Die bisherige Bestmarke war nicht viel mehr als ein halbes Jahr “alt”. Auf der zweiten Etappe des Mini Transat hatte Hugues de Prémare vorigen November auf einem Serien-Mini 317,25 Seemeilen vorgelegt. Jetzt steht Caro Boule an der Spitze der Rekordjäger. Ihr Wert von 322,7 Seemeilen ist zwar noch nicht ratifiziert, doch ein Ausrufezeichen hat die in Polen geborene Tochter eines Franzosen allemal gesetzt. Und es ist nicht das erste.
Zwar konnte sie das Potenzial ihres von Sam Manuard konstruierten und bei Multiplast gebauten Carbon-Protos in Solo-Rennen bisher nur andeuten, aber kaum je mit Ergebnissen untermauern. Dafür fehlt der Ingenieurin schlicht Hochsee- und Langstreckenerfahrung. Mit ihrem Partner Benoit Marie, selbst Konstrukteur und Mini-Skipper, ist sie bei Zweihand-Regatten aber schon mehrfach auf dem Podium gestanden.
Das Duo hat auch den ersten, wenngleich inoffiziellen Rekord von “Nicomatic” aufgestellt: Sie trieben das Boot mit der Bug-Nummer 1067 bereits auf 28 Knoten Topspeed. Und es ist absehbar, dass noch mehr in dem Mini steckt.
Davon jedenfalls ist Caro felsenfest überzeugt. Die Ingenieurin, die in der Moth-Klasse ihr Faible fürs Fliegen entdeckt und ihre laufende Promotion an der Ecole Polytechnique in Paris derzeit ausgesetzt hat, um genug Zeit für ihr aktuelles Projekt zu finden, sagte der YACHT bereits Ende 2022, kurz nach den ersten Testschlägen, dies:
Wir haben noch nicht gesehen, wozu foilende Boote wirklich imstande sind”
Für sie ist der Mini ein Kulminationspunkt, in dem sie ihre beiden größten Leidenschaften zusammenbringen kann: komplexe Entwicklungsaufgaben zu lösen – und schneller zu segeln als der Wind. Und sie denkt bereits größer: Eine Imoca-Kampagne mit dem Ziel der Vendée-Globe-Teilnahme 2028 steht auf ihrer Agenda, auch wenn ihr dafür im Moment noch die Mittel fehlen.
Zwei Aspekte beeindrucken bei ihrer jüngsten Rekordfahrt besonders: Caro erzielte sie raumschots, um die 120 Grad TWA, also nicht dem günstigsten Windeinfallswinkel, der um die 1oo Grad TWA liegt. Da ist also definitiv noch mehr zu holen. Und sie ist limitiert, was die Leistungsfähigkeit des Kurscomputers betrifft, der laut Klassenregel nicht dem letzten, auf Imocas üblichen Stand der Technik sein darf. Dennoch nahm sie den in ihrer näheren Umgebung segelnden Minis der Proto-Klasse beständig drei bis fünf Meilen pro Stunde ab.
Es war genau jenes Szenario, das die cool kalkulierende Technikerin voraussah, als sie sich gegen C-Foils und für den Full-Flight-Modus entschied: sich entscheidend absetzen oder aufholen zu können dann, wenn sie auf für “Nicomatic” gute Bedingungen trifft.
Beim Mini Transat fand sie diese nicht oder konnte sie nicht umsetzen. Gestern aber lieferte sie. Vielleicht erleben wir ja nach einigen weniger überzeugenden Versuchen gerade doch noch so etwas wie die Foil-Dämmerung in der Prototypen-Wertung der Minis. Sie war schon immer eine Art Experimentallabor für angewandte Hochseetechnologie.
Beim SAS stehen die führenden Boote derzeit noch rund 200 Seemeilen vor dem Ziel in Horta. Ein Hoch sorgt für sehr leichte Bedingungen. Bei den Protos liegt der Schweizer Felix Oberle auf Platz 5 mit rund 50 Seemeilen Rückstand, aber einer taktisch aussichtsreichen Position im Nordosten der Spitzengruppe. Bei den Serien-Minis segelt Joshua Schopfer auf Oberles früherer “Mingulay” auf P4. Jan-Hendrik Lenz auf “Monoka” ist bester Deutscher auf P11.
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