. Ich habe zum Zeitpunkt des Mastbruchs geschlafen. Tief und fest. Ich bin wach geworden auch, weil es zwei echt krasse Stampfer gab. Das Boot ist zweimal heftig in die Welle eingeschlagen und dann wurde es hektisch an Bord. Dann habe ich nur vernommen… oh, der Mast! Ich habe mich angezogen, bin raus und habe mir erst einmal Übersicht verschafft.
Ich glaube, der Mast ist nur einmal gebrochen. Wir haben ein etwas vier Meter langes Mastfußstück an Bord stehen und den Rest leider kappen müssen. Das große Maststück ist sehr gefährlich, wenn es nicht an den Segeln und den ganzen Wanten hängt, weil es immer gegen den Rumpf schlägt. Da muss man schon zügig Entscheidungen treffen. Da du mit vier Mann so einen Mast natürlich nicht an Deck gehoben bekommst – schon gar nicht bei der Welle, weil das saugefährlich ist – hast du eigentlich nur die Option zu kappen und dich von dem sauteuren Zeug zu trennen. Es sind auch eine J3, J2 und eben das Groß mit über Bord gegangen. Und die ganzen Wanten.”
“Wir haben sehr viel Pech auf der Materialseite, bei der Technik. Wir haben schon auf Etappe eins den Anschluss durch Reparaturen verpasst. Auf Etappe zwei der A2 und der Fractional Zero. Etappe drei: Delamination und Aufgabe der Etappe. Jetzt hatten wir hier ein Problem mit der Trimmleine fürs Foil. Die Reparatur, die wir da zu hektisch begonnen hatten, die hat uns einen zu großen Abstand reingedrückt, weil wir es dann erst im zweiten Anlauf repariert bekommen haben. Im ersten Anlauf war letztendlich der Speed des Rennens zu schnell. Da hätte man ohne Foil einfach mtifahren müssen.
Die Nummer mit dem Mast jetzt ist ein Desaster. Ich weiß auch nicht, ob man da imemr so von Pech sprechen kann. Es hat sich aber nicht falsch angefühlt, was wir hier gemacht haben. Ob es dann diese eine heftige Welle ist, die Du doch falsch triffst? Wir haben wirklich nicht auf die Daten geschaut und Speeds verglichen. Wir haben gesagt: Okay, hier fahren wir so durch, dass Ziel ist, auf der anderen Seite des Tiefdruckgebiets sauber und klar anzukommen und dann wieder auf die Tube zu drücken. Und wir waren eigentlich alle guter Dinge, dass wir das so durchdrücken.
Unser Wachrythmus lief gut. Die eine Hälfte der Mannschaft hat geschlafen, die andere hat das Boot geführt. Und es war alles andere als zickig…”
Wir kriegen hier bis zum Start der nächsten Etappe keinen Mast her. Das ist völlig utopisch.” Robert Stanjek
“Man muss schauen, was jetzt passiert und wie man mit allem umgeht. Ich kann nur meine traurige Annahme unterbreiten: Das Rennen geht in zwölf Tagen in Newport wieder los. Bis dahin wird auf keinen Fall etwas möglich sein. Das Schiff hat auch im Bugbereich was abbekommen. Das muss repariert werden. Vor allem aber kriegen wir hier keinen Mast hin zu einem Start in die Transatlantik-Etappe. Das ist völlig utopisch.
Dann geht die Transatlantik-Etappe sehr schnell nach Europa. Das heißt, du kriegst den Rumpf gar nicht so schnell nach Europa, um in Aarhus wieder einsteigen zu können. Ganz ehrlich, ich weiß nicht, mit welchem logistischen Kunststück das realisiert werden könnte. Und dann sind wir auch eher eine Low-Budget-Kampagne. Wir können keinen Mast hierher einfliegen lassen. Das ginge schnell in Richtung einer halben Million, so eine Unternehmung.
Es müssen jetzt alle erst einmal nachdenken, aber es sieht alles andere als cool aus. Ich will nichts vorwegnehmen. Die Entscheidungen trifft das Management. Aber wenn man sich die zeitlichen Abläufe ansieht, geht das jetzt alles Schlag auf Schlag. Und da ist kein Zeitfenster dabei, das uns realistische Möglichkeiten bietet.”
Alle brauchen Schlaf. Alle sind gerade sehr erschöpft und enttäuscht.” Robert Stanjek
“Bisher sind hier alle sehr besonnen im Krisenmanagement gewesen. Wir sind jetzt auch gerade vor zwei Stunden wieder in den Wachrathmus gegangen. Alle brauchen Schlaf. Alle sind gerade sehr erschöpft und enttäuscht. Der Weg nach Newport wird sicher ähnlich wie auch der Heimweg von der dritten Etappe: Wir werden fünf, sechs, sieben Tage nach Newport brauchen. Es wird emotional sicher mehrere Abstufungen geben. Ich will noch gar nicht drüber nachdenken. Ich bin auch erstmal so erschossen. Ich bin um 10 Uhr deutscher Zeit dran, mich in die Koje zu legen.”
Während Team Guyot sein Schicksal zu meistern hat, konnten die US-Spitzenreiter vom Team 11th Hour Racing ihre Führung vor Team Malizia ausbauen. Charlie Enright und seine Crew hatten am Dienstagmorgen bei noch rund 400 Seemeilen bis ins Ziel mehr als 40 Seemeilen Vorsprung vor Team Malizia. 80 Seemeilen dahinter folgte Team Biotherm.
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