Tatjana Pokorny
· 02.04.2023
Boris Herrmann und Team Malizia haben die Königsetappe im Ocean Race gewonnen. “Malizia – Seaexplorer” kreuzte die Ziellinie am Morgen des 2. April um 7.20 Uhr deutscher Zeit mit rund 80 Seemeilen Vorsprung vor dem Schweizer Team Holcim –PRB. Boris Herrmanns erste Worte an Land: “Abgerechnet wird im Ziel.”
Sie hatten ihr Aus schon vor Augen, als sie am Ende von Woche eins der Königsetappe im 14. Ocean Race einen Riss im Mast der “Malizia – Seaexplorer” entdeckten. Es folgten ein horrender Reparatur-Marathon, das kämpferische Comeback, der Kap-Hoorn-Triumph, der Unfall von Rosie Kuiper und nun das magische Happy End. Nach 14.714 gesegelten Meilen kreuzte Team Malizia die Ziellinie der Königsetappe im 14. Ocean Race um 2.20 Uhr Ortszeit in dunkler Nacht.
34 Tage, 17 Stunden, 10 Minuten und 28 Sekunden hat der am Ende unwiderstehliche Lauf der Mannschaft um den 41-jährigen Hamburger Skipper Boris Herrmann angedauert. Vor allem in den stürmischen Winden der letzten Tage konnte die Starkwind-Rakete “Malizia – Seaexplorer” noch einmal ihr großes Potenzial unter Beweis stellen. Nach langem und hartem Bug-an-Bug-Duell mit Kevin Escoffiers Team Holcim zog Team Malizia im Schlusssspurt der Mammut-Etappe souverän davon. Im Ziel der dritten Ocean-Race-Etappe hatte Herrmanns Segel-Quartett einen Vorsprung von rund 80 Seemeilen.
Mit dem Triumph rücken Boris Herrmann, Will Harris, Nico Lunven und Rosalin Kuiper nach drei von sieben Etappen der Weltumsegelung auf Platz zwei hinter Team Holcim PRB von Kevin Escoffier vor. Die Schweizer Spitzenreiter des Gesamtklassements wurden wenige Stunden nach Team Malizia im Ziel erwartet. Boris Herrmanns erste Worte nach einem dynamischen Sprung aufs brasilianische Dock: “Abgerechnet wird im Ziel. Wie mit Tim Kröger einmal einer der deutschen Segler schrieb …”
Diese Etappe ist ein bisschen wie ein Märchen, was wahr geworden ist.” (Boris Herrmann)
Mit seinem Kommentar bezog sich Herrmann sowohl auf den eigenen Etappenverlauf, der einer sportlichen, technischen und emotionalen Achterbahnfahrt glich und so glücklich endete, als auch auf das gleichnamige Buch des zweimaligen Weltumseglers Tim Kröger, das ihn als Teenager inspirierte. In bildschöner brasilianischer Halbmondnacht hatte Team Malizia die letzten Seemeilen bei glatter See und in leichten Winden im Scheinwerferlicht vieler Presse- und Fan-Boote mit J2 und vollem Großsegel absolviert. In einem Jubelmeer machte die Crew mit der erstaunlich unversehrt aussehenden “Malizia – Seaexplorer” am Dock fest.
“Wir können es alle noch gar nicht so richtig glauben. Diese Etappe ist so ein bisschen wie ein Märchen, was wahr geworden ist. Weil wir am Anfang sogar überlegt hatten, mit einem großen Riss im Mast aufzugeben. Jetzt am Ende hier zu gewinnen, das hätten wir uns nie träumen lassen”, sagte Boris Herrmann.
Die Reparatur des Mastes wird in die Geschichte von Team Malizia eingehen.” (Boris Herrmann)
Weiter sagte der Skipper, in dessen müdem Gesicht sich so viel Freude, Glück und Erleichterung widerspiegelten: “Wir hatten ein paar große Herausforderungen: der Mast, Rosalins Verletzung, wir hatten Probleme mit unserer Lichtmaschine und allerhand andere Schwierigkeiten auch. Das ist Teil unseres Sports. Es ist ein mechanischer Sport, und man muss mit der Technik klarkommen und sich nicht unterkriegen lassen. Man muss manchmal MacGyver-Lösungen finden. Diese Reparatur des Mastes wird in die Geschichte von Team Malizia eingehen. Das war wirklich eine MacGyver-Aktion.”
Weil sein Boot nach der Reparatur bis ins Ziel so zuverlässig durchgehalten hat, widmeten Boris Herrmann und seine Crew der “Malizia – Seaexplorer” in Itajaí eine auf 15 Sekunden verkürzte “Schweigeminute”, um ihren Respekt zu bezeugen. Danach ging es aufs Siegerpodium, wo Crew und Landmannschaft die Preisverleihung und stürmischen Beifall genossen. Mit riesiger brasilianischer Flagge in den Händen bedankten sie sich beim begeisterten brasilianischen Publikum. In den sozialen Netzwerken überschlugen sich zeitgleich Lobeshymnen und Glückwünsche. Mit “Ihr seid Helden”, “You did it!” und “Großartiges Teamwork” huldigten die Fans ihrem Dream-Team.
Ein brasilianischer Fan überredete Boris Herrmann noch während der Siegerfeier zum Trikot-Tausch: Team Malizias Shirt gegen ein brasilianisches. Fortan gab Boris Herrmann seine Interviews in gelb-grünen Farben. Über den schönsten Moment der Etappe musste er nicht lange nachdenken: “Das war Kap Hoorn!”
Dafür erhielt Team Malizia zusätzlich zum Etappen-Pokal die Roaring Fourties Trophy. Zuletzt hatte vor 22 Jahren die deutsche “illbruck” 2001 die Kap-Hoorn-Etappe und später auch die Gesamtwertung des Rennens um die Welt gewonnen. Jetzt kämpft Boris Herrmanns Team Malizia im Ocean Race um den Erfolg beim wichtigsten Mannschaftsrennen um die Welt. “Für uns ist ein Traum wahr geworden. Jetzt wollen wir sehen, ob wir Team Holcim – PRB im Kampf um die Spitzenposition herausfordern können”, sagte Will Harris im Etappenhafen Itajaí. Rund 60 Prozent der Ocean-Race-Punkte sind noch zu haben …